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Kontroverse Kinotechnik: Die besten 3D-Filme

Die 3D-Technik fürs Kino kam und ging und kam zurück, verbrannte viel Geld, brachte mitunter aber auch sehenswerte Kinoexperimente hervor. Wim Wenders hat sie für „Anselm – Das Rauschen der Zeit“ noch einmal angewandt.

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Avatar / Anselm / Piranha 3D
Avatar / Anselm / Piranha 3D

Über drei Jahre lang arbeitete Wim Wenders an seiner Künstlerbiografie Anselm – Das Rauschen der ZeitEines der interessantesten Elemente ist dabei die 3D-Technik, die er nutzt, um Architekturen und Raumskulpturen in Szene zu setzen. Die Geschichte dieser Technik ist lang und vor allem inkonsistent: Das erste „Goldene Zeitalter“ des 3D-Kinos war schon in den Fünfzigerjahren. James Cameron belebte es dann quasi im Alleingang wieder, schuf mit der Unterwasser-Doku Die Geister der Titanic den ersten Langfilm für IMAX-Leinwände und dann mit Avatar den großen 3D-Blockbuster des 21. Jahrhunderts. Die IMAX-Kurzfilme, die lediglich auf aus der Leinwand springende Effekte abzielen und etwa Lorenfahrten durch Minenschächte darstellen oder eine Reise zu den Dinosauriern, sind heute aus den Kinos größtenteils verschwunden und finden stattdessen in Freizeitparks statt. An die Idee hinter 3-, 4- und 5-D-Kinos scheint nun Virtual-Reality-Technologie in Teilen anzuschließen und diesen Entwicklungsstrang eher obsolet zu machen. Weniger effekthascherisch, gar künstlerisch wertvoll sind dagegen Filme, die mit einer besonderen Tiefe des ganzen Bildes arbeiten. Ob die Technik aber noch einmal als Zukunft des Erzählkinos gehandelt werden wird, ist zweifelhaft. Wir blicken zurück auf einige Highlights und Kuriositäten dieser schrägen und wechselhaften Technologiegeschichte.

Avatar — Aufbruch nach Pandora (2009) von James Cameron

2009 herrschte Aufbruchsstimmung in der Kinobranche. Etliche Millionen wurden in die große Technikhoffnung investiert: 3D-Projektoren, die die Zukunft einläuten sollten. Und allein ein Film (respektive die Vision des Mannes dahinter) war dafür verantwortlich: James Camerons Avatar. Cameron wollte dieses 3D unbedingt, damit hatte er schon bei Terminator 2 experimentiert, und bewirkte damit zweierlei: Einerseits rückte er das Kino wieder ein klein wenig mehr in Richtung seiner Ursprünge, der aufregenden (Jahrmarkt-)Attraktion, die die Menschen weniger aufgrund des Inhalts, sondern aufgrund der technischen Pionierleistung, des Erlebens etwas noch nie Dagewesenen faszinierte. Andererseits stieß er eine Welle von Nachahmern an, die gedankenlos auf den Zug aufsprangen.

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Und das war es vielleicht, was der neuen 3D-Technik (zusätzlich zum nervigen Brillentragen) letztlich das Genick brach: billige, unnötige und nachträgliche 3D-Konvertierungen, die den Blockbustern vom MCU über Mad Max: Fury Road bis zu den neuen Star-Wars-Teilen keinerlei visuellen Mehrwert bescherten, aber dennoch einen happigen Kostenaufschlag an der Kasse nötig machten. Und das Bild überdies merklich verdunkelten, sodass ich zum Beispiel bei Assassin’s Creed mal so gar nichts sah (was vielleicht auch ganz gut war…). Zumindest in meinem Bekanntenkreis wird schon seit Jahren die 2D-Vorführung einhellig bevorzugt.

Was (fast) all diese Filme nicht verstanden hatten: das 3D schon in ihrer Konzeptionierung und Inszenierung mitzudenken. So gibt es dann bestenfalls noch diese eine 3D-Szene, die es irgendwie rechtfertigt, etwa die völlig aus dem Nichts kommenden Action-Schlittenfahrt in Robert Zemeckis‘ Version der Weihnachtsgeschichte mit Jim Carrey. James Cameron jedoch hatte das verstanden – und das sieht man auch noch, wenn man sich seinen Avatar 14 Jahre später ansieht. Man kann zu Recht viel Kritik äußern an diesem SciFi-Spektakel, nicht jedoch, dass die Bilder nicht von Beginn an ganz bewusst auf Vordergrund-Hintergrund-Kontraste setzen, Tiefe und Höhe schaffen, dass der räumliche Bildeindruck hier von Anfang an mitgedacht wurde und auf maximalen 3D-Effekt zielt. Und deshalb funktionierte Avatar (wie auch sein Nachfolger) auch so hervorragend als Publikumsmagnet und 3D-Film. Wenn auch, so unken manche nicht ungerechtfertigt, nur als das.

