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Wien im Film

„Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“ zeigt Wien aus der Perspektive eines Straßenmusikers. Mit ihrem glanzvollen historischen Zentrum ist die Stadt aber auch schon ganz anders in Filmen aufgetreten. Wir präsentieren eine vielseitige Auswahl unserer liebsten Wien-Filme.

Meinungen
Before Sunrise / Rickerl / Mission Impossible: Rogue Nation
Before Sunrise / Rickerl / Mission Impossible: Rogue Nation

Hier urige Beisln, dort UNSECO-Bauten und Straßen, von denen man essen könnte – Wien ist eine Stadt von eklektischer Ästhetik. Dementsprechend ist sie im Kino auch schon ganz unterschiedlich in Szene gesetzt worden. Mal von Filmemachern, die sich dort gut auskannten, dann wieder von solchen, die die ikonische Stadt neu entdecken wollten.

Before Sunrise von Richard Linklater

Wien. Das ist eine tiefe Stadt, mit einer unglaublich reichhaltigen Geschichte, deren prachtvolle Gebäude auch von der Vergänglichkeit der eigenen Bedeutsamkeit erzählen. Ein kaiserlicher Geist weht durch die Straßen, überlebt sich in einem nostalgischen Moment von bierseeliger Nostalgie. Von dieser zigarettenverqualmten Atmosphäre der Beisln (Trinkgaststätten), der Kaffeehäuser und glücklich-beseelten Traurigkeit zeugt der stille Prater in der Nacht, wenn das rege Treiben einem betrunkenen Wanken weicht.

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Wäre der so einfache und gleichsam verspielte Before Sunrise nicht vor 1000 Jahren erschienen (1995!), diese Momentliebe zwischen Ethan Hawke und Julie Delpy wäre ein wundervolles Video für einen Song aus dem Dunstkreis des Austro Pop. Ist das nicht eine unmögliche Liebe, von einer gegenwärtigen Vergänglichkeit, die erst vor dieser Kulisse aus ewigem Stein und Zeit ihre Möglichkeit erhält. Oh, lieber Voodoo Jürgens, schreib ein Lied dazu, darüber oder von mir aus dagegen.

Zu Wien gehören natürlich auch der Schmäh und diese garstige Freundlichkeit seiner Bewohner: Könnten wir zur Abwechslung nicht auch Deutsch sprechen, fragt der Österreicher den Amerikaner, als dieser um Auskunft bittet. Aber er meint es nicht böse – es sei nur ein Witz. Was machen diesen beiden Gestalten dort eigentlich? Sie starren gemeinsam in den Fluss hinab, wie zwei morbide, dem Leben müde gewordene. Ein bisschen ist auch diese Romanze lebensmüde. Und das macht sie so großartig.

Before Sunrise gibt es bei den gängigen VoD-Anbietern zur Leihe.

Sebastian Seidler

Mission: Impossible – Rogue Nation von Christopher McQuarrie

Dass um die Welt gereist wird, oft in der Dauer eines Schnitts ganze Ozeane überquert werden, ist eine spaßige Trope des Agentenfilms, die ermöglicht, dass in bekannten Großstädten, die Teilen des Publikums persönlich bekannt sein dürften, über Sehenswürdigkeiten geklettert und von alten Gebäuden gesprungen werden kann – sofern die Drehgenehmigungen zu kriegen sind.

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Als Tom Cruise und Christopher McQuarrie anfragten, hatte die Stadt Wien offensichtlich keine Bedenken, Action im 150 Jahre alten Opernhaus zu genehmigen. Das erwies sich als richtige Entscheidung: Die Szene, in der Cruise, Rebecca Ferguson und ein Attentäter auf den Lichttrassen hoch unterm Dach balancieren, Scharfschützengewehre abfeuern (eines davon als Flöte getarnt) und schwindelerregende Kämpfe kämpfen, präsentiert den spannendsten filmischen Einsatz von klassischer Musik und einer berühmten Konzerthalle in jüngerer Erinnerung. Und das ist immerhin ein bedeutendes Motiv in der Genregeschichte – man denke nur an die Szene in der Royal Albert Hall in Hitchcocks Der Mann, der zuviel wusste.

Mission: Impossible – Rogue Nation gibt es bei Paramount+ im Abo sowie bei gängigen VoD-Anbietern zur Leihe.

Mathis Raabe

Aufzeichnungen aus der Unterwelt von Tizza Covi und Rainer Frimmel

Wenn man im Zusammenhang mit Wien das Wort „Unterwelt“ hört, denkt jede/r natürlich sofort an Carol Reeds Wien-Klassiker Der dritte Mann, doch in diesem Film geht es nicht um die Kanalisation unter der Stadt, sondern um etwas ganz Anderes. Im Zentrum des Films stehen der Wienerlied-Sänger (und damit ein musikalischer Vorfahr von Rickerl) Kurt Girk und sein Freund Alois Schmutzer, dem ein gefährlicher Ruf als „König der Unterwelt“ vorauseilt.

Wie bereits vielfach erprobt, so lassen die beiden Filmemacher*innen, die oft an der Grenze von Dokumentarischem und Fiktionalem unterwegs sind, ihre charmanten Protagonisten ins Erzählen kommen, fast nie hört man eine Frage aus dem Off, vielmehr bereiten sie den beiden älteren Herren gekonnt eine Bühne für deren Erinnerungen an das Aufwachsen im Nationalsozialismus, an die harten Jahre in der Wiener Unterwelt der 1960er Jahre, an Messerstechereien, Knastaufenthalte und an das Gefühl des Zusammenhaltes, das in ihren Schwelgereien stets mitschwingt, das „wir gegen die“.

