Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Back to the Future

In Star Wars: Episode VII — Das Erwachen der Macht von J.J. Abrams gibt es zwei gegenläufige Bewegungen, die hilflos nach einer Faszination suchen und faszinierend von einer Hilflosigkeit erzählen. Die erste manifestiert sich in einer Selbstreferentialität, die man zwar nicht anders kennt vom Blockbusterkino der vergangenen Jahre, die aber mit Episode VII der Spacesaga einen neuen nostalgischen Gipfel erklimmt. Die zweite ist der ernsthafte und technisch virtuose Versuch von Abrams, zwischen dieser Selbstreferentialität und einer Zukunftsorientierung zu vermitteln. Am Ende arbeitet alles darauf hin, uns von Neuem beziehungsweise zum ersten Mal in ein Erstaunen zu versetzen, offene Münder und strahlende Augen in einem Kino der Hoffnung. Aber gelingt das?
Der Film erzählt nicht von den großen Helden, sondern von deren Menschlichkeit und Vergangenheit. Aus der Konfrontation von Mythos und Hollywood-Realität sollen so neue Helden geboren werden. Das bedeutet, dass an den alten Helden wie Han Solo, Chewbacca, Leia Organa und selbst C-3PO die Narben der Zeit und an den neuen Helden eine Verunsicherung der Jugend nagen. In einem durchaus eleganten Einwurf politischer Korrektheit stehen Rey (Daisy Ridley), eine junge Einzelgängerin vom Wüstenplanet Jakku, und der schwarze Stormtrooper-Deserteur Finn (John Boyega) im Zentrum der Handlung. Die Ereignisse sind einige Jahrzehnte nach The Return of the Jedi angesiedelt und man wird in eine disparate Welt geworfen, die verzweifelt nach einer Ideologie und Sicherheit sucht. Luke Skywalker ist verschwunden und neue Bedrohungen verunsichern die ewige Hoffnung auf Frieden. Der Film stellt Fragen an Zugehörigkeit und Werte und den Verlust von beiden. Das betrifft moralische Grundsätze, familiäre Ideen und in Form der Jedi auch spirituelle Überzeugungen. Auf der einen Seite eröffnet sich dadurch eine neue dunkle Seite, die sogenannte Erste Ordnung, die von Snoke, einem unheimlichen, riesigen Wesen, und militärisch unter anderem von Kylo Ren (Adam Driver) angeführt wird. Der junge Krieger ist im Besitz der Macht. Auf der anderen Seite formiert sich erneut eine Rebellion, angeführt von Leia, die verzweifelt nach ihrem Bruder Luke sucht. In den Reihen dieser Rebellion erwacht vielleicht eine neue Macht in einem neuen Zeitalter der großen politischen und familiären Konflikte, in der das Individuum alles verändern kann.

Außerhalb dieser prinzipiellen Geschichte und Figuren existieren wieder allerhand fantasievolle und unterhaltsame Figuren im typischen Roboter- und Monsterhumanismus der Serie, die sich zum Teil an bestehende Wesen anlehnen, zum Teil völlig neuartig erscheinen. Der Star dabei ist der legitime R2-D2-Nachfolger, der rollende Droide BB-8. Lange Zeit trägt er eine geheime Information bei sich und ist sozusagen „the most-wanted droid“ der Galaxie. Diese skurrilen Gestalten, Bewegungen und Geräusche bereiten einfach eine unheimliche Freude, und es hilft sicherlich, dass Abrams wieder deutlich mehr auf Handarbeit setzt statt den großen Effekthammer schwingt (obwohl es natürlich auch so einige Effekthammer gibt). Das wahre Geheimnis der Lebendigkeit des neuen Star Wars ist jedoch diese ständige Bewegung, dieser Fluss der Aktionen. Die Kamera bewegt sich ständig und lässt im Vordergrund oder Hintergrund für Sekunden merkwürdige Gestalten ins Bild huschen. Relationen zwischen den Figuren werden durch und in dieser Bewegung verändert und Actionsequenzen erhalten eine enorme Dynamik. Zudem setzt Abrams auf einen ständigen Wechsel zwischen objektiven und subjektiven Kameraeinstellungen, die sich vor allem in seinen spannenden Suchschwenks nahtlos zusammenfügen. Alles fließt ineinander und ist durchzogen von einer Bewegung, die Präsenz und Lust am Entdecken dieser Welt schafft.

