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Darling der Woche

The Art of Stunt: Filme über Doubles

David Leitch, selbst ehemaliger Stuntman, macht mit „The Fall Guy“ ein Double zur Hauptfigur. Nicht allzu viele Filme haben sich diesem oft undankbaren Metier gewidmet. Wir haben die sehenswertesten herausgesucht.

Meinungen
The Art of Stunt

Zumindest im Hollywoodkino sind Stuntleute oftmals unsichtbar geblieben. So wie in den Filmen, auch in der Öffentlichkeit. Etwas anders sieht es im Hongkong-Actionkino aus, das oft körperlicher und choreografierter ist, weniger zerschnitten. Dort konnte Jackie Chan mit wachsendem Ruhm Stuntman, Schauspieler und Regisseur in Personalunion werden und schließlich sogar ein internationaler Star. Von Hollywood kommend war Hal Needham dagegen lange das einzige nennenswerte Beispiel für einen Stuntman von Namen, weil er später in seiner Karriere auch als Darsteller und Regisseur Erfolg hatte. Und natürlich kann man Buster Keaton mit Recht als Stuntkünstler beschreiben, aber das ist ja noch viel länger her.

Daran könnten nun am ehesten Chad Stahelski und David Leitch etwas ändern. Seit sie mit ihrem gemeinsamen Regiedebüt John Wick einen Hit landeten, tauchen sie an früherer Stelle in Filmcredits auf als noch als Stuntleute. Leitch nutzt diesen Fakt nun, um die Profession in seinem neuen Film ganz in den Mittelpunkt zu rücken: Ryan Gosling spielt in The Fall Guy den in die Jahre gekommenen Stuntman Colt Seavers, der auch schon Protagonist der Serie Ein Colt für alle Fälle war.

Es ist ein wenig verwunderlich, dass es nicht mehr Filme gibt, die aus dem Stuntmetier erzählen: Die körperlichen Risiken, die eingegangen werden, nur damit andere den Ruhm ernten, bieten doch interessante Figurenzeichnungen an. Wir haben in unseren Köpfen gegraben und ein paar Filme gefunden, die als Vorbilder für The Fall Guy gelten können.

Stunts – Das Geschäft mit dem eigenen Leben

Ende der Siebzigerjahre gab es tatsächlich eine kleine Welle von Filmen über das Stuntmetier. Dazu gehören Hal Needhams Um Kopf und Kragen (1978) und Der lange Tod des Stuntman Cameron (1980) von Richard Rush. Losgetreten wurde der kurzlebige Trend aber von Stunts – Das Geschäft mit dem eigenen Leben (1977).

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Genrefilm-Spezialist Mark L. Lester präsentiert darin eine Mischung aus Stunt-Show und Murder-Mystery-Plot. An einem Filmset sabotiert jemand die Sicherheitsvorkehrungen. Ein Double hat das bereits das Leben gekostet. Dessen Bruder (Robert Forster) übernimmt den Job, um herauszufinden, was wirklich vor sich geht.

Durch die Doppelung der Produktionsebene in der Handlung entsteht beim Publikum ein besonderes Bewusstsein dafür, dass die auf der Leinwand gezeigte Action so oder so ähnlich auch am Set stattgefunden hat: Wenn da einer brennt, dann hat da wirklich einer gebrannt. Die Selbstvergewisserung eines angespannten Zuschauers, es handele sich ja um einen Film, es werde also wohl alles gut ausgehen, wird von der Handlung untergraben: Der Sicherungshaken schließt nicht, die Bremsen versagen.

Die psychologische Dimension des Geschäfts mit dem eigenen Körper ist im Film düster gezeichnet: Der Stunt-Männerbund hat eine Abmachung getroffen, den Stecker zu ziehen, sollte einer von ihnen nach einem Unfall in einem vegetativen Zustand sein. Durchaus sensationalistisch, weiß Stunts, was sein Zielpublikum sehen will. Ob The Fall Guy wohl subtiler ist?

