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Unkitschig und berührend erzählt Claudia Rorarius in „Touched“ von einer Krankenhausromanze, die sich unter dem Druck, „normal“ sein zu müssen in eine wahre Amour fou verwandelt.

Touched (2023)

Eine Filmkritik von Ipke F. Cornils

Was ist schon normal?

Nach Isabelle SteversGrand Jeté“ (2022) und Nicolette Krebitz‘ „A E I O U – Das schnelle  Alphabet der Liebe“ (2022) folgt mit Claudia Rorarius‘ „Touched“ der nächste deutsche  Film, der eine ungewöhnliche Liebesgeschichte erzählt. Ähnlich den genannten, verhandelt er auf vielschichtige Art und Weise, was überhaupt als gewöhnlich gilt in Sachen Liebe, Sex und Zärtlichkeit, um am Ende eine dramatische Wendung zu nehmen.

Von Anfang an steht die Beziehung von Maria (Model und Bodypositivity-Aktivistin Isold Halldórudóttir) und Alex (Stavros Zafeiris) unter keinem guten Stern. Mehr noch: Eigentlich dürfte es diese Beziehung zwischen dem querschnittsgelähmten Musiker und der ihn pflegenden Betreuerin gar nicht geben. Doch die gegenseitige Anziehungskraft der beiden (oder ist es schlicht die Neugier auf den anderen Körper?) ist zu groß, als dass sie sich von einem von Außen auferlegten Verbot bremsen lassen würde.  

Würdevoll und schambefreit (nie schamlos!) zeigt der Film, wie die beiden Liebhaber:innen ihren eigenen Körper und den ihres Gegenübers erkunden. Statt auf schwelgerische Kamerafahrten oder andere künstlerische Kniffe, die häufig genutzt werden, um einen Film besonders körperbetont erscheinen zu lassen, setzt Rorarius dabei lieber auf eine ruhige Kameraführung und perfekt durchdachte Bildkompositionen. So um Neutralität und Anti-Voyeurismus bemüht, ist die Aussage dahinter eindeutig: Was wir hier sehen, ist ganz normal; auch wenn uns die Öffentlichkeit  gerne etwas anderes weiß machen will. Denn es sind zwei von der Norm ausgeschlossene Körper, die sich hier begegnen. Der Rollstuhlfahrer Alex und die blasse Maria mit Körpermaßen fernab der idealisierten 90-60-90 entsprechen beide nicht den häufig propagierten Bodygoals, schlank, braungebrannt und fit zu sein. Doch es gibt diese vermeintlich unperfekten Körper und die Menschen dahinter mit ihren ganz alltäglichen Bedürfnissen. Touched macht sie sichtbar, ohne sie vorzuführen oder zu überhöhen.

„Wenn wir zusammen sind, dann müssen wir gut sein zueinander, sonst ist das ganze Leben nichts wert“, heißt es an einer Stelle in Fassbinders Angst essen Seele auf (1974). Ähnliches möchte man auch Maria und Alex raten. Denn wie bei Emmi und Ali in Fassbinders Melodrama-Klassiker, droht das Außen auch in Touched, die beiden Liebenden zu entzweien. In Form von Alex’ Ex-Freundin bricht es unwiderruflich in die Zweisamkeit der beiden ein und infolgedessen offenbart das sogenannte Normale nun seine volle Grausamkeit. So zerbricht Alex schließlich daran, in mehrerer Hinsicht nicht mehr „seinen Mann stehen“ zu können. In anderen Worten: Er verzweifelt daran, nicht mehr dazuzugehören. Für Maria und ihren Körper hat er zu diesem  Zeitpunkt nur noch Spott übrig. Allein als Instrument seiner (selbst-)zerstörerischen Absichten wird er sie später noch einmal missbrauchen.  

Was schon Fassbinder über die Filme von Douglas Sirk geschrieben hat, die ihn maßgeblich zu Angst essen Seele auf inspirierten, gilt auch für Touched: Er ist ein Film über „Menschen, die nicht alleine, aber auch nicht zusammen leben können.“ Auch wenn Rorarius im Vergleich zu Sirk und Fassbinder bei der Darstellung der Verzweiflung dieser Menschen zurückhaltender vorgeht, kreiert sie dennoch auf ihre eigene Art und Weise sehr berührende Momente. Meistens sind dies Momente, in denen gängige Vorstellung von Geschlechterrollen, Körpern und Sexualität aufgebrochen werden. Zum Beispiel tanzen Maria und Alex miteinander, indem sie ihre Beine aneinander binden. Dann erscheint es plötzlich komplett egal, wer Mann, wer Frau ist, wer gehen kann und wer nicht oder wie viel jemand wiegt. Und auch wenn Rorarius’ Film es nicht schafft, die Intensität dieser Momente auf die ganze Laufzeit zu übertragen und er stellenweise dramaturgisch ein wenig auf der Stelle tappt, zeichnen diese Momente Touched immer wieder aus.

Gesehen beim Filmfestival Mannheim-Heidelberg.

Touched (2023)

Maria arbeitet als Betreuerin in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen. Sie durchläuft eine transformative Reise, als sie auf Alex, einen querschnittsgelähmten Bewohner, trifft. Sie gehen eine verbotene Beziehung ein, angetrieben von ihrer sexuellen Entdeckung und tiefen Verbindung zueinander. Mit der Vertiefung ihrer Bindung stoßen Alex‘ Forderungen und Demütigungen Maria an ihre Grenzen. „Touched“ erforscht die Feinheiten von Liebe, Abhängigkeiten und den Herausforderungen, die entstehen, wenn diese Elemente aufeinandertreffen.

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