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Jahresrückblick

Die besten Filme 2023: Kino mit Katerstimmung

Ein Beitrag von Mathis Raabe

Es ist wieder Listenzeit. Diesmal lässt Kino-Zeit-Redakteur Mathis Raabe das Filmjahr Revue passieren – und hat schon vor Silvester Katerstimmung.

Meinungen
Rodeo / How to Have Sex / Das Tier im Dschungel
Rodeo / How to Have Sex / Das Tier im Dschungel

Die List Season wirft alljährlich auch methodische Fragen auf. Kaum jemand hat Zeit, sich alle Filme, vor allem die bereits etwas verblassten vom Anfang des Jahres, noch einmal anzusehen. Verlässt man sich also auf sein Bauchgefühl? Vermutet man, dass die Filme, die am meisten im Gedächtnis geblieben sind wohl auch die besten waren? Nicht zuletzt muss man jedes Ranking und jede numerische Bewertung grundsätzlich in Frage stellen: Sind ein Splatterfilm und eine politische Dokumentation überhaupt miteinander vergleichbar?

Eine politische Dokumentation mag wichtiger erscheinen, für den Diskurs, für die Welt. Und doch bin ich persönlich nun einmal Fan abseitigen Kinos. So kommt es, dass es am Ende Eating Ms. Campbell auf die Liste geschafft hat, ein politisch völlig inkorrekter Punkrock-Splatterfilm über die kannibalistische Schülerin einer High School, an der Amokläufe schwer im Trend liegen. Denn mit Lloyd Kaufmans B-Film-Produktionsschmiede Troma Entertainment verbindet mich eine lange Beziehung. Es hat mich gefreut, dass dem kultigen Unternehmen gut 20 Jahre nach The Toxic Avenger oder Class of Nuke Em High noch einmal ein Film gelungen ist, der so anarchistisch ist und doch eindeutig die Diskurse der US-Öffentlichkeit kritisiert und das Herz am rechten Fleck hat. Eine Liste muss sich ja auch unterscheiden von denen der anderen.

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Ein Film, der problemlos nachgehallt hat, obwohl die Sichtung bei der Berlinale lange her ist: Roter Himmel. Viel ist darüber längst geschrieben worden. Christian Petzolds Film fragt sich, wie gute Kunst entsteht, wer wessen Geschichten erzählen darf und wie Kunst und Liebe und die drohende Umweltkatastrophe miteinander im Zusammenhang stehen. Platz eins auszumachen, fiel nicht schwer. Die neuen Motive des Kinojahres auszumachen, fällt schwerer. Nie schien sich Hollywood mehr um sich selbst zu drehen als Anfang des Jahres, als in kurzem Abstand Babylon, Die Fabelmans und Empire of Light in die deutschen Kinos kamen. Eine Vorahnung der Krisen, die im Spätsommer folgen sollten, Barbenheimer zum Trotz?

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Immerhin an mir selbst kann ich Tendenzen ausmachen, aber auch die stelle ich in Frage. Ich habe mich dieses Jahr mehrfach in Filme verliebt, die geschmackvoll nostalgisch, vielleicht gar kitschig sind. Wie Das Tier im Dschungel zeigt, dass das Verdrängen der Außenwelt und der Realität beim Tanzen im Club zugleich schön und tieftraurig ist, hat mich berührt – vielleicht, weil ich mich selbst wochenends oft frage, ob das wunderbare Gefühl, sich in einer Nacht zu verlieren den Kater wert ist, und wann eine Party wirklich politisch ist. Auch Passagiere der Nacht ist so ein Film, der wohlig-warm und zugleich melancholisch ist, und auch die Filme von Aki Kaurismäki fühlen sich, wie Joachim Kurz in seiner Kritik zu Fallende Blätter treffend schreibt, wie ein Heimkommen an. Agit-Kino ist das nicht, eher Kino zum Hineinlegen. Bin ich bequem geworden, oder dürfen die Umsturzpläne auch einmal ruhen?

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Immerhin gab es Filme, die Lebenswelten junger Frauen, auch die Themen Solidarität und Freundschaft, auf komplexe und neuartige Weise in den Mittelpunkt gerückt haben. Die Protagonistin von Rodeo lebt in der Welt illegaler Stunt-Motorradfahrten. Adrenalinsucht, Tod und Depressionen werden in Lola Quivorons Debütspielfilm subtil verhandelt. Auch Molly Manning Walker hat einen starken Debütfilm über junge Frauen vorgelegt: How To Have Sex ist die lange überfällige Dekonstruktion von Teenie-Sexkomödien à la American Pie und der flickernden Serotoninästhetik von Project X und Tomorrowland-Aftervideos. Dabei bleibt der Blick auf die Teenagerfiguren authentisch und empathisch, bleiben die gezeigten Freundschaften nachvollziehbar, gerade wenn aneinander vorbei kommuniziert wird. Junge Menschen und ihre Traumata ohne mahnende Zeigefinger oder Leidensklischees inszeniert zu sehen, freut mich immer besonders. Wenig überraschend, dass dies oft gerade jungen Regisseurinnen besonders gut gelingt. Man öffne ihnen die Fördertöpfe!

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Top 10 von Mathis

  1. Roter Himmel
  2. Anatomie eines Falls
  3. How to Have Sex
  4. Das Tier im Dschungel
  5. Rodeo
  6. In der Nacht des 12.
  7. Passagiere der Nacht
  8. Joyland
  9. Fallende Blätter
  10. Eating Ms. Campbell

Top 3 Festivalfilme

  1. The Zone of Interest
  2. Im toten Winkel
  3. Red Rooms

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