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In „Challengers – Rivalen“ wirf Luca Guadagnino das Trio Zendaya, Mike Faist und Josh O’Connor in eine Dreiecksbeziehung – und in ein fröhliches Gewimmel visueller Einfälle.

Challengers - Rivalen (2024)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Love is a tennis court

(Film-)Geschichtsschreibung ist zwangsläufig selektiv. Manches geht ins kollektive Gedächtnis ein, anderes gerät in Vergessenheit. Ist von Beiträgen des Mainstream-Kinos der 1980er Jahre die Rede, die sich dezidiert mit attraktiven jungen Leuten und deren Konflikten befassen, werden vermutlich Titel wie „Flashdance“ (1983), „The Breakfast Club“ (1985) oder „Dirty Dancing“ (1987) genannt. Aber erinnert sich noch jemand an „Ein himmlischer Lümmel“ (1983), der immerhin von „Rocky“-Regisseur John G. Avildsen stammt und den damaligen Shooting-Star Christopher Atkins in der Hauptrolle bietet? Oder an das Mitch-Gaylord-Vehikel „American Anthem“ (1986) über ein Gymnastik-Pärchen? Oder vielleicht an die Dreiecksgeschichte „Speedway Trio“ (1984) mit Jamie Lee Curtis und Patrick Swayze?

Diese Werke sind nicht minder heiß und cheesy, ihre Besetzung ist nicht schlechter, ihr Soundtrack mindestens genauso mitreißend. Dennoch haben sie kaum Spuren in der Popkultur hinterlassen. Challengers – Rivalen, die neue Arbeit des italienischen Filmemachers Luca Guadagnino, lässt an das hochglänzende und inhaltlich luftig-leichte Sexy-Eighties-Cinema denken – jedoch weniger an die modernen Klassiker, die ihren Weg in den Kanon gefunden haben, sondern an die vielen Leinwand-Späße, die ihr Publikum einst bestens zu unterhalten verstanden, um dann wie die schönste Kaugummiblase in giftigem Neon-Pink zu verpuffen.

Das soll keine fiese Spitze sein – vielmehr eine faszinierte Bemerkung. Guadagnino brachte mit I Am Love (2009) seine Liebe zu Luchino Visconti zum Ausdruck; er schuf mit Call Me by Your Name (2017) eine zärtliche queere Romanze, mit Bones and All (2022) das wahrscheinlich einfühlsamste Werk über Kannibalismus und mit A Bigger Splash (2015) und Suspiria (2018) zwei Remakes, die ihren Vorlagen ganz neue Bedeutungsebenen hinzufügen. Dass dieser Regisseur nun einen Film gedreht hat, der sich von jeglicher Tiefe freimacht und offenbar einfach nur hübsch und campy sein will, ist deshalb durchaus verblüffend. Aber hey – why not?

Das Skript von Justin Kuritzkes schildert das komplizierte Liebesdreieck zwischen Tashi (Zendaya), Art (Mike Faist) und Patrick (Josh O’Connor). Dies geschieht auf eine derart verschachtelte Weise („Zwei Wochen zuvor…“, „Ein paar Tage später…“, „13 Jahre zuvor…“ etc.), dass sich zuweilen das Gefühl einstellt, der Autor wolle sich ein bisschen über uns lustig machen. Wer glaubt, dass sich aus dieser Struktur clevere Twists ergeben, liegt jedenfalls komplett daneben – und auch das ist gleichzeitig irritierend und erfrischend.

Einst war Tashi ein 18-jähriges Tennis-Ausnahmetalent – bis sie einen folgenschweren Unfall erlitt und sich in ihrer Karriere aufs Coaching konzentrieren musste. Art und Patrick waren wiederum früher beste Kumpels, seit sie gemeinsam ein Sportinternat besucht hatten. Beide verknallen sich in Tashi, die zunächst eine Beziehung mit Patrick eingeht, dann aber fest mit Art zusammenkommt. Sie unterstützt Art fortan – doch so richtig happy scheint dieser nicht zu sein. Ein Turniersieg in New Rochelle, New York im Sommer 2019 soll seine Karriere wieder pushen. Dort taucht allerdings überraschend Patrick als Gegner auf – und die Rivalität zwischen den Männern geht ins Endgame.