Aufzeichnungen aus der Unterwelt (2020) von Tizza Covi und Rainer Frimmel

Aufzeichnungen aus der Unterwelt zeigt – und darin gleicht der Film durchaus Adrian Goigingers Beisl-Ballade – nicht die herausgeputzten Fassaden des 1. Bezirks, sondern das Wien der „kleinen Leute“, der Menschen, die sich stets durchgeschlagen haben (und das auch manchmal wörtlich nahmen), der Gesichter, in denen sich Leben ebenso widerspiegelt wie im leicht angestoßenen Mobiliar der Vorstadtkaschemmen.

Aufzeichnungen aus der Unterwelt gibt es bei Canal+ sowie bei VoD-Anbietern zur Leihe.

Joachim Kurz

Sodom und Gomorrha – Die Legende von Sünde und Strafe von Michael Curtiz

Moment mal, Michael Curtiz? Ist das nicht der Regisseur von Casablanca? Ja, genau der zeichnet verantwortlich für das epische Stummfilmdrama Sodom und Gomorrha, das bis zum heutigen Tagen als teuerster österreichischer Film aller Zeiten (gemessen an der Kaufkraft) gilt. Der Regisseur, am 24. Dezember 1886 in Budapest als Manó Kaminer auf die Welt gekommen (1905 wandelte er seinen Namen in Mihály Kertész um, 1926 bei seiner Übersiedelung in die USA erfolgte schließlich die Anglisierung seines Namens), begann seine Karriere im Filmgeschäft bereits im Jahre 1912 als Schauspieler, Autor und Regisseur und floh 1918/19 mit dem Beginn der kurzlebigen Regentschaft Béla Kuns nach Wien, wo er als Regisseur für die Produktionsgesellschaft Sascha Film einige Monumentalfilme inszenierte.

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Nominell spielt Sodom und Gomorrha zwar in der antiken Stadt Lot, doch die Außenaufnahmen mit bis zu 3000 Komparsen fanden am Wiener Laaerberg, im Lainzer Tiergarten, in Laxenburg, in Schönbrunn und auf dem steirischen Erzberg statt, und wer will, vermag in dem angeblichen Ort Lot durchaus eine Metapher auf das damalige Wien sehen – die Ähnlichkeiten sind jedenfalls vorhanden. Unter den Mitwirkenden in Sodom und Gomorrha befanden sich neben Schauspielgrößen der damaligen Zeit wie Lucy Doraine (der Ehefrau von Michael Curtiz), Walter Slezak und Willi Forst auch der Filmtheoretiker Béla Balàzs – eine interessante Besetzung.

Dem ausgerufenen Ziel, die Monumentalfilme italienischer, amerikanischer und deutscher Produktion in den Schatten zu stellen, wurde Curtiz übrigens vollauf gerecht: Insgesamt kostete Sodom und Gomorrha fünfmal mehr als ursprünglich veranschlagt, neben den Kameramännern wurden Tausende von Handwerkern, Architekten, Dekorateuren, Bildhauern, Stuckateuren, Bühnenbauern, Pyrotechnikern, Frisören, Maskenbildnern und Schneidern sowie etliche Hilfsarbeiter und Statisten, zumeist Arbeitslose und Kinder, während der drei Jahre andauernden Dreharbeiten beschäftigt, sodass Béla Balàzs von einem „Ausstattungswahnsinn“ sprach.

Den Film gibt es übrigens auf YouTube in Gänze zu sehen.

Joachim Kurz

 Komm, süßer Tod von Wolfgang Murnberger

Und da ist es das erste Mal passiert. Der in jeder Hinsicht gescheiterte Ex-Polizist und erfolgreich nicht erfolgreiche Privatschnüffler Simon Brenner (Josef Hader) verdient sich als Fahrer eines Rettungswagens sein Geld. Allein diese Fahrten durch ein unaufgeregt bieder inszeniertes Wien sind zum Brüllen komisch: Da konkurrieren in der Tat die Notdienste um die Notfälle, veranstalten regelrechte Rennen, wer die Verletzten zuerst versorgt – schließlich gibt es von der Stadtverwaltung Prämien. Doch stolpert der Brenner selbstverständlich in einen Mordfall, in dem er schließlich mit Lässigkeit ermittelt.

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Die von Schriftsteller Wolf Haas erdachte Figur des Simon Brenner ist sowas wie der österreichische Columbo – allerdings mit mehr Privatleben, wenngleich dies eher einer Nacht auf der Straße entspricht. Von allen unterschätzt, fügt der Detektiv die Puzzlestücke zusammen. Manchmal merkt er es allerdings ein wenig zu spät.

Auf diesen gelungenen Film werden noch drei weitere Fälle folgen: Silentium, Der Knochenmann und Das ewige Leben. Alle mit demselben Team realisiert. Dabei erstaunt es dann allerdings doch, dass nur Komm, süßer Tod in Wien spielt. Alles an diesen Figuren riecht nach, ruft nach, streckt sich nach Wien. Eine Todessehnsucht begleitet den Brenner: Alles ist ihm wuarscht! Wäre dieser Mensch ein lebendes Wirtshaus, dem der Zigarettenqualm aus den Ohren strömt – man würde sich nicht wundern. Dennoch, trotz all dem bissigen Zynismus und dem angeschossenen Spott gegenüber dem Leben, pocht in diesem Film ein großes Herz für all diejenigen, die auch bei der letzten Runde noch zusammensitzen.

Komm, süßer Tod gibt es bei Paramount+ im Stream.

Sebastian Seidler 

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