Mathis Raabe

Drive

In Nicolas Winding Refns großem Triumph Drive liegt die Sache mit dem Stuntman nicht ganz so offen vor einem wie bei Stunts, den Kollege Raabe vorgestellt hat. Dennoch dürfte die Tatsache, dass Ryan Gosling einen Stuntfahrer spielt, durchaus eine metaphorische Rolle spielen. Der Driver ist nicht einfach bloß eine wortkarge Figur: Er ist vollkommen leer, wie als würde er nur durch ein fremdes Leben laufen. Einzig die Begegnung mit Irene (Carey Mulligan) löst etwas in ihm aus. Ob es sich dabei um Gefühle handelt – es bleibt offen.

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Der Stuntman oder auch die Stuntfrau (die werden gerne vergessen) spielen ihre Rolle im Schatten der großen Namen. Man wird die Action eines Films loben, aber selten die ausführenden Kräfte, die Arbeiter*Innen, die ihre Akrobatik- oder Körperkunst in die Waagschale werfen. Diese unsichtbare Existenz führt auch der Driver, der wie eine Maschine funktioniert und Aufträge ausführt: Er ist eine Funktion hinter dem Steuer.

Der Film scheint – so könnte man es deuten – diesen Kontext mitzuziehen und mit existenziellem Gewicht zu versehen. Man denke nur an die erste Szene des Films, in der der Driver am Fenster steht – einsam und allein. Das muss man sich mal vorstellen: Auf der ganzen Welt wird deine Arbeit bestaunt und doch kennt niemand deinen Namen. Und das, obwohl du den Kopf hinhältst.

Sebastian Seidler

Death Proof — Todsicher

Quentin Tarantinos Death Proof — Todsicher aus dem Grindhouse-Doublefeature mit Robert Rodriguez’ Planet Terror ist nicht nur der bessere Film der beiden, sondern auch einer von Tarantinos unterschätztesten. Sicher, er bietet weder die geschliffenen Dialoge von Inglourious Basterds noch den Kultfaktor von Pulp Fiction oder die zum Schneiden dichte Kammerspiel-Spannung von The Hateful Eight. Aber ihm gelingen zwei Dinge ganz famos: aufgrund seiner Simplizität wahnsinnig viel Spaß zu machen und eine Verbeugung vor dem Stunt-Metier zu sein.

Die Sympathien sind dabei klar verteilt: Nachdem der psychopathische „Stuntman Mike“ (Kurt Russel) im ersten Teil eine Gruppe junger Frauen brutal ermordet hat, sucht er sich seine nächsten Ziele – ein Frauen-Quartett, das in der Filmbranche tätig ist, zwei von ihnen Stuntfrauen. Die können seinem Angriff entkommen und schlagen mit voller Wucht zurück.

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Star dieser zweiten Hälfte ist fraglos Zoë Bell, tatsächlich wirkt Death Proof sogar ein wenig wie ein kleines Denkmal für sie. Bell war bereits seit 1998 als Stuntfrau aktiv, unter anderem das Double von Lucy Lawless’ Xena und schließlich das von Uma Thurman in Kill Bill. Tarantino war von ihrer Arbeit so begeistert, dass er ihr mit Death Proof ihre erste „richtige“ Rolle bescherte, wo sie sich unter anderem bei voller Fahrt auf einer Motorhaube festklammern durfte. Das bescherte Bell in den Folgejahren noch weitere kleine Rollen, auch Tarantino besetzte sie in The Hateful Eight und Once Upon a Time in Hollywood erneut.

Hier darf also mal eine echte Stuntfrau im Rampenlicht stehen – und kein Star, der nur einen Stuntman spielt, bei gefährlichen Stunts aber dennoch gedoubelt wird.

Christian Neffe

Ghost Rider

Neben dem Engagement beim Film kann man als Stunt-Profi auch mit Live-Show-Arbeit, etwa beim Zirkus oder in Freizeitparks, sein Geld verdienen. Motorrad-Stunts sind dabei besonders beliebt – wie der „Globe of Death“, bei dem mehrere Biker gleichzeitig am Inneren einer großen Stahlkugel entlangfahren, oder Sprünge, bei denen die Distanz in auf dem Weg überquerten Autos und Helikoptern gemessen wird.

