Shape of Water - Das Flüstern des Wassers (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Durch und durch emotional

Eine Wohnung irgendwo in den USA in den 1960er Jahren: Sie ist überflutet, das Wasser bewegt die Möbel sanft hin und her. Im Wohnzimmer eine Couch, auf ihr eine Frau, schwebend und schlafend. Es ist Elisa (Sally Hawkins) und The Shape of Water erzählt ihre Geschichte. Eine Geschichte von Liebe und Akzeptanz und Menschlichkeit, die wie weit mehr bedeutet, als nur Mensch sein.

Wie die meisten seiner Werke ist auch Guillermo del Toros The Shape of Water tief verankert in der Filmgeschichte, insbesondere der des Fantasyfilms. Elisa Esposito, die Heldin dieser Geschichte, ist die stumme Prinzessin, eine Arielle, die vergessen hat, dass sie eine ist. Elisa spricht nicht. Als Kind wurde sie im Fluss ausgesetzt und niemand weiß, wer sie ist. Nur Narben am Hals, drei an jeder Seite, bleiben als Erinnerung zurück. Wie viele Figuren von del Toro ist Elisa einsam. Aber sie ist nicht allein. Jede Nacht steht sie auf, lässt sich ein Bad ein, kocht Eier und macht Sandwiches, geht in die Wanne und masturbiert und zieht sich an. Dann besucht sie ihren Nachbarn Giles (Richard Jenkins), einen alten Künstler, der ebenfalls einsam ist und nach der Liebe sucht, die er als homosexueller Mann in den 1950er Jahren aber nicht finden kann. Sie bringt ihm Essen, er teilt mit ihr seine Kunst und die Liebe zu Musicalfilmen. Danach geht Elisa zurArbeit. Sie ist Putzfrau in einem geheimen Komplex der Regierung, wo wild geforscht wird, um einen Vorteil im Rüstungsrennen mit den Russen zu haben. Auch hier ist Elisa nicht allein, denn es gibt Zelda (Octavia Spencer), ihre Freundin und Kollegin. Die kann Elisas Zeichensprache verstehen und sie teilt mit ihr die Außenseiterrolle, denn Zelda ist Afroamerikanerin.

Eines Tages tritt mit großer Wucht Strickland (Michael Shannon) in ihre Leben. In seinem Schlepptau ein geheimes Experiment, das sich bald als ein aquatisches Wesen herausstellt, an dem Experimente vollzogen werden. Strickland ist ein Mann voller Hass und Privilegien. Sein Lieblingsgerät, welches er mit sadistischem Genuss an dem Wesen ausprobiert ist ein Schlagstock, der gleichzeitig elektrische Schocks verteilt. Doch während alle anderen vor Strickland zittern und ihn meiden, ist Elisa unberührt, denn das Wesen in seinem Besitz fasziniert sie zutiefst. Heimlich besucht sie es jede Nacht, bringt ihm Eier, spielt ihm Musik vor und lehrt es die Zeichensprache.

Sie entdeckt in ihm sich selbst: ein Wesen, das einsam und gleichsam einzigartig ist und das nicht sprechen kann, in dem aber ein großes Herz schlägt, das sich nach Liebe und Wärme sehnt. Doch Strickland, ein Mann, der nicht viel übrig hat für Liebe oder Akzeptanz, verschärft alsbald die Lage. Er selbst steht unter Druck durch seine Vorgesetzten — und seitdem das Wesen ihm in Notwehr zwei Finger abgebissen hat, fühlt er sich in seiner Dominanz erschüttert. Ein Problem, das in seinen Augen nur durch noch mehr Gewalt gelöst werden kann.

Es war Hannah Arendt, die einmal sagte, dass diejenigen, welche wirklich Macht haben, keine Gewalt brauchen. Guillermo del Toro widmet dieser weisen Aussage in The Shape of Water ein wunderschönes, wenn auch melancholisches Märchen. Auch wenn sie die Hauptfigur ist, ist dieses Märchen nicht nur die Geschichte Elisas, sondern vielmehr eine fantasievolle Erzählung, in der es um Macht geht. Auf der einen Seite ist dies die Macht der Arrivierten, die von Strickland, einem Mann, gut gebildet, weiß, mit Privilegien, Frau, zwei Kindern und Auto repräsentiert werden. Und auf der anderen Seite die (Ohn)Macht jener, die als Minoritäten, als Verlierer und Außenseiter im gesellschaftlichen Machtkampf gesehen werden: Frauen, Behinderte, Nicht-Weiße, Nicht-Heterosexuelle. Elisa, Zelda und Giles, eine behinderte Frau, eine Afroamerikanerin und ein schwuler Mann, alle ohne Geld, ohne Stand oder Klasse sind es, die letztendlich gegen Strickland aufbegehren — und dies aus einem einzigen Grund: Anständigkeit. Als das gequälte Wesen von ihm getötet werden soll, versuchen sie es zu retten und aus dem Labor zu schmuggeln.