Christian Neffe

Piranha 3D von Alexandre Aja

Weshalb gibt es eigentlich nicht mehr 3D-Horror, der sich selbst nicht ernst nimmt? Da passen dann nämlich auch plakative Ich-spring-dir-ins-Gesicht-Effekte plötzlich gut zur Tonalität. Aja war sich dieser historischen Verantwortung vermutlich bewusst, denn er zitiert hier allerlei ikonische Creature-Feature-Motive und fügt ihnen durch 3D besonders effektive Jump-Scares hinzu. Das Piranha-Futter: Tausende besoffene Teenager, die am Lake Victoria in Arizona Spring Break feiern. Bei einem Film, der so schönen Popcorn-Trash liefert, wirkt auch das „in 3D“ wie ein Sticker mit drei Ausrufezeichen, wie der Parental-Advisory-Aufkleber auf einer Rap-CD. Es ist ein Versprechen: Hier steckt gute Laune drin.

Übrigens hat Unterwasser-Afficionado James Cameron natürlich selbst zu diesem feuchtfröhlichen Franchise eine Verbindung: Piranha 2 – Fliegende Killer war 1981 sein Regiedebüt, ist aber im Vergleich zu Joe Dantes Low-Budget-Original oder Ajas selbstironischer Wasserrutschenfahrt reichlich dröge. Den blödeligen Piranha 3DD kann man sich ebenfalls sparen. Der ist aber wohl zumindest der einzige Film, der 3D-Technik mal allein zum Zweck eines infantilen Wortwitzes eingesetzt hat.

Mathis Raabe

Hugo Cabret von Martin Scorsese

Dieser Film ist eine Liebeserklärung an die Kinematografie. Scorsese strebt mit seinem Fantasyabenteuer perfekte Familienunterhaltung an und entlockt der 3D-Technik dabei mit seinem Stilwillen und seiner Lust am Experimentieren die nötige Magie und reichlich Charme.

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Die Handlung ist im Paris des Jahres 1931 angesiedelt. Der 12-jährige Waisenjunge Hugo (Asa Butterfield) lebt in einer Dachgeschosswohnung im Bahnhof Montparnasse und kümmert sich dort um die Wartung der Uhren. Zudem versucht er, eine mechanische Figur zu reparieren, die ihm sein Vater (Jude Law) hinterlassen hat. Doch als der bärbeißige Spielwarenhändler Georges (Ben Kingsley) Hugo bei einem Diebstahl erwischt, nimmt der Mann Hugos Notizbuch mit sämtlichen Plänen des Maschinenmenschen an sich. Der Junge verbündet sich mit Georges’ Patenkind Isabelle (Chloë Grace Moretz) und kommt einem Geheimnis auf die Spur.

Das Ganze entpuppt sich als einfallsreiche Hommage auf den französischen Pionier Georges Méliès (1861-1938), der mit Filmen wie Die Reise zum Mond (1902) das moderne Kino (insbesondere das Science-Fiction-Genre) bis heute prägt. Gewiss hätte auch Méliès großen Spaß am Einsatz von 3D gehabt!

Andreas Köhnemann

Pina - Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren von Wim Wenders

Natürlich darf bei dieser Aufzählung bahnbrechender 3D-Filme auch Wim Wenders‘ erstes Experiment mit der damals neuen Technik nicht fehlen, der gemeinsam mit Werner Herzogs Die Höhle der vergessenen Träume den Weg für stereoskopische Wirklichkeitserkundungen zu ebnen schien.

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Dabei erwies sich gerade Wenders‘ Huldigung an das Tanztheater von Pina Bausch als Glücksgriff: Durch die schwebende Kamera, die sich gemeinsam mit den Tänzer*innen auf der Bühne und durch den Stadtraum Wuppertals bewegte, war das Publikum stets hautnah mit dabei und tanzte förmlich mit durch die verschiedenen Szenarien. Und zumindest manche/r, der oder die bis dahin 3D-Effekte vor allem aus Hollywood-Großproduktionen kannte, dürfte sich bei dem Gedanken ertappt haben, dass das 3D-Kino womöglich genau für diesen Zweck erfunden worden sein dürfte, das adäquat abzubilden, was Kino und Tanz gemeinsam haben — das Festhalten und Vermitteln von sich bewegenden Körpern im Raum.

Dass trotz dieses meisterlichen Werks 3D-Dokumentarfilme die absolute Ausnahme blieben, dürfte vor allem Budgetgründe haben. In Zeiten schwindender finanzieller Zuwendungen für Dokumentarfilme lassen sich die immensen Summen für die notwendige Technik nur noch in Ausnahmefällen rechtfertigen. Und so sind Filme wie Pina und Die Höhle der vergessenen Träume auch eine wehmütig stimmende Reminiszenz an vergangene Tage, in denen eine Zeitlang alles möglich erschien.

Joachim Kurz

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