Mad Max: Fury Road (2015)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Ein unglaubliches kinetisches Kinospektakel

Was ewig währt, wird endlich gut? Knapp 25 Jahre hat es gedauert, bis der vierte Teil der Mad Max-Reihe in die Kinos kam. Und wer sich mit den ersten drei Teilen auskennt, vor allem mit dem dritten Mad Max – Unter der Donnerkuppel, einem Film, der die postapokalyptische Geschichte in eine Disney-Kinderversion mit Tina Turner heruntergebrochen hatte, der konnte nur dankbar sein, dass diese Produktion immer wieder verschoben wurde. Denn so hatte Mad Max: Fury Road wenigstens eine Chance, nicht im Sequel-Wahnsinn zu verrecken, sondern ein wenig nachzureifen. Das Ergebnis kann sich in der Tat sehen lassen.

Max (jetzt Tom Hardy in einer noch verrückteren Mel-Gibson-Variation) ist der Road Warrior, ein Mann, der auf nur noch einen einzigen Instinkt reduziert ist: Überleben in einer postapokalyptischen Wüstenwelt, in der die letzten Überlebenden im ewigen Kampf zueinander stehen. Zerfressen von Krankheiten, töten sie sich für die letzten drei wichtigen Rohstoffe der Erde: Öl, Wasser und Muttermilch. Ja, Muttermilch, denn trotz der Trostlosigkeit ist der Überlebensinstinkt noch immer intakt und dafür müssen Nachfahren her. Diese bekommt der tyrannische Herrscher Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) durch seinen Harem junger Frauen, die als Züchterinnen zwangsrekrutiert wurden, da sie nicht nur sehr schön, sondern auch genetisch tadellos sind.

Dass all dies nichts bringt, wenn der genetisch völlig zerfressene Joe der Vater ist, sei einmal dahin gestellt. Max wird von Joes Armee aus Verrückten, die sich die War Boys nennen, gefangen genommen und ist versehentlich zur falschen Zeit am falschen Ort, denn Joes rechte Hand – die Imperatorin Furiosa (Charlize Theron) hat keine Lust mehr auf den stinkenden Männerhaufen. Sie befreit die Züchterinnen und haut mit einem Tanklastzug voller Benzin ab. Ab hier beginnt eine ewig währende Verfolgungsjagd durch die Wüste, die faktisch den gesamten restlichen Film ausmacht.

Kurz zurück zu den alten Mad Max-Filmen. Auch wenn man diese aus nostalgischen Gründen ganz gern verklärt bzw. nicht mehr so ganz im Kopf hat, so ist jedem Zuschauer, der diese Werke kennt, eines klar: Keiner der Mad Max-Filme zeichnete sich je durch eine tiefe und gut strukturierte Geschichte aus. Vielmehr ging es seit jeher um Schauwerte. Mad Max: Fury Road steht ganz in dieser Tradition. Und besser noch: Das Budget war um einiges größer und die Technik hat sich ebenfalls weiterentwickelt.

Und so lässt sich schon erahnen, dass dieser Film vor allem ein unglaubliches Kinospektakel ist. Ständig ist alles in Bewegung: Menschen, Maschinen, die Kamera – alles bewegt sich, meist sogar ein wenig schneller abgespielt, um die immanente kinetische Energie dieses sich stetig bewegenden Filmuniversums zu verdeutlichen. Es knallt und explodiert an allen Ecken, die zahlreichen umgebauten Automobile, die selbstgebauten Waffen, die wahnsinnigen Protagonisten und Statisten, sie alle brennen voller Energie.

Diese Massenchoreografie vermag Regisseur George Miller stets perfekt zu inszenieren und unter Kontrolle zu halten. Ja, es macht sehr viel Spaß, dem zuzusehen. Ich möchte sogar so weit gehen zu behaupten, dass dieser Film einen ganz neuen Standard in Sachen „wahnsinnige Verfolgungsjagd“ hervorgebracht hat, den nicht einmal Fast & Furious 7 zu halten vermag. Und im Gegensatz zu Michael Bays Filmen wie Transfomers setzt Miller auf kluge Inszenierungen seiner Schauwerte, anstatt die Retina und das Hirn des Zuschauers einfach so zu überfordern, dass man eh nicht mehr begreift, was man sieht. Das ist der Kern dieser hervorragenden Inszenierung.

Doch es lebt sich nicht von Explosionen allein: Protagonisten und eine Geschichte müssen her, denn sonst macht auch die beste Verfolgungsjagd keinerlei Sinn. Und hier bringt Mad Max: Fury Road nun eine überraschende Abwendung von den ersten drei Teilen mit sich. Denn die Hauptfigur ist nicht der wahnsinnige und ewig grunzende und grummelnde Max, sondern Furiosa. Sie ist der aktive Teil dieses Filmes, dessen Katalysator und treibende Kraft. Sie ist der letzte Mensch mit Hoffnung in einer Welt, die sogar Max den Willen zum Leben und nicht nur zum Überleben genommen hat. So dünn die eigentliche Geschichte auch ist, sie ist inhärent eine Geschichte über eine mächtige Frau, die ihren Weg geht. Aber nicht nur das, Miller macht eindeutig klar, dass Frauen die Trägerinnen des Lebens sind. Sie haben die Muttermilch, sie gebären die Kinder, sie kämpfen für eine Zukunft, während die Männer um sie herum nur dafür kämpfen, wer als nächstes ein bisschen Macht über die anderen haben darf. Mad Max ist nicht die Zukunft. Mad Furiosa schon.

(Festivalkritik Cannes 2015 von Beatrice Behn)

Mad Max: Fury Road (2015)

Was ewig währt, wird endlich gut? Knapp 25 Jahre hat es gedauert bis der vierte Teil der „Mad Max“-Reihe jetzt endlich in die Kinos kommt.

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Meinungen

Rahel · 03.06.2015

Der ansonsten schönen Kritik muss ich an einer Stelle widersprechen, weil auch Miller da ein eindeutiges Signal setzt. Miller macht eben nicht eindeutig klar, "dass Frauen die Trägerinnen des Lebens sind. Sie haben die Muttermilch, sie gebären die Kinder, sie kämpfen für eine Zukunft, während die Männer um sie herum nur dafür kämpfen, wer als nächstes ein bisschen Macht über die anderen haben darf." Ganz offensichtlich zeigt der Film im Finale aber, dass Mann und Frau im Blut ebenbürtig und einander bedürftig sind. Auch Mad Furiosa ist da nur eine Episode.