Diese Bewegungsfreude trifft jedoch auf das beständige Verharren in der Nostalgie. Nicht nur werden zig Objekte und Figuren aus vor allem der ursprünglichen Trilogie in das neue Abenteuer geworfen, sondern auch die Motive und die prinzipielle Geschichte werden mehr oder weniger aus Versatzstücken der bisherigen Serie montiert. Dazu kommen musikalische und dialogische Zitate; der Film geht mit seiner eigenen Vorgeschichte um, wie man mit Shakespeare umgehen würde. Diese Wiederholung der immer gleichen Motive ist natürlich die typische Einfallslosigkeit eines Kinos, das Erwartungen bedienen muss, und man kann dem Film zugutehalten, dass er sehr ehrlich damit umgeht. Abrams wird seinem Ruf als bester Lieferant Hollywoods gerecht. Er umfliegt zielsicher sämtliche Fehler der jüngeren Trilogie und anderer vergleichbarer Reboots. Neues vermag er aber selten zu finden.

Ähnlich wie die Figuren im Film nach einer Linie und einer vergangenen Erhabenheit sowie Hoffnung suchen (personifiziert durch den verschwundenen Luke Skywalker), wendet sich auch der Film an die Vergangenheit, um in die Zukunft zu gehen. Eine Rückbesinnung, eine konservative Rebellion? Nicht immer gelingt Abrams dieser Schritt zurück in die Zukunft. Ganz im Gegenteil, mancher Zauber vergeht deutlicher schneller, als er dies vor ein paar Jahrzehnten tat. Es spricht für den Film, dass er diese verflogene Magie durchaus thematisiert. So wirkt der Umgang mit Laserschwertern deutlich unbeholfener und weniger elegant, die Sturmtruppen folgen nicht mehr blind jedem Befehl und zwischen Gut und Böse gibt es zumindest einen Ansatz von Ambivalenz. Aber welche Bedeutung hat die Macht im Angesicht eines Planeten, der auf Knopfdruck viele andere Planeten zerstören kann? Wir leben heute einfach in einer Welt, in der Hoffnung und Ideologie schwer zu vereinen sind. Abrams weiß das und seine Actionszenen wirken griffiger und brutaler als vieles, was man aus dem Star Wars-Universum kennt. Es ist keine Ästhetik der kompletten Folgenlosigkeit. Gewalt hat hier nicht nur ein moralisches, sondern auch ein körperliches Gewicht, und die anhaltende Bewegung kommt auch der Reflektion dieser Orientierungslosigkeit gleich. Dennoch verliert der Film dadurch ein wenig von seiner anvisierten Überwältigung, die so vielleicht auch einfach nicht mehr möglich ist.

Wohin bewegt sich also dieser Film, in sich selbst oder in die Herzen der Zuseher? Im Fall dieses aufgeladenen Franchises ist das wohl ein und dasselbe und die Macher wissen das sehr genau. Die größten Emotionen des Films können praktisch nur empfunden werden, wenn man diesen kapitalistischen Auswuchs zum Mythos erklärt und dann überrascht wird, dass es sich doch nur um einen Film handelt. Die Magie von Star Wars, die sich in die Erinnerung von Millionen von Menschen geschrieben hat, ist der eigentliche Subplot von Episode VII. So erstarren die jungen Helden oft in Ehrfurcht vor den Legenden. Abrams folgt diesem Zittern und dieser Ehrfurcht und macht die Erinnerung selbst zum Thema. Und genau hier findet der Film seine größten und seine hilflosesten Szenen: im Aufeinandertreffen von Gefühlen, die an die Zeit gebunden sind und durch die Zeit verloren gingen. Das gilt sowohl für die Protagonisten des Films als auch Star Wars selbst und bis zu einem gewissen Grad geht damit eine bestimmte Auffassung von Kino einher. Und natürlich siegt der feuchte Traum des Kapitalismus in einer sich drehenden Kamera und der Vereinigung von Gegenwart und Vergangenheit, die wie in einer wunderbaren Explosion die Sterne des Kinos vor den weitaufgerissenen Augen der Träumenden zu einem neuen Leuchten bringen. Am Ende ist dieser Film nicht wichtig. Sein Subplot wird ihn überdauern.

Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht

In „Star Wars: Episode VII — Das Erwachen der Macht“ von J.J. Abrams gibt es zwei gegenläufige Bewegungen, die hilflos nach einer Faszination suchen und faszinierend von einer Hilflosigkeit erzählen. Die erste manifestiert sich in einer Selbstreferentialität, die man zwar nicht anders kennt vom Blockbusterkino der vergangenen Jahre, die aber mit „Episode VII“ der Spacesaga einen neuen nostalgischen Gipfel erklimmt.
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Meinungen

Werner H. Joest · 04.02.2016

...einen größeren Schwachsinn habe ich in meinem Leben noch nicht gelesen (der Kommentar).
Der Film selbst: Die Nostalgie , nicht nachvollziehbar, im Rahmen von 90% Brutalität, Bomben und Tod.
Und da sitzen dann stolz die Eltern mit Ihren 10-12jährigen.
Ein Horror!

CineNerd3000 · 20.01.2016

Zuerst einmal: Vielen Dank für das lange
und sehr lesenswerte ausführen dieser
Analyse. Doch andererseits, scheinen
irgendwie -ALLE- dabei den nicht sehr
unwesentlichen Fakt(!) zu übersehen,
dass J.J.A. hier hauptsächlich für
genau das engagiert wurde, was
ihn seit "Super 8" überhaupt erst
über alle Grenzen hinaus bekannt
gemacht hat.. & als das man sein
bisheriges Werk wohl auch weitest
gehend verstehen sollte, weniger
als klassischen "Filmemacher" im
Sinne eines Geschichtenerzählers,
oder einem sog. "Autorenfilmer", um
ihn hierüber mit falschen Erwartungen
zu bestrafen..

Nein, in meinen Augen ist er ein eher
sehr gelungenes Beispiel, einer wohl
noch recht "jungen" Generation von
Designern, die sich seit den späten
90ern im Filmbusiness tummeln, wie
zu Anfang erst im Titel-Design, VFX- &
3D-Postproduktion, nun wohl auch im
Rahmen dieser "Franchise-Serie" das
Hauptprodukt, in seiner Konzeption als
"Re-Design", wie übrigens auch Webseiten
und andere Medienbereiche, durchaus ihre
Berechtigung erhalten, wenn man diese
weniger mit den falschen Erwartungen
verknüpft, sondern diese als das geniesst,
als was sie entsprechend entworfen und
realisiert wurden..

Unterhaltungskino(!) und das immerhin
auf höchstem Niveau, mit ebenso
erfrischenden "Zutaten" und vielen
anderen Beispielen einer zu 100%
erfüllten Usability, um bei dem Bild
der so genannten Benutzerfreundlichkeit
bleiben zu wollen..

Also: ein zu 100% erfüllter Kinospass!!!

EB · 04.01.2016

Der Film ist eine echte Schande! Keine neuen Ideen, nur die originalen Episoden neu aufgewärmt. Zudem bricht der Film mit der Timeline der Bücher, die das Star Wars Universum mittlerweile weitergeführt haben, was völlig unnötig ist und viele Fans nur vor den Kopf stößt. So vorzugehen ist einfach nur respektlos! Namen werden vertauscht, usw. Dazu das sinnlose Nachgeäffe von Darth Vader mit einem pubertierenden Milchbubi, das sogar das Ende von Episode 6 einfach ignoriert! Lediglich Technik und Effekte sind einigermaßen annehmbar. Das ist meiner Ansicht nach mit Abstand der schlechteste aller Star Wars Filme

Udo Mörschbach · 29.12.2015

Frage:
Warum ist bei Cast & Crew Daisy Ridley nicht aufgeführt?