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Dream Teams: Die besten Regie-Schauspiel-Kreativduos

Meinungen
Denzel Washington in Equalizer 2 / Regisseur Antoine Fuque
Denzel Washington in Equalizer 2 / Regisseur Antoine Fuque

Antoine Fuqua und Denzel Washington pflegen eine fruchtbare Partnerschaft: Mit The Equalizer 3, der das Finale der Actionreihe sein soll, kommt schon der fünfte Film ins Kino, bei dem der eine Regie führt und der andere die Hauptrolle spielt. Gleich ihre erste Kollabo war ein großer Erfolg: Training Day etablierte Fuqua als Filmemacher und brachte Washington 2002 den Oscar als Bester Hauptdarsteller ein. Er war damit erst der zweite Schwarze Schauspieler, der in dieser Kategorie gewinnen durfte – nach Sidney Poitier 1964.

Die Filmgeschichte ist voller Beispiele für Regie-Schauspiel-Duos, die sich gegenseitig besonders gut zu befruchten scheinen. Hitchcock tat zwar in Interviews gerne, als seien seine Schauspieler*innen austauschbare Ausführende, landete aber trotzdem immer wieder bei James Stewart. Auch für Scorsese scheint es wichtig, immer einen Liebling zu haben. Der Star seiner jüngeren Filme, Leonardo DiCaprio, wurde ihm von seiner vorherigen Muse Robert De Niro empfohlen. Wir haben in unseren Köpfen gekramt und einige unserer liebsten kreativen Partnerschaften gekürt.

David Lynch und Laura Dern

Laura Dern ist eine dieser Schauspielerinnen, bei der man in jede Gesichtsregung eine ganze Geschichte hineinlesen könnte. Zu den rätselhaften Filmen von David Lynch, die immer gerade so viel Symbolik anbieten, dass man anfängt, sie entschlüsseln, aber nicht genug, um damit jemals fertig zu werden, passt das perfekt. Vor Kurzem erst ist eine restaurierte Fassung von Inland Empire erschienen, der dritten Kinofilm-Zusammenarbeit der beiden, die diese Dynamik auf die Spitze treibt. Gehörten Blue Velvet und Wild at Heart, obwohl eigenwillig, noch zu Lynchs Publikumserfolgen, ist dieser digital gefilmte Dreistünder über eine Schauspielerin, deren Filmprojekt von Geistern der Vergangenheit heimgesucht scheint, wohl sein verwirrendstes und verstörendstes Werk. Während Derns Figur zunehmend den Halt in der Realität verliert, ist ihre Performance so ziemlich das Einzige, was den Zuschauenden noch Halt bietet, auch wenn man längst nicht mehr weiß, ob sie gerade die Schauspielerin, deren Rolle oder noch drei weitere Meta-Ebenen verkörpert.

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Für echte Fans lohnt es sich auch, Industrial Symphony No. 1 ausfindig zu machen, den Mitschnitt einer avantgardistischen Mischung aus Konzert- und Theateraufführung mit Dern und Nicholas Cage unter der Regie von Lynch. 2017 arbeiteten die beiden bei der wiederbelebten Serie Twin Peaks: The Return noch einmal zusammen.

Mathis Raabe

Guillermo del Toro und Doug Jones

Schauspieler*innen, die auf nicht-menschliche oder Monsterfiguren spezialisiert sind, gehören nicht zu den großen Stars Hollywoods, weil man ihre Gesichter nicht kennt, dabei sind sie oftmals tragend für fantastische Filme. Zum Beispiel zieht aktuell Dracula in Die letzte Fahrt der Demeter nicht etwa aus CGI seine bestialische Präsenz, sondern aus der Performance von Javier Botet, einem Schauspieler, der seine Erkrankung mit dem Marfan-Syndrom kreativ nutzt, um auf der Leinwand eindrückliche Monster und Aliens zu erschaffen.

