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Berlinale 2024

Berlinale-Vorschau: Auf diese Filme freuen wir uns besonders

In der Redaktion herrscht Ruhe vor dem Sturm. Am 15. Februar beginnen die 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Wir werden euch fleißig mit Kritiken versorgen. Auf diese Filme freuen wir uns jetzt schon besonders.

Meinungen
L'Empire / Love Lies Bleeding / Cuckoo
L'Empire / Love Lies Bleeding / Cuckoo

Des Teufels Bad von Veronika Franz und Severin Fiala

Sektion: Wettbewerb

Das Horror-Duo Franz und Fiala kehrt zurück nach Österreich. Nachdem ihr großartiges Debüt Ich seh, ich seh in seiner untertitelten Version ähnlich viel Geld eingespielt hatte wie zuhause, was unter anderem daran lag, dass der Trailer auf YouTube viral ging und von US-Medien zum „gruseligsten Trailer aller Zeiten“ gekürt wurde, hatten sie den Zweitling The Lodge auf Englisch gedreht. Beide Filme beschäftigen sich mit Familie und Verlust und zeigen alles andere als unschuldig agierende Kinder.

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Ähnliche Motive verspricht auch die Inhaltsangabe zu Des Teufels Bad. Der Film soll von der wahren Geschichte einer Kindsmörderin des 18. Jahrhunderts inspiriert sein und daraus ein Hexenmotiv spinnen. Anja Plaschg spielt die Hauptrolle einer jungen Frau, die in eine abgelegene oberösterreichische Dorfgemeinschaft eingeheiratet wird. Der abgeschlagene Kopf der hingerichteten Kindsmörderin ist dort als makabres Mahnmal ausgestellt. Plaschg soll auch für den Soundtrack verantwortlich zeichnen. Passenderweise heißt der bekannteste Song ihres musikalischen Alias Soap&Skin „Me and the Devil“. Man kann sich das Zusammenfunktionieren dieser Elemente vortrefflich vorstellen.

Mathis Raabe

L’Empire von Bruno Dumont

Sektion: Wettbewerb

Unser Lieblings(nord)franzose ist wieder da. Bruno Dumonts Filme (Hors Satan, Die feine Gesellschaft, Camille Claudel 1915, France) sind sofort und auf den ersten Blick erkennbar: die Dünenlandschaften seiner Heimat, der Normandie, dazu Menschen, die überwiegend nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen und die wie Versuchskaninchen eines irren Demiurgen durch absurde Plotkonstruktionen stolpern – Dumonts Filme sind wild, schräg und immer ziemlich überraschend. Und genau das lässt sich allem Anschein nach auch von seinem neuen Werk L’Empire erhoffen – zumindest verspricht das der erste Trailer.

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Dieses Mal lässt der Filmemacher nach mehreren Ausflügen in historische Gefilde die Zukunft in einem seiner typischen Dörfer Einzug halten. Hinter den Fassaden eines verschlafenen Kaffs an der Küste, in dem auch seine Serie KindKind angesiedelt war, lauert das Böse in Gestalt einer unreinen Bestie, deren Auftauchen das fragile Gleichgewicht ins Wanken bringt. Das kann ja heiter werden. 

Joachim Kurz

I Saw The TV Glow von Jane Schoenbrun

Sektion: Panorama

Als Teenager*in einer bestimmten Generation hat man viel Zeit in merkwürdigen Online-Räumen verbracht. Mit fremden Menschen bei Chatroulette zum Beispiel, oder mit sogenannter Creepypasta – Horrorgeschichten, die bei Reddit und in Foren verbreitet wurden, mit möglichst großer Ernsthaftigkeit, damit man sich gruseln kann. Mit dieser Welt, und den jungen Menschen, die sich von ihr faszinieren lassen, beschäftigt sich Jane Schoenbrun. Der Debütfilm A Self-Induced Hallucination ist eine Found-Footage-Dokumentation über die Figur Slender Man, die als Creepypasta begann und dann zum Star eines populären Indie-Videospiels avancierte. Das zweite Werk We’re All Going To The World’s Fair, ein kleines Festivaljuwel, zeigt eine Figur im Teenageralter, die sich zunehmend in einem Online-Horrorspiel verliert, womöglich auch deshalb, weil sie mit Einsamkeit, Depressionen und Genderdysphorie zu kämpfen hat.

© A24

All das bleibt aber ambivalent. Schoenbrun nutzt Mittel des Found-Footage-, des Flicker-, des Lo-Fi-Kinos, um Phänomene zu betrachten, die in ihrem Ursprung von Incel- und Fascho-Brutstätten wie 4Chan oft nur zwei Klicks entfernt liegen. Schoenbrun betrachtet diese Phänomene aber aus einer trans und non-binären Perspektive, denn auch und gerade queere Jugendliche flüchten auf Grund von Dissonanzen mit ihrer echten Umgebung in eben solche Räume. Diese Widersprüche, und die sehr eigenständige Filmsprache, machen Schoenbruns Arbeit höchst faszinierend.

I Saw The TV Glow verspricht nun, Schoenbruns bislang erfolgreichster Film zu werden. Bei der Premiere auf dem Sundance wurde er euphorisch aufgenommen, und unter Cast und Crew findet sich ein Who is Who eigenbrötlerischer Pop- und Internetkultur: Phoebe Bridgers soll ebenso in einer Nebenrolle zu sehen sein wie der Comedian Connor O’Malley, der noch zur Hochzeit der Plattform Vine durch manische Online-Videos bekannt wurde. Für den Soundtrack zeichnet erneut Alex G verantwortlich, dessen schräge Indie-Pop-Basteleien zum Flackern der Bildschirme vortrefflich passen dürften. Diesmal ist es das Flackern einer merkwürdigen Late-Night-Show, das der Realität der zuschauenden Teenager*innen Risse zusetzt.