Challengers besteht im Wesentlichen aus drei Figuren. Tashi und Art haben eine Tochter namens Lily (A.J. Lister), die indes gänzlich irrelevant ist. „Ihr redet doch immer über Tennis!“, beklagt sich das Kind. Der Film widmet sich zwei Themen: den Karrieren des Trios und dessen amourösen Verstrickungen. Spannung generiert er daraus jedoch keine. Sie könnten aufhören und „einfach reiche Leute sein“, meint Tashi an einer Stelle zu Art. Eine Fallhöhe gibt es nicht.

Und die Liebe? Die scheint verhandelbar. Der Gewinner eines Matchs erhalte ihre Nummer, verspricht Tashi nach dem Kennenlernen. Wenn Art in der anfänglichen Beziehung von Tashi und Patrick Zweifel zu säen versucht, um die beiden auseinanderzubringen, wirkt das wie taktisches Spielen. Auf „Ich liebe dich!“ wird abgebrüht mit „Ich weiß!“ geantwortet. Wütender Sex im Wirbelsturm zu einem späteren Zeitpunkt der Story mutet ebenfalls eher wie ein Schachzug an. Wenn es ums Gewinnen beim Tennis geht, lodert spürbar mehr Leidenschaft: „Und jetzt vernichte die Bitch!“, rät Tashi ihrem müde gewordenen Gatten.

Guadagnino findet zahlreiche Wege, das trianguläre Begehren bildkompositorisch zu erfassen. Der Blick auf Tashi scheint anfänglich nur als Doppelblick zu existieren: In diversen Two-Shots sehen wir die zwei Jungs, wie sie das Objekt ihrer Begierde betrachten. Umgekehrt richtet sich der weibliche Blick oft auf beide Typen zugleich. Auch Art und Patrick dürfen miteinander rumknutschen. Über Polyamorie, Queerness oder Geschlechterrollen hat das Werk dennoch nichts wirklich Interessantes zu sagen.

Die Tennisduelle kommen mal als Actionsequenzen daher, mal wirken sie wie Softporno-Einlagen. Zeitlupe setzt ein. Rhythmisch-peitschende Musik erklingt. Heftiges Gebrüll bricht sich Bahn. Schweiß tropft auf die Kamera. Point-of-View-Einstellungen aus Spieler- und sogar aus Ballperspektive werden eingestreut. Der Tennisplatz wird plötzlich zur Glasplatte, die von unten gefilmt wird. Auch Dialoge werden mit energiegeladenem Score unterlegt, als gehe es um alles, obwohl es eigentlich um (fast) nichts geht.

Challengers ist eine wilde Ansammlung von Ideen. „Plopp, plopp, plopp!“, zerknallen sie vor unseren Augen und Ohren, gleichermaßen random und echt nice. 131-minütiges Bubblegum-Kino voller Rückblenden und Regieeinfällen: Das ist schon reichlich seltsam – und ziemlich (aber-)witzig.

Challengers - Rivalen (2024)

In „Challengers – Rivalen“, spielt Zendaya die Hauptrolle des ehemaligen Tennis-Wunderkinds Tashi Duncan. Die zielstrebige Powerfrau arbeitet inzwischen erfolgreich als Trainerin und hat ihren Ehemann (Mike Faist) zum Champion aufgebaut. Weil sich dieser jedoch in einem Formtief befindet, bringt Tashi ihn dazu, an einem unterklassigen Turnier teilzunehmen, um zu alter Stärke zurückzufinden. Der Comeback-Plan nimmt allerdings eine überraschende Wendung, als Tashis Mann gegen den gescheiterten Patrick (Josh O’Connor) antreten muss – seinen ehemaligen besten Freund und Tashis früheren Lebensgefährten. Während Vergangenheit und Gegenwart aufeinanderprallen und die Spannungen hochkochen, muss sich Tashi eine entscheidende Frage stellen: Wie weit gehe ich, um zu gewinnen?

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