Del Toros Exploration von Macht und Menschlichkeit ist tief verankert in Märchen und Fantasien. Viele davon sind Teil eines international verständlichen Geschichtenkanons von Arielle bis hin zum Zauberer von Oz und den magischen roten Schuhen. Aber ist vor allem Elisa, der Prinzessin, das Fabelwesen aus dem Meer und der dunkle Antagonist, die dem Märchenhaften Figuren geben, die jeder kennt — nur dass sie hier völlig anders interpretiert werden. Denn weder muss die Prinzessin gerettet werden, noch ist der verwunschene Prinz irgendwann ein schöner Jüngling. Und auch der Böse ist auf den ersten Blick ein klassischer männlicher Charakter voller Dunkelheit und Brutalität. Bei genauerer Betrachtung erinnert er jedoch vielmehr an die bösen, verschlagenen Königinnen, die schlangenähnlich um ihre Opfer schleichen und sich immer wieder häuten und in verschiedene Rollen schlüpfen. Del Toros Neuinterpretation ist keine der zur Zeit gern gesehenen Gendertauschfilme, in denen Frauen Männer und andersherum spielen. Vielmehr arbeitet er hier gegen Stereotypen an und vermag es jeder Figur Dreidimensionalität zuteil werden zu lassen, indem er alle ihre Eigenschaften ausstellt, sein es die, die klassisch als „männlich“ wahrgenommen werden aber eben auch in Frauen vertreten sind oder andersherum.

Und gerade das macht für Elisa und Strickland viel aus. Ihr erlaubt es sich trotz Stummheit aus ihrer potentiellen Opferrolle zu befreien und als freie Agentin ihres Willens zu agieren, ohne Hilfe und ohne Schutz und Rettung. Und Strickland wiederum gibt es genügend Eigenschaften und Momente, die die klassische Idee von Männlichkeit erschüttern und ihn damit zu mehr machen, als nur einem eindimensional gewalttätig agierenden Mann. The Shape of Water ist zwar Märchen, doch es es eines für Erwachsene, das weder maturierte und eigenständige Sexualität ausspart, noch die Ambivalenzen des Lebens, den Druck und die Grenzen, denen man aufgrund von Klasse, Ethnizität oder Gender ausgesetzt ist und dessen Konsequenzen ignoriert. Und genau damit schafft er ein profundes, ehrliches und durch und durch emotionales Werk, das abgerundet mit unglaublich elegischen Bildern und einem der besten Soundtracks in der Karriere von Alexandre Desplat einen Film schafft, der wohl einer der Besten im Oeuvre von Guillermo de Toro, wenn nicht der beste überhaupt ist. Und das ohne bei allem Wundern und Lieben die politische Komponenten des menschlichen Zusammenlebens auszulassen. Chapeau!
 

Shape of Water - Das Flüstern des Wassers (2017)

Eine Wohnung irgendwo in den USA in den 1960er Jahren: Sie ist überflutet, das Wasser bewegt die Möbel sanft hin und her. Im Wohnzimmer eine Couch, auf ihr eine Frau, schwebend und schlafend. Es ist Elisa (Sally Hawkins) und The Shape of Water erzählt ihre Geschichte. Eine Geschichte von Liebe und Akzeptanz und Menschlichkeit, die wie weit mehr bedeutet, als nur Mensch sein.

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Meinungen

Kim · 28.03.2018

Film in der "Fabelhafte Welt der Amelie"-Optik. Inhaltlich auch kitischig, aber auch sehr biblisch.
Alle Männer sind entweder Schweine, sadistische Arschlöcher oder Weicheier. Die drei Ausnahmen sind ein alternder Schwuler, ein russischer Wissenschaftler und "Gott".
Und die Frauen wischen die ganze Sauerei auf.
It´s true, but sad..

Frank Rülke · 18.03.2018

Wieder einmal versteh ich die Welt nicht mehr. Oscar und Bester Film? Voller Spannung und Erwartung ins Kino, und dann das. Für mich einfach ein Film der Kategorie no go. Eine Handlung, einfach gestrickt, sprunghaft ohne echte Höhepunkte bzw Überraschungen. Die Zeitlupe- Bilder unter Wasser sind jedoch gut gemacht, beruhigen etwas den Fortgang der Handlung, sie tun einfach dem Zuschauer gut. Warum das nun aber darunter ein Kino sein muss welches mit geflutet wird, ist nur scurril. Am Anfang will man die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich der Film doch noch entwickelt, er einfach sehenswert wird, aber das gibt man spätestens nach 30 min auf. Regelrecht abstoßend kommen die Darstellungen von Gewalt, Folter und Brutalität noch dazu, ist aber wohl Hollywood- Rezept.

Jörg und 3 andere · 28.02.2018

Einer der schlechtesten Film den wir bisher gesehen haben. Strickland wird extrem eindimensional, bis zur Karikatur verzerrt, dargestellt. Es gibt unnötig brutale Darstellung von Verletzung und Folter. (Die Altersfreigabe ab 16 ist hier absolut berechtigt) Die Handlung bietet keinerlei Überraschungen. Der Plot folgt schon oft gesehenen Hollywoodrezepten und Märchenmuster (Aschenputtel, Shrek, Die Schöne und das Biest). Manche Ideen wie das eigene Zimmer über einem Kino zu fluten, um Sex zu haben kann ich bestenfalls als skurril bezeichnen. Ausser den schauspielerischen Leistungen der Darsteller ein nicht empfehlenswerter Film.