Doug Jones ist der Kontorsionist (umgangssprachlich „Schlangenmensch“), der Fabelwesen-Fan Guillermo del Toro überhaupt erst ermöglicht, seine Visionen umzusetzen – und dabei auch große Schauspielkunst demonstriert, weil er es schafft, dass man in seinen Figuren trotz aufwendiger Masken und Kostüme ein ganzes Seelenleben erkennen kann. In den Hellboy-Filmen beweist er komödiantisches Talent, in Pans Labyrinth verkörpert er mit der Titelfigur und dem „Bleichen Monster“ gleich zwei ganz unterschiedliche nicht-menschliche Rollen. Seine beeindruckendste Rolle ist aber wohl das verliebte Amphibium in The Shape of Water. Ein sogenannter Monster-Darsteller in einer romantischen Hauptrolle – kaum einem anderen Kreativduo hätte man dieses Kunststück zugetraut.

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Auch Javier Botet arbeitete bei Die letzte Fahrt der Demeter schon zum wiederholten Male mit Regisseur André Øvredal (Scary Stories to tell in the Dark) zusammen. Es ist wenig verwunderlich, dass gerade Regisseure mit einem Faible für Fantastik und Profi-Monster-Darsteller besonders nachhaltige und fruchtbare Arbeitsbeziehungen eingehen.

Mathis Raabe

Paul Thomas Anderson und Philip Seymour Hoffman

Er fehlt. Bei jedem Film, den ich mit ihm sehe, wird deutlich, wie sehr dieser großartige Schauspieler doch fehlt. Seine unnachahmliche Art, sich zu bewegen, mit der er seinen Figuren eine stolpernde Präsenz verlieh, gibt mir ein vertrautes Gefühl von einem Zuhause – wenn es so etwas überhaupt geben kann. In den Filmen von Paul Thomas Anderson spielte der Amerikaner nicht immer die ganz großen Rollen – und brillierte dennoch, verlieh jeder noch so kleinen Figur eine verletzliche Würde.

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Anderson besetzte Philip Seymour Hoffman bereits in einer Minirolle in seinem ersten Film Last Exit Reno / Hard Eight. In dem mit Philip Baker Hall, John C. Reilly, Gwyneth Paltrow und Samuel L. Jackson hervorragend besetzten Gangsterdrama gelingt es dem Schauspieler, mit einer großartigen Szene im Gedächtnis zu bleiben: Mit hyperaktiv-überheblicher Rotzigkeit, wie als wäre zu viel Kokain im Spiel, bildet er am Spieltisch den Gegenpart zum in sich ruhenden Baker Hall, der wie ein Gentleman verharrt und den Jungspund abkocht. Der Moment, in dem Hoffman die Erkenntnis der Niederlage über sein Gesicht huschen lässt, der innerliche Zusammenbruch, ist von dieser melancholischen Traurigkeit, die auch seine nächste Figur in sich tragen wird.

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In Boogie Nights taucht Hoffman erst nach 40 Minuten überhaupt auf und stiehlt doch allen – von Mark Wahlberg über Burt Reynolds bis zu Julianne Moore – die Show. Die Rolle des Scotty J. hat Paul Thomas Anderson seinem Lieblingsschauspieler buchstäblich auf die Haut geschrieben. Wie so oft in seiner Karriere stürzt Hoffmann sich in physische Peinlichkeiten: von Eitelkeit keine Spur. Dieser Scotty J. ist jemand, der gerne wahrgenommen werden würde und beinahe in jeder Szene, in der er sich aufdrängt, wieder aus dem Bild gesaugt wird.

P.T. Anderson weiß ganz genau, was er an Hoffman hat. Er setzt seine Präsenz wie ein Werkzeug ein. Er wird ihn wieder besetzen. In Magnolia. Eine Rolle, die das absolute Gegenteil der vorhergehenden sein wird. Ruhig und sensibel pflegt er einen reichen Mann bis zu dessen Tod. Keine Spur von der aufgekratzten Verletzlichkeit und Unruhe. Dann folgt Punch Drunk Love, einer der großen unterschätzten Filme der letzten Jahrzehnte, in dem Adam Sandlers expressiv-obszönes Spiel inwendig wird und Hoffman jedes wütende Fuck der Welt aus sich herausholen darf.

