zurück zur Übersicht
Features

Cate Blanchett – Schillernd und überirdisch

Ein Beitrag von Melanie Hoffmann

Sie ist DIE Schauspielerin der Gegenwart. Mitunter wird sie vergöttert: Cate Blanchett. Wir blicken auf die Karriere der Ausnahmekünstlerin, die sich ziemlich breit auffächert.

Meinungen
Cate Blanchett
Indianer Jones 4 / Elizabeth / Carol

Wenn Dir nicht nur eine Rolle auf den Leib geschrieben wird, sondern gleich ein ganzes Originaldrehbuch, dann hast Du es wohl als Schauspielerin geschafft. Cate Blanchett wird in „Tár“ ein Denkmal gesetzt – als ob es das noch bräuchte! Die große blonde Australierin begeistert die Filmwelt wie einst Katharine Hepburn – die sie selbst auch schon verkörperte – und spielt von lockerer Komödie über große Dramen bis zum Psychothriller einfach alles. Dabei eckt sie nicht an, bietet der Klatschpresse kein skandalöses Privatleben und Filmpreise regnet es buchstäblich. Achtmal wurde sie für den begehrtesten, den Oscar, nominiert und ist damit schon weit vorne in der ewigen Bestenliste.

Zunächst versuchte sich die 1969 in Melbourne geborene Cate in einer ernsthaften Lebensplanung und studierte Kunstgeschichte und Wirtschaftswissenschaften. Doch während eines Urlaubs in Ägypten machte sie kurzerhand bei einer Tanzgruppe mit. Vom Applaus berauscht, warf sie ihre Lebensplanung über den Haufen und begann eine Ausbildung zur Schauspielerin. Erste Preise für ihre Bühnenarbeit folgten bald und ebenso der große internationale Durchbruch. Nach nur wenigen kleinen Auftritten bekam sie ihre erste richtig große Rolle und betrat gewissermaßen mit großem Tamtam die Weltbühne des Films: Shepar Kapur gab ihr die Rolle der Elizabeth (1998) im gleichnamigen Film. Für die Darstellung der berühmten Monarchin erntete sie viel Lob, ihren ersten Golden Globe und eine Oscarnominierung.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Cate Blanchett ist selten nur das schmückende Beiwerk oder das Liebchen, sie verkörpert fast immer eine emanzipierte, handelnde Frau. Sie gibt den Ton an. Das hat sich seit Elizabeth nicht geändert. In Ein perfekter Ehemann (1999) spielt sie an der Seite von Rupert Everett eine der gewitzten Frauenfiguren aus Oscar Wildes Feder. Der talentierte Mr. Ripley (1999) gemeinsam mit Jude Law und Matt Damon war Blanchetts erster großer Kassenerfolg, der sie in die erste Riege von Hollywoods Schauspielerinnen hob. Es folgte die Trilogie Der Herr der Ringe (2001–2003) in der sie die Elbin Galadriel mit kühler Anmut verkörperte.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Nach diesem immensen Erfolg wollte Blanchett offenbar nicht in eine Schublade gesteckt werden und nahm viele recht unterschiedliche Rollen an. So gab sie in Tom Tykwers Heaven (2002) gar eine Bombenlegerin, die nach der Tat mit ihrer Schuld leben muss, unschuldige Passanten getötet zu haben statt des Drogenbosses, auf den sie es eigentlich abgesehen hatte. Einige der Filme fielen bei der Kritik und beim Publikum allerdings eher durch. Darunter Die Liebe der Charlotte Gray (2001), Schiffsmeldungen (2002) oder The Missing (2003). 

