Assassin's Creed (2016)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Sprünge ins Nichts

Justin Kurzel will es wissen. Schon in seinem vorigen Film Macbeth stürzte sich der Regisseur auf eine Adaption. Es ist nicht einfach, Shakespeare gekonnt für das Kino zu adaptieren und dabei dem Werk halbwegs treu zu bleiben, ohne in theaterhafte Manierismen zu verfallen. Nun versucht Kurzel es abermals und vielleicht noch eine Stufe schwieriger, denn bisher gab es noch keine wirklich rundum gelungene Adaption eines Computerspiels für die Leinwand. Und auch Kurzel scheitert mit Assassin’s Creed an dieser Aufgabe. Aber es ist ein schönes Scheitern.

Grundsätzlich ist die Geschichte der Assassinen, die den Spielen zugrunde liegt, für eine Verfilmung hervorragend geeignet. Callum Lynch (Michael Fassbender) erlebt als kleiner Junge den Mord seiner Mutter durch seinen Vater und wird Jahre später selbst als Mörder hingerichtet. Doch er erwacht in einem Labor. Die Ärztin Sophia (Marion Cotillard) erklärt ihm, dass man ihn brauche, um die Menschheit endlich vom Übel der Gewalttätigkeit zu befreien, denn er, der Mörder Cal, ist Nachfahre des Aguilar vom Orden der Assassinen, der im Spanien des 15. Jahrhunderts gegen den Templerorden gekämpft hat. Und Aguilar ist der letzte, der den „Apfel von Eden“ in seinem Besitz hatte. Dieses mythologische Relikt soll in sich die Macht tragen, den freien Willen des Menschen zu kontrollieren, und damit, so Sophia, könnte auch die Gewaltbereitschaft im Menschen beendet werden. Um zu erfahren, wo dieser Apfel ist, bedienen sich Sophia und die geheime Organisation, für die sie arbeitet, einer Technologie namens Animus, die Callums genetische Erinnerungen freischaltet. Mithilfe der Maschine erlebt dieser also das Leben Aguilars noch einmal mit und kann den Apfel finden. Dabei eignet sich Cal allerdings auch viel mehr Wissen und ein paar Kampffähigkeiten seines Vorfahren an.

Schon bei Macbeth hat Kurzel in Sachen Ästhetik alles herausgeholt, nun will er auch diese Geschichte für visuell herausragendes Erzählen nutzen. Er zelebriert ein Fest für die Augen, das von der kalt-stählernen Gegenwart ins dreckig-staubige Spanien im Jahr 1492 wechselt und dabei aus beiden Welten das Beste macht. Das Gespür für Details ist offensichtlich, ebenfalls der Wunsch, durch Ausstattung und Farbgestaltung den Geschichten bei der Untermauerung ihrer Atmosphäre und Ausgestaltung ihrer Gefühlswelten zu helfen. Dabei lehnt sich der Film stark an die Gestaltung des Spieles an, verliert sich darin aber nicht, sondern vermag diese zu präzisieren und filmisch werden zu lassen. Doch so schön Assassin’s Creed anzusehen ist, wie gerne man immer wieder eingeladen wird, diese Welten und ihre Tiefen durch Sprünge der Hauptfigur von Häusern, Brücken etc. zu erkunden, es genügt nicht, um wirklich einen Mehrwert aus dem 3D, in dem der Film angeboten wird, zu ziehen.

Und während den Augen hier viel geboten wird, bleibt das Hirn unterfordert. Obwohl die grundlegende Idee von Assassin’s Creed unbedingt mehr Introspektion und Erörterung verdient. Immerhin wird hier eine sehr eigenartige, wenn nicht sogar gefährliche und im Ansatz an so manche Nazi-Ideologie erinnernde These postuliert: der Mensch ist abhängig von seinem genetischen Material, in dem sich nicht nur die Vergangenheit seiner Vorfahren eingeschrieben hat, sondern auch bestimmte, unabdingbare Verhaltensstränge. Kurzum, es wird behauptet, dass der freie Wille und damit der persönliche Lebensweg viel mehr vom Gencode abhängt als gedacht. Cal ist dafür das Beispiel. Dr. Sophia geht davon aus und sagt ihm gar ins Gesicht, dass er dank seiner Gene und Vorfahren gar nicht anders kann, als ein gewalttätiger Mörder zu sein. Und sie wolle ihn und all die anderen „heilen“, indem sie mithilfe eines magischen Relikts den freien Willen der Menschheit kontrolliert. Es ist interessant, wie sehr sich diese Sichtweise doch mit faschistisch-esoterischen Ideen deck. Diese Ideologie sollte der Film dringend überdenken, doch dazu kommt es nicht, weil einfach keine Zeit ist. Egal für was. Ob ideologische Hintergründe, Figurenentwicklungen, die verschiedenen Historien, die hier aufgemacht und angespielt werden, nichts davon hat irgendeine Tiefe, nichts wird so recht verankert, hinterfragt oder in Verbindung gebracht. Genau hier ist die Stelle, an der Kurzel dem Spielprinzip nicht genügend entgegnet und verhaftet bleibt im Schneller-Tiefer-Weiter-Prinzip der Spielereihe, in der keine Zeit ist, da es immer wieder Quests zu lösen und Aufgaben abzurbeiten gilt. Dies tut dann auch Cal, speziell im dritten Akt folgt eine Aufgabe auf die andere. Ganz atemlos rennt der Film nach seiner überlangen Exposition durch seine To-Do-Liste und vergibt hier dutzende Chancen, die Erzählung zu vertiefen.

Um dem Ganzen dann doch wenigstens gefühlte Tiefe zu verleihen, verfällt das Werk alsbald in Pathos. Die Musik wummert schwülstig vor sich hin, die Kamera erliegt ihren erst elegischen, doch alsbald eher pathetischen großen Bewegungen und auch die Schauspielergesten werden immer expressiver – mit der Hoffnung, hier aus Pathos Tiefgang zu machen. Das Gegenteil ist der Fall. Der unterforderte Zuschauer bemerkt diese Manipulation schnell und das System des Filmes kippt alsbald ins Lächerliche. Aus der gut gemeinten, aber übertriebenen Geste des Filmes wird, ganz im Sinne John Waters, ein Film, der so schlecht ist, dass er schon wieder gut ist. Ja, Assassin’s Creed ist ein wahrhaft perfekt campiger Film, denn die Ernsthaftigkeit, mit der er versucht, grandios zu sein, lässt ihn nur umso massiver scheitern.


Doch es ist ein gutes Scheitern, eines, bei dem niemand sein Gesicht verliert. Im Gegenteil, man sollte seinen Hut vor allen Beteiligten ziehen, die hier so sehr versuchen, dass es endlich gelingt, ein Spiel perfekt und gar episch zu adaptieren. Und auch wenn der Film letztendlich dabei völlig versagt: Es macht unglaublich Spaß und ist wahrlich unterhaltsam, ihm dabei zuzusehen.
 

Assassin's Creed (2016)

Justin Kurzel will es wissen. Schon in seinem vorigen Film „Macbeth“ stürzte sich der Regisseur auf eine Adaption. Es ist nicht einfach, Shakespeare gekonnt für das Kino zu adaptieren und dabei dem Werk halbwegs treu zu bleiben, ohne in theaterhafte Manierismen zu verfallen.

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