Teufel im Leib

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Besessene der Leidenschaft

Irgendetwas muss in den 1980er Jahren in der Luft gelegen haben, dass es plötzlich im Kino nur so vor neurotisch- psychotischen, von der Liebe besessenen Frauen und „amours fous“ bis an den Rand der Besinnungslosigkeit nur so wimmelte. Jean-Jacques Beneix machte in Philippe Djians Betty Blue solch eine Frau zum Sexsymbol, während das US-amerikanische Mainstream-Kino in Eine verhängnisvolle Affäre die leidenschaftlich Liebende lieber gleich dämonisierte und am Schluss der gerechten Strafe zuführte. Und dann gab es da noch, beinahe zeitgleich mit Betty Blue, Marco Bellocchios Teufel im Leib, der allein schon deswegen die Gemüter erregte, weil er als Centerpiece seiner auch sexuellen Freigeistigkeit eine recht plakative und keineswegs nur vorgetäuschte Fellatio ausstellte.
Marco Bellocchios Ruf als progressiver Intellektueller des italienischen Kinos hat dieser Film nicht geschadet, was man von der Karriere von Maruschka Detmers nicht gerade behaupten kann. Die galt bis zu Teufel im Leib als eine der großen Nachwuchshoffnungen des europäischen Kinos, danach aber sollte sie am eigenen Leibe erfahren, dass nicht jeder Skandal gut fürs eigene Vorankommen ist. Im Vergleich zu dem furiosen Auftakt plätscherte ihre Karriere nach Teufel im Leib vor sich hin und kam eigentlich nie wieder richtig in Gang. Schade eigentlich, denn an ihr liegt es am wenigsten, dass Bellocchios kalkulierter Publikumsaffront rückblickend wie eine müffelnde Altherrenfantasie erscheint.

Bellocchios Teufel im Leib basiert auf Raymond Radiguets 1923 erschienenem Roman Diable au corps und ist nach der 1947 in Frankreich gedrehten und heiß diskutierten Verfilmung von Claude Autant-Laras bereits die zweite Adaption des Stoffs. Die ursprüngliche Konstellation, die von der Affäre eines Gymnasiasten mit einer verheirateten Frau erzählt, treibt Bellocchio weiter, indem er die politischen Nachwirkungen des Linksterrorismus mit ins Spiel bringt — oder dies zumindest versucht. Giulia, eine Tochter aus gutem Haus, ist dort nämlich mit einem Mann verlobt, der derzeit als Mitglied der Roten Brigaden vor Gericht steht. Dessen Mutter übt gehörigen Druck auf die Schwiegertochter in spe aus, die brav zuhause ausharren soll, bis der reuige und ideologisch wenig gefestigte Bräutigam wieder entlassen wird, doch Giualia hat längst ein Auge auf den braven Abiturienten Andrea geworfen, mit dem sie sich heimlich trifft. Zugleich zeigt sie deutliche
Anzeichen einer beginnenden psychischen Erkrankung, deren Ursachen vage im gesellschaftlichen und politischen Klima jener Zeit verortet werden.

Es sind zweifellos gute und interessante Ansätze in Teufel im Leib vorhanden, die bei geschickterer Inszenierung einiges an Vergnügen und Erkenntnisgewinn hätten bereiten können. Leider versteht es Marco Bellocchio aber nicht, das Potenzial der Geschichte und seiner Darsteller auszuschöpfen. Angestrengt hangelt sich der Film von Szene zu Szene und widmet sich ausführlich dem Körper der häufig nackt agierenden Maruschka Detmers, deren darstellerische Unterforderung noch im Nachhinein das ganze Mitgefühl des Zuschauers herausfordert. Und irgendwie kann man nicht umhin, es zutiefst zu bedauern, dass Teufel im Leib die Karriere von Marushka Detmers auf so verhängnisvolle Weise beschädigte, während der eigentliche Hauptverantwortliche für dieses Desaster sich weiterhin große öffentlicher Wertschätzung erfreute. Vielleicht drückt sich ja darin und in der fast schon manischen Behandlungen der bis zum Wahnsinn liebenden leidenschaftlichen Frauen in den 1980er Jahren ein männliches Unbehagen über die Freiheiten der sexuellen Revolution aus. Zumindest in dieser Perspektive böte Teufel im Leib einiges an Material für eine Untersuchung.

Teufel im Leib

Irgendetwas muss in den 1980er Jahren in der Luft gelegen haben, dass es plötzlich im Kino nur so vor neurotisch- psychotischen, von der Liebe besessenen Frauen und „amours fous“ bis an den Rand der Besinnungslosigkeit nur so wimmelte. Jean-Jacques Beneix machte in Philippe Djians Betty Blue solch eine Frau zum Sexsymbol, während das US-amerikanische Mainstream-Kino in „Eine verhängnisvolle Affäre“ die leidenschaftlich Liebende lieber gleich dämonisierte und am Schluss der gerechten Strafe zuführte.
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