The Lobster (2015)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Erkundungen im Beziehungsfaschismus

Dinge, die der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos sehr fragwürdig findet: die Regeln der Gesellschaft. Filme, die er dem Erfragen und Ergründen eben dieser Regeln widmet: Nun sind es drei an der Zahl — Dogtooth, Alpen und The Lobster. Und wie immer bei Lanthimos erfolgt das Erforschen durch eine Parallelverschiebung der Realität hin in eine alternative Wirklichkeit. Bei The Lobster führt uns diese in eine Gesellschaft, in der der Beziehungsfaschismus regiert.

David (Colin Farrell) wurde gerade von seiner Frau verlassen. Das ist schlecht. Denn als Single hat man nur 45 Tage Zeit sich in eine neue Beziehung zu begeben, sonst wird man in ein Tier seiner Wahl verwandelt. Aber wenigstens weiß David schon was er werden will, sollte es nicht klappen: ein Hummer soll es werden. Eine gute Wahl findet auch die Managerin des Verkupplungshotels, in das David sich einmieten muss. 45 Tage, ein Haufen Singles und diverse Spiele und Menschenjagden sollen die Bindungswilligen zueinander finden lassen. Wer jemanden findet, muss sich noch zwei Wochen im Pärchen-Modus beweisen. Sollte die neue Liebe an Probleme geraten, bekommt das Pärchen ein Kind zugewiesen. Das hilft immer. Doch schon das Einchecken ist für David schwierig. Es gibt nur zwei Optionen: hetero oder homo. David ist ein wenig von beidem, doch die Option bisexuell wurde abgeschafft — zu viele Probleme. Und es wird nicht besser. Seine Zeit läuft ab, sein einziger Beziehungsversuch scheitert brutal. Also doch ein Tier werden? Nein, David entscheidet sich in die Wälder zu fliehen zu den Einsiedlern, die radikal mit der Gesellschaft gebrochen haben und so gleich wieder eine genauso wahnsinnige Gegengesellschaft aufbauen. Hier darf man nicht lieben oder Dinge mit anderen Leuten machen. Aber immerhin darf man endlich masturbieren. Doch dann verknallt sich David in „die kurzsichtige Frau“ (Rachel Weisz) und versaut es sich schon wieder mit den Regeln.

Wie gewohnt kreiert Lanthimos eine surreale Welt, in der die Regeln der Gesellschaft die unausgesprochenen Regeln unseres Sozialverhaltens verzerren aber auch stark vergrößern. The Lobster ist ein Film über den Beziehungswahn unserer Gesellschaft, in der es inzwischen eigenartig geworden ist, wenn man Single ist oder einfach keine Lust auf Zweisamkeit hat. Pärchen, und zwar heterosexuelle, sind das A und O, die Heirat (und wenn möglich Kinder) sind der einzige Endzweck. Und sollte das nicht klappen, geht man lieber in die serielle Monogamie anstatt das System an sich einmal zu überdenken. Vielleicht ist Monogamie ja nicht kompatibel mit den individuellen Bedürfnissen? Oder vielleicht will man nicht heiraten? Vielleicht ist man einfach gern allein oder gar — Gott bewahre — doch nicht so heterosexuell wie man denkt? Aber das sind eben individuelle Fragen und eine organisierte Gesellschaft benötigt Systeme und Funktionen, nicht Individuen. Und so wird David, der eigentlich ein stinknormaler Typ ist, zum Außenseiter, zum Störenfried des gesamten Systems — egal ob es nun die hegemonische Form oder ihren Gegenentwurf im Wald betrifft.