Mathis Raabe

Cuckoo von Tilman Singer

Sektion: Berlinale Special

Luz ist bis heute in mehrfacher Hinsicht eine Sensation: Ein ästhetisch gewagter, stilbewusster deutscher Horrorfilm, der gleichzeitig Debüt und Abschlussfilm des Regisseurs und eines Großteils seines Teams an der Filmhochschule war. Sicherlich – für ein Mainstreampublikum war dieser Dämonenfilm über Liebe zu sperrig, eben nicht auf den Schockmoment ausgelegt. Doch in jeder Szene war das Talent dieses Filmemachers und seiner Leute zu sehen.

© Fiction Park

Nun endlich kommt der Nachfolger, der wie zuvor bereits Luz auf der Berlinale Premiere feiern wird: Cuckoo. Gedreht in Deutschland, mit internationaler Besetzung (Hunter Schafer, Dan StevensJessica Henwick) und Geld aus den USA. Es besteht also Hoffnung für den deutschen Genrefilm. Cuckoo handelt von einer Frau, die mit ihrem Vater und der Stiefmutter die Alpen bereist. Doch in dem Ferienort scheint es nicht mit rechten Dingen zuzugehen: Seltsame Geräusche reißen nicht ab und die beängstigenden Visionen einer Frau setzen Gretchen zu. Schließlich stößt sie auf ein unheimliches Geheimnis.

Wenn es Singer gelingt, seinen Stil in eine größere Produktion zu retten, dann könnte das eines der großen Horror-Highlights des Jahres werden.

Sebastian Seidler

Love Lies Bleeding von Rose Glass

Sektion: Berlinale Special

Love Lies Bleeding wird ganz gewiss der beste Film des Jahres. Huch, habe ich das jetzt überverkauft? Ich denke nicht. Bereits der Titel ist pure Poesie. Zack, Herzbruch! Außerdem spielt Kristen Stewart eine der Hauptrollen. Mag sein, dass ich das schon mal erwähnt habe: Stewart ist gut in schlechten Filmen (die hier unerwähnt bleiben sollen) – und stets absolut großartig in allen anderen. Letzteres wird – da bin ich mir nach Ansicht des rauschhaften Trailers völlig sicher – auch in Love Lies Bleeding der Fall sein.

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Action, Crime, Romance – das scheint uns dieser Genre-Mix aus dem Hause A24 zu bieten. And I’m here for it. Die Regisseurin Rose Glass hat zuvor den beeindruckenden Psycho-Horror Saint Maud (2019) gedreht. Ich bin gespannt auf Katy M. O’Brian, die als Bodybuilderin an Stewarts Seite agiert. Ed Harris und Jena Malone sind auch noch mit dabei. Bisher war dieses Jahr eine müde 2/10. Aber nun kommt Love Lies Bleeding.

Andreas Köhnemann

The Roundup: Punishment von Heo Myeong-haeng

Sektion: Berlinale Special

Ich bin ein einfacher Mensch: Wenn Don Lee bösen Buben die Fresse poliert, dann ist das mehr als ausreichend, um mich bestens zu unterhalten. Genau das hat er in schon in The Outlaws (2017) sowie den Fortsetzungen The Roundup (2018) und The Roundup: No Way Out (2023) in Perfektion und mit aller Wucht getan. Nun schlüpft er ein viertes Mal in die Rolle des „Monster Cops“, eine Art koreanischem Bud Spencer, allerdings mit noch grimmigerer Laune.

In The Roundup: Punishment geht es diesmal einem Online-Drogenhandel an den Kragen, und das ist ehrlich gesagt herzlich egal, denn was zählt, ist, dass der Hauptdarsteller sich wieder durch die Stadt berserkern kann und überall, wo er zuschlägt, kein Gras mehr wachsen lässt. Wie gesagt, ich bin ein einfacher Mensch.

Christian Neffe

The Box Man von Gakuryū Ishii

Sektion: Berlinale Special

Noch unter dem Namen Sogo Ishii und kaum aus der Filmuni, schuf der japanische Regisseur Anfang der Achtzigerjahre wunderbar anarchische Punkrock-Filme, die in Mad-Max-artigen Welten spielen und unter anderem den Cyberpunk von Shinya Tsukamoto und sein legendäres Werk Tetsuo: The Iron Man beeinflussten. In den letzten Jahren war Ishii dann meist milder, arthousiger unterwegs, aber noch immer mit wenig Interesse an konventionellem Erzählen und dafür mit mehr Interesse seitens der Festivals: Für den allegorischen Fantasyfilm August im Wasser wurde er in San Sebastian 1998 zum „besten Nachwuchsregisseur“ gekürt – 20 Jahre nach seinem Debütfilm.

"The Box Man"
© Berlinale

The Box Man ist nun nicht nur sein erster Film seit sechs Jahren, sondern verspricht auch eine Rückkehr zu absurden Motiven: Die Romanadaption erzählt von „Schachtelmännern“, die in Pappgewand durch Tokio streifen und die Stadt nur durch ein kleines Guckloch wahrnehmen. Das lässt wieder an das japanische Punk-Kino der frühen Achtziger denken, etwa Tokyo Cabbageman K von Akira Ogata, der 2016 im Rahmen eines Schwerpunkts der Sektion Forum bei der Berlinale zu sehen war. Möge das Festival sich sein Interesse an solchen abseitigen Filmszenen immer erhalten.

Mathis Raabe

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