Erster Oscar

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Mit dem opulenten Drama Aviator (2004) kam endlich der ersehnte Goldjunge! Der Film über Flieger-Pionier und Filmproduzent Howard Hughes war insgesamt ein großer Erfolg, Kritiker und Publikum liebten ihn. Schon bei den Golden Globes gab es einige Preise. Cate Blanchett ging da aber noch leer aus. Insgesamt war der Film dann für elf Oscars nominiert und bekam fünf. Blanchett ging als strahlende Siegerin von der Bühne! Immerhin war sie die erste Schauspielerin, die den Oscar für die Verkörperung einer Oscar-Gewinnerin bekam. Ihre Eleganz, ihre Verschmelzung mit Katharine Hepburn wurde allgemein gelobt. Für eine glaubhafte Darstellung hat sie sogar täglich kalt geduscht, wie die Hepburn es auch zu tun pflegte.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Seit dem Erfolg mit Martin Scorseses Aviator nahm sie vermehrt Rollen im Bereich des Arthouse an. Mit Wes Andersons Die Tiefseetaucher (2004) bekam sie neue Anhänger. Obwohl die Presse geteilter Meinung war, so wurde der Film unter Fans zum Instant Classic. Die stoische Art, die Wes Anderson stets pflegt, konnte auch Blanchett gut verkörpern. Politisch und gesellschaftskritisch wurde es mit Babel (2006) von Alejandro González Iñárritu, der in diesem Episodenfilm das Auseinanderdriften der Gesellschaft kritisierte. Während The Good German – In den Ruinen von Berlin (2006) von Steven Soderbergh bei Kritik und Publikum komplett durchfiel, wurde Tagebuch eines Skandals (2006) wieder sehr positiv aufgenommen. Das Drama von Richard Eyre verlangt abermals alles von Blanchett ab und selbst neben der großartigen Judi Dench konnte sie überzeugen.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Es folgte der lange erhoffte zweite Teil ihres ersten Oscar-Erfolges: Elizabeth – Das goldene Königreich (2007) war aber doch eher enttäuschend. Zu pathetisch, zu pompös, während gleichzeitig die Historie viel zu simpel dargestellt wird. Bedenkt man, wie herausragend die Kritiken zum ersten Film war, ist das schon vernichtend. Doch Blanchett stach auch hier erneut heraus, sodass sie für Golden Globe, Oscar und weitere Preise nominiert wurde.

Der seltsame Fall des Benjamin Button (2008) von David Fincher bringt nach Babel zum zweiten Mal Cate Blanchett und Brad Pitt gemeinsam auf die Leinwand. Die merkwürdige Liebesgeschichte von dem alt geborenen und immer jünger werdenden Benjamin (Brad Pitt) und der normal alternden Daisy (Cate Blanchett) bewegte vor allem das Publikum und war ein großer Erfolg an der Kinokasse. Hier wurde ihre große Qualität, etwas oberflächlichen Rollen eine immense Tiefe zu verleihen, sehr deutlich. Als unnahbare Tänzerin wird sie von einer ätherischen Aura umweht. Dass sie ausgerechnet Benjamin an sich heranlässt, gilt auf der Filmebene als der Beweis einer großen Liebe.

Experimentelle Filmprojekte

Cate Blanchett ist neben der Verkörperung überaus selbstbewusster Frauen auch für gewagte Projekte zu haben, die nicht unbedingt als Crowdpleaser entwickelt wurden, sondern eher ein intellektuelles Publikum ansprechen. Nicht nur Mainstream und ab zu Arthouse, nein, Filmkunst der Kunst wegen. Auch deswegen wurde sie wohl immer mehr zum Liebling der Kritiker.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

In der Kurzfilm-Kompilation Coffee and Cigarettes (2003) von Jim Jarmusch spielt Cate Blanchett in der Episode „Cousins“ gleich zwei Rollen und zwar sich selbst und ihre auf den Erfolg neidische Cousine. Ganz anders geht es zu in I’m Not There (2007), in dem gleich sechs verschiedene Schauspieler in unterschiedlichen Lebensabschnitten Bob Dylan verkörpern. Vermutlich den Gipfel des schillernden Rollenspiels bildet Manifesto (2015).

Hierin spielt Blanchett alle zwölf Rollen selbst, jede steht für ein anderes Manifest der (Kunst-)Geschichte und Blanchett trägt diese Manifeste vor. Eine absurde Tour de Force, die sicher nicht viele ihrer Kollegen gemeistert hätten. Was manchen wie ein Showreel einer Schauspielerin erschien, war für andere Kunst in seiner reinsten Form: L’art pour l’art!

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Regisseur Julian Rosefeldt hat diese kurzen Episoden als Kunstinstallation konzipiert und in einigen Museen gezeigt. Dem unglücklich gescheiterten Monuments Men (2014) ist an dieser Stelle zu danken, weil sich Rosefeldt und Blanchett beim Dreh in Berlin kennengelernt haben. Dass Monuments Men ausgerechnet ein Film über die Rückführung von im Krieg geraubter Kunst ist, bleibt eine ironische Fußnote der Filmgeschichte.