Letzteres sieht man den Stuntfahrer Johnny Blaze (Nicolas Cage) in der Comicverfilmung Ghost Rider ausführen. Der Schlüssel zu seinem Erfolg ist dabei allerdings nicht Präzision, sondern die unheimliche Fähigkeit, schwere Unfälle unbeschadet zu überstehen. Sein Geheimnis: ein Pakt mit dem Teufel. Um seinen krebskranken Vater zu retten, verkaufte er einst seine Seele. Nun beschützt Mephisto seine Investition. Der Vater starb trotzdem – nicht an Krebs zwar, aber bei einem Unfall. Auch er war Stuntfahrer.

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Ghost Rider ist die Art hanebüchener Abenteuerfilm voller Mythologie und Spezialeffekte, die in den Zweitausendern jeden zweiten Abend auf Pro7 lief und so oft aus dem Hintergrund ins Wohnzimmer geflimmert ist, dass manches Werk über die Zeit einen Charme entwickelt hat. Cage, Sam Elliott und Eva Mendes sowie die Lederjacken, brennenden Reifen und weiteren Heavy-Metal-Versatzstücke holen hier aus dem Drehbuch noch das Beste heraus. Und die Kombination von Faust- und Stunt-Motiv ist schon in der Comicvorlage gut gewählt: Der seelische Preis, den man für das Geschäft mit dem eigenen Leben bezahlt, wird so von einem metaphorischen zu einem wortwörtlichen.

An der Produktion von Ghost Rider arbeiteten dutzende Stunt-Performer*innen mit. Soweit sich aus den Credits erkennen lässt, machte den Großteil der Double-Arbeit am Lenker für die Hauptfigur wohl Eddie Yansick.

Mathis Raabe

Polite Society

Stuntfrauen sind immer noch unterrepräsentiert. Diese akrobatische Kunst der Illusion ist in der Wahrnehmung, im Blick der Allgemeinheit, eine männliche Angelegenheit. Das geht natürlich weit an der Realität vorbei. Und doch gibt es in diesem Beruf, wie in allen anderen Branchen auch, ein großes Genderproblem. Die Regisseurin Elena Avdija hat darüber einen einfühlsamen Dokumentarfilm gedreht: Cascadeuses. Eine TV-Fassung des Films kann man via Arte sehen: 

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Mit Polite Society hat die britische Regisseurin Nida Manzoor nicht nur einen abgedrehten Film über schwesterlichen Zusammenhalt und Empowerment gedreht. Die junge Hauptfigur Ria (Priya Kansara) will Stuntfrau werden. Ihr Vorbild ist die berühmte Stuntfrau Eunice Huthart (u.a. Stuntdouble für Angelina Jolie). Und so wird im elterlichen Garten fleißig am 540-Kick gearbeitet — der aber einfach nicht gelingen will. Immer wieder wird der Film von einem fantastischen Realismus dominiert. Die Auseinandersetzung mit einer Mitschülerin wird im Martial-Arts-Style gelöst. Selbst beim Streit mit der Schwester wird ein Stuntfeuerwerk entfacht – Türen gehen zu Bruch, Körper fliegen durch die Luft. Die Eltern im Wohnzimmer zucken nur mit den Schultern.

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Im Verlauf von Polite Society entwickelt sich ein (Horror)Thriller-Plot, der dieser herrlichen Wundertüte von einem Film die Krone aufsetzt. Zumal das alles im kulturellen Milieu pakistanischer Einwanderer in England spielt. Man kann ernste Themen also auch auf diese Weise auflösen. Vor allem aber ist Manzoor ein unterhaltsames Loblied auf Stuntfrauen gelungen. Female power is a wonderful kick in the sky. 

Sebastian Seidler

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