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Lose Enden: „Schultze Gets The Blues" und die kurze Karriere des Michael Schorr

Ein Beitrag von Joachim Kurz

Kino-Zeit ist 20 Jahre alt geworfen. Die Rückschau wirft gute Fragen auf: Im Januar 2004 sah Joachim Kurz „Schultze Gets The Blues“. Wieso hörte man von Regisseur Michael Schorr danach bald nichts mehr? Über lose Enden und Karrieren, die im Sand verlaufen.

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Schultze

Das Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken, nach wie vor die wichtigste Plattform für den deutschsprachigen Filmnachwuchs, war im Januar 2004 das erste, das ich nach der gerade erst erfolgten Gründung von Kino-Zeit und unserem Start am 1. Januar dieses Jahres besuchte. Neben Marcus Mittermeiers Muxmäuschenstill, über den ich im Rahmen unseres Jubiläums bereits ausführlich schrieb, blieb mir ein weiterer Film aus dem damaligen Jahrgang nachhaltig in Erinnerung, den vermutlich heute nur noch die wenigsten kennen.

In einem Road Movie schickt Michael Schorr die Titelfigur Schultze (Horst Krause), einen in den Vorruhestand versetzten Bergmann aus Sachsen-Anhalt, der ein eher freudloses Dasein führt, auf eine musikalische Entdeckungsreise in den Süden der USA: Nachdem der passionierte Akkordeonspieler eines Nachts zufällig im Radio auf Zydeco-Musik stößt, bietet sich ihm die Gelegenheit, den faszinierenden Tönen in Louisiana nachzuspüren. Es wird seine letzte Reise werden. Wie seine Hauptfigur ist auch der Film selbst ein leises, von Melancholie und milder Resignation durchhauchtes Werk, das viel Raum für Stille lässt.

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Schultze gets the Blues erhielt zahlreiche Auszeichnungen auf verschiedenen Festivals, unter anderem gleich drei Preise (für Drehbuch und und Hauptdarsteller sowie als bestes Debüt) beim Stockholm International Film Festivals 2003 und weitere drei Preise (beste Regie, bester Film und bestes Szenenbild) beim Festival in Gijon. Zudem gab es unter vielen wohlwollenden Kritiken auch Lob von allerhöchster Instanz: Roger Ebert selbst adelte den Film mit dreieinhalb von vier Sternen und nahm in in seine persönliches Jahresliste mit besonderer Erwähnung auf.

Schultze gets the Blues war so etwas wie ein Versprechen auf eine bestimmte Form des Erzählens, eine Atmosphäre, ein Interesse an Figuren, wie man sie damals selten im Kino sah. Eingelöst wurde dieses Versprechen nur teilweise: 2006 folgte mit Schröders wunderbare Welt Michael Schorrs zweiter Film – es sollte sein letzter sein. Danach findet sich als letztes filmisches Lebenszeichen des Regisseurs nur noch ein Werbefilm für ein Hospiz aus dem Jahre 2007.

Der Film und die abgebrochene Karriere seines Schöpfers stehen dabei prototypisch für ein Phänomen, dem wir leider viel zu wenig Beachtung schenken: Was geschieht eigentlich mit alle den Filmemacher*innen, die an deutschen Filmhochschulen ausgebildet werden? Viel zu häufig fokussiert sich auch unser journalistischer Blick auf die Erfolgsgeschichten, auf diejenigen, die nach dem ersten oder zweiten Film weitermachen konnten. Dabei ist die Filmgeschichte voll von Namen und Erstlingswerken, die anschließend nicht zu einer großen oder auch nur zu einer auskömmlichen Karriere führten. The winner takes it all…

Vielleicht sind die Gründe aber auch ganz andere, persönliche – ich weiß es in diesem Fall nicht. Ich konnte Michael Schorr nicht ausfindig machen. Falls ihn jemand kennt und weiß, was er heute macht: Richtet ihm bitte Grüße aus! Sein Film hat mir etwas bedeutet und ich habe ihn bis heute nicht vergessen.

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