Popcorn-Kino

Auch Hollywoods finanziellen Verlockungen konnte die vielseitige Schauspielerin nicht widerstehen. Nach den Herr der Ringe-Filmen kam ein Ausflug in den Bereich der Sequels: Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (2008) sollte man sich wirklich nur wegen Cate Blanchett ansehen, den Rest allerdings schnell wieder vergessen. In Robin Hood (2010) von Ridley Scott darf Cate Blanchett als Lady Marion das Klischee der zu rettenden Maid entstauben. Dumm nur, dass der Film allzu viel, auch seine eigenen Versprechen, entzaubert.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Der Hobbit (2012-2014) war als Prequel-Trilogie der Herr der Ringe-Filme angelegt und konnte vor allem aufgrund der immensen Fan-Gemeinde an der Kinokasse große Erfolge erzielen. Als vielleicht schönste böse Stiefmutter der Filmgeschichte erzürnt sie sich dann in Cinderella (2015) über ihre Stieftochter. In Marvels Thor: Tag der Entscheidung (2017) begibt sie sich wieder in andere Sphären und spielt Hela, die Göttin des Todes. Selbstredend war die bombastische Comic-Verfilmung ein Riesenhit. Mit Ocean’s 8 (2018) bringt Blanchett ihre ganze Coolness auf die Leinwand. Das Heist-Movie über acht Frauen, die einen aberwitzigen Bruch wagen, war insgesamt etwas zu gewollt, doch Blanchett zeigte im Zusammenspiel mit Sandra Bullock ausgezeichnet, was sie kann.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs

Mit ihrer Rolle in Woody Allens Blue Jasmine (2013) bewies Cate Blanchett erneut, was wirklich in ihr steckt. Sie durfte jammern, lamentierten und über den Zusammenbruch ihres hochklassigen Lebens zürnen: Ehemann Hal (Alec Baldwin) hat alles in den Ruin spekuliert. Eine moderne Blanche DuBois in einer modernen Adaption von Endstation Sehnsucht. Pech in der Rolle, Glück bei den Oscars. Endlich bekam Blanchett den Goldjungen für die beste Hauptrolle und ebenso den Golden Globe.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Hernach drängte Blanchett noch stärker ins Charakterfach: Als Carol (2015) verliebte Blanchett sich in Therese, gespielt von Rooney Mara, und wurde von Kritikern gefeiert. Hier kam wieder die Eleganz aus Aviator zum Vorschein, was kaum verwundert, spielt Blanchett doch eine Dame aus gutem Haus, die sich in der Öffentlichkeit zu bewegen versteht. Ein Hauch von Old Hollywood wehte damals durch die Kinos. Als Bernadette (2019) ging sie eher in die Richtung von Blue Jasmine, auch wenn sich Regisseur Richard Linklater nach Meinung der Kritiker ein wenig verkalkuliert hat. Cate Blanchett gibt den Nervenzusammenbruch auch hier hervorragend, doch wechselt die Rolle ihr Stimmungsbild allzu sprunghaft, was es für den Zuschauer mitunter etwas schwer macht. Das Problem lag hier vor allem in der Verkürzung der Geschichte von Roman-Länge auf einen Spielfilm.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Mit Cate Blanchetts jüngsten Film Tár (2022) setzt ihr Todd Fields mit seinem ihr auf den Leib  geschneiderten Drehbuch ein Denkmal. Mit ihrem eindringlichen Spiel setzt Blanchett noch eins drauf. Aktuell ist sie mit der Rolle der Lydia Tár für 33 verschiedene Filmpreise weltweit nominiert worden, 20 Mal hat sie bereits gewonnen. Der schmale Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist oft beschritten und verkörpert worden, doch nur selten bekam eine Frau eine Figur, welche ihr derartige Möglichkeiten bot – meist waren es die Männer, für die solch wunderbar vielschichtige Rollen geschrieben wurden. Cate Blanchett lernte eigens dirigieren, Klavier zu spielen und Deutsch, um all den Anforderungen des perfektionistischen Regisseurs Todd Fields und ihren eigenen Maßstäben gerecht zu werden. Ein Meisterwerk entstand, das Blanchett fast allein auf ihren Schultern trägt.

Mit praktisch allen bedeutenden Regisseuren und Schauspiel-Kollegen hat Cate Blanchett zusammengearbeitet. Sie war auf der Leinwand sowohl Königin als auch Mörderin, sie war Mutter und Geliebte, toughe Business-Frau und gerissene Diebin, war Hellseherin und Journalistin, Elfe und böse Stiefmutter. Gemeinsam mit ihrem Mann leitete sie einige Jahre ein Theater in Sydney und ist immer wieder mit verschiedenen Stücken auf der Bühne zu sehen. Was kommt als Nächstes?

Cate Blanchett selbst hat kürzlich (Mitte Februar 2023) in einem Interview mit der Zeitschrift Vanity Fair gesagt, dass sie immer wieder und auch ganz aktuell über das Aufhören nachdenke. In die Schauspielerei verliebt man sich, doch man muss immer wieder von Neuem verführt werden. Außerdem sei mit fortschreitendem Alter die Zurschaustellung seiner selbst eine zunehmende Demütigung. Hoffen wir, dass gute Drehbücher, experimentelle Filmprojekte oder ein neuer guter Blockbuster sie doch wieder verführen können.


Lesenswert:
https://www.vanityfair.com/hollywood/2023/02/cate-blanchett-tar-awards-insider

 

Meinungen