Wie auch in seinen vorherigen Filmen vermag Lanthimos seine surreale Welt perfekt zu inszenieren und sie mit fabelhaft witziger Ernsthaftigkeit radikal bis zum Ende durchzuziehen. Vor allem der erste Akt ist so stark und gut erzählt, dass er den Rest des Filmes, der mit zunehmender Laufzeit ein wenig an Schwung verliert, bis zum Ende mitträgt. Das wird wohl die ewige Schwäche des Regisseurs bleiben: starke Anfänge, mittelmäßige Enden, doch es sei ihm halbwegs verziehen, denn insgesamt spielt er auf einem so hohen Niveau, dass sogar Mittelmäßiges noch weit über dem Durchschnitt ist. Einzig die Anpassungen, die Lanthimos für den internationalen Filmmarkt gemacht hat, sind ein wenig zu bedauern: zum einen ist die fast stetig begleitende Erzählstimme unnötig und ermüdend, andererseits lenken Schauspieler wie Colin Farrell, Rachel Weisz und Léa Seydoux von der Hyperrealität der lanthimosschen Welt ab. Noch dazu sind sie nicht halb so gut, wie seine üblichen Schauspielerinnen Ariane Labed und Angeliki Papoulia, die beide auch hier in Nebenrollen mitwirken und Farrell und Co. locker an die Wand spielen.

Trotzdem: The Lobster ist großes surreales Kino — und zwar trotz aller Makel und Abstriche, die man hier aufgrund des Neulandes machen muss, das Lanthimos mit seinem neuen Film betritt.

(Festivalkritik Beatrice Behn, Cannes 2015)

The Lobster (2015)

Dinge, die der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos sehr fragwürdig findet: die Regeln der Gesellschaft. Filme, die er dem Erfragen und Ergründen eben dieser Regeln widmet: Nun sind es drei an der Zahl — „Dogtooth“, „Alps“ und „The Lobster“. Und wie immer bei Lanthimos erfolgt das Erforschen durch eine Parallelverschiebung der Realität hin in eine alternative Wirklichkeit. Bei „The Lobster“ führt uns diese in eine Gesellschaft, in der der Beziehungsfaschismus regiert.

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Meinungen

Stephan Puma · 23.09.2018

Ich war sehr verärgert nach dem Film. Was hätte man alles Sinnvolles mit dem Geld machen können? Haben die alle - vom Drehbuchautoren über den Produzenten bis hin zu den Schauspielern - gekifft? Das alles macht überhaupt keinen Sinn. Klar blitzt dann und wann mal das Können der Schauspieler auf. Aber in Zeiten von Netflix und Privatfernsehen ist das einfach zu wenig!!! So wird das Kino noch mehr Schauspieler verlieren. Sicherlich hat der Film auch Chancen, einen Preis zu gewinnen: eine Himbeere oder einen Blumentopf. Mehr ist leider nicht drin. Sorry. Meine Empfehlung: nicht hingehen.

Kim · 31.08.2016

Sehr brutaler Film; sehr interessanter Film.
Erinnert mich auf eine Art stark an Greenaways "Der Koch, der Dieb und seine Frau". Sowohl durch die unterlegte, klassische Musik, als auch durch die Dauer-Erzählerin, die man anfangs nicht einer Person zuordnen kann, und natürlich durch die Geschichte, die in der Nicht-Realität verortet ist..
Alle sind "Unfreie" egal, ob sie Loner oder Teil eines Paares sind. JedeR versucht so gut, so schlecht wie er/sie kann sich an bestehende Verhältnisse anzupassen(Erst kommt das Fressen und dan die Moral. Brecht)
Der Film wirkt noch lange nach.
Schön, dass auch hier Frauen als die Hälfte der Menschheit vorkommen. Das kann man von den wenigsten Filmen sagen.

Der gestern LEIDER diesen "Film" sehen mußte · 06.07.2016

Dieser Film ist der sinnloseste Film, der je in der Geschichte der Menschheit gedreht wurde ... gibt man einem Menschen in einer Psychiatrie oder einem Kleinkind oder einem Affen eine Kamera, wird dieser Film immer mindestens 1000mal besser werden, als Dieser absolute Psychoschwachsinn !! Ca. 95 Prozent des Filmbudgets wurden dafür ausgegeben Kritiker und Medien zu bestechen um verlogene positive Bewertungen des Films zu verbreiten. Ich fordere ein internationales Drehverbot bis zum Lebensende dieses psychisch kranken "Regisseurs" - GEHT NIEMALS IN DIESEN FILM _ ABSOLUTE ZEITVERSCHWENDUNG