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Am Ende dieser Zusammenarbeit steht dann der Monolith: The Master. Anderson gibt Hoffman nun jene Bühne, die er Daniel Day-Lewis in There Will Be Blood gegeben hat. Ein wenig scheint es so, als füge Philip Seymour Hoffman hier alle Facetten zusammen, mischt die Verhältnisse aus brodelnder Wut, hyperaktiver Getriebenheit und melancholischer Einsamkeit: Der Sektenführer Lancaster Dodd lässt sich nicht durchschauen. Womöglich weiß er selbst, dass all das nur hanebüchener Unsinn ist; und doch stemmt sich hier jemand gegen seine eigene kleine Existenz, plustert sich auf und ruht dabei wie ein Fass mit Sprengstoff kurz vor der Explosion.

Und dann kam das Heroin. Traurig.

Sebastian Seidler

 

Kenneth Branagh und Kenneth Branagh

Okay, der ist ein bisschen gemogelt, aber es stimmt doch: Der liebste Schauspieler des Regisseurs Kenneth Branagh ist er selbst. Ich meine: Was ist das bitte für ein Statement, sich gleich mal in seiner ersten Regiearbeit — Henry V. von 1989 — in der Hauptrolle selbst zu besetzen? Und dann nonchalant genauso weiterzumachen? In Schatten der Vergangenheit (1991), in Peter’s Friends (1992), in Viel Lärm um nichts (1993), in Mary Shelly’s Frankenstein (1994), in Hamlet (1996)?

Diese intensive Schaffensphase als Regisseur ebbte Ende der 90er zwar ab, bis dahin schien der Nordire aber alles daran zu setzen, sich in seinen eigenen Stoffen selbst in Szene zu setzen. Und das am besten in möglichst großen Rollen von Shakespeare bis Mary Shelley. Die zweite Welle rollte dann Ende der 2010er an: In gleich drei Agatha-Christie-Verfilmungen — Mord im Orient Express, Tod auf dem Nil, die dritte, A Haunting in Venice, steht in den Startlöchern — nahm Branagh erneut auf dem Regiestuhl Platz und schlüpfte unter den eindrucksvollen Schnauzbart von Hercule Poirot. Darauf bedacht, nicht etwa die Mordfälle möglichst spannend zu inszenieren, sondern sich selbst ins Scheinwerferlicht zu stellen. Und wenn er mal nicht die Hauptrolle übernimmt, dann dreht er einfach einen autobiografischen Film. Schwupps: Belfast.

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Dabei ist Branagh alles andere als ein schlechter Schauspieler, man denke etwa an seine jüngsten Auftritte in Nolans Tenet und Oppenheimer, oder auch daran, wie er im zweiten Harry-Potter-Film dem Antagonisten Gilderoy Lockhart diesen herrlich widerwärtig-schleimigen, wieseligen Charakter gab. Seine ohnehin diskutierbaren Qualitäten als Regisseur werden aber noch dadurch geschmälert, dass sich immer wieder der Eindruck aufdrängt, Branagh nutze seine Filme vor allem als Vehikel der Selbstdarstellung. Das hat, wie man so schön sagt, ein Geschmäckle. Am Ende muss man vielleicht sogar froh darüber sein, dass Chris Hemsworth bereits in der Rolle als Marvels Thor gecastet war — sonst hätten wir Branagh womöglich sogar noch als nordischen Donnergott erlebt.

Was aber trotz alledem unbestreitbar ist: Die Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Branagh und dem Schauspieler Branagh war und ist eine äußerst fruchtbare. Ob nun mit gutem oder schlechtem Resultat, darf jede/r selbst beurteilen.

von Christian Neffe

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