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Der wiederaufgeführte Dokumentarfilm „Die Blume der Hausfrau“ von Dominik Wessely begleitet eine Gruppe von Staubsaugervertretern im Schwabenland durch den Arbeitsalltag.

Die Blume der Hausfrau (1998)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der Weg in die Wohnung

Dominik Wesselys Langfilm-Regiedebüt „Die Blume der Hausfrau“ feierte im Herbst 1998 seine Premiere bei den Internationalen Hofer Filmtagen; im Mai 1999 startete es regulär in den deutschen Kinos. Zum 25-jährigen Jubiläum kehrt das Werk nun in restaurierter Fassung auf die große Leinwand zurück. Dass es damals zum veritablen Hit avancierte, ist auch heute noch nachvollziehbar.

Zu Beginn lässt sich vermuten, dass es sich hier wohl um einen Spielfilm handeln müsse. Zu absurd wirkt der Eröffnungsmoment, um eine „Geschichte aus dem wirklichen Leben“ zu sein, wie seinerzeit auf dem Plakat zu lesen war. Da stehen fünf junge Männer in Anzügen und in schicken schwarzen Mänteln am Pissoir und lachen über einen ziemlich albernen Witz. Anschließend werfen sie ein paar prüfende Blicke in den Spiegel, um sich für ihre berufliche Mission bereit zu machen.

Doch dieses adrett daherkommende Quintett besteht tatsächlich nicht aus Schauspielern, die einen Sketch präsentieren, sondern aus echten Handelsvertretern, die im Auftrag der Vorwerk SE & Co. KG Staubsauger und entsprechendes Zubehör im Stuttgarter Raum an den Mann beziehungsweise insbesondere an die Hausfrau bringen sollen. Massimo, Salvatore, Angelo, Maurizio und Steffen sind voller Elan und werden in Kursen des Konzerns darin geschult, den Weg in die Wohnungen der potenziellen Kund:innen zu finden und im Verkaufsgespräch die richtige Sprache zu sprechen, um Interesse zu wecken und den Leuten das Gefühl zu vermitteln, dass die feilgebotenen Geräte all ihre Bedürfnisse, von denen sie vielleicht noch gar nichts wussten, vollumfänglich befriedigen würden. Das gepflegte Äußere sei dabei der entscheidende Einstiegsfaktor, erklärt der Seminarleiter: Wer Sauberkeit verkaufen wolle, müsse reinlich aussehen – klar, oder?

Der Musikeinsatz trägt dazu bei, dass die spezielle Komik der Situationen betont wird. Die fünf jungen Männer müssen mit zögernden Reaktionen, oft auch mit harter Zurückweisung umgehen – und sie müssen bei aller guten Laune, die sie zu verströmen versuchen, um ihr Überleben kämpfen. Denn als Staubsaugervertreter werden sie nach Leistung bezahlt: Nur wer etwas verkauft, verdient etwas. In einer damaligen Tagline werden sie als „Kobolde“ bezeichnet. Wenn sie die Kosten der Produkte durch Verniedlichungen (etwa „Märkchen“ statt Mark) verharmlosen und sich jovial geben, wirken sie wie klassische Trickster, die sich clever in die kleinen Haushalte einschleichen, um an Geld zu kommen. Auf einer Firmenfeier wird ausgelassen der Drafi-Deutscher-Hit Marmor, Stein und Eisen bricht geschmettert; der Ernst der Lage ist im Alltag dennoch spürbar.

Wessely, der später unter anderem das Filmporträt Es hätte schlimmer kommen können – Mario Adorf (2019) realisierte, beweist einen genauen Blick, um die Mentalität im schwäbischen Umkreis zu erfassen. Sein Film war vor einem Vierteljahrhundert eine treffende Momentaufnahme – und ist heute ein spannendes Zeitdokument, das zum einen den Wandel vieler Dinge zeigt, zum anderen aber auch erahnen lässt, dass sich gewisse kapitalistische Muster sowie Verhaltens- und Denkweisen kaum geändert haben.

Die Blume der Hausfrau (1998)

Hygiene, das eigene Heim und ein fabelhafter elektrischer Helfer. Als Sendboten des Reinheitsglücks versuchen die Staubsaugervertreter Massimo, Salvatore, Angelo, Maurizio und Steffen Tag für Tag Hausfrauen in und um Stuttgart den Traum von Sauberkeit zu verkaufen – mit wechselhaftem Erfolg. Unversehens wird der Kampf gegen den Dreck zum eigenen Überlebenskampf: Wer nichts verkauft, verdient auch nichts. Und das schadet nicht nur der eigenen Moral, sondern auch dem Teamgeist.

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