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Old but Gold: Unsere liebsten Filme übers Älterwerden

Es ist eines der wenigen Dinge, die alle Menschen weltweit einen: Wir werden jeden Tag älter. Nicht immer mit positiven Folgen — manchmal aber schon. Anlässlich des Kinostarts von „Weißt du noch?“ präsentiert die Redaktion ihre liebsten Filme über das Älterwerden.

Meinungen
Vortex / Wolke 9 / Ich, Daniel Blake
Vortex / Wolke 9 / Ich, Daniel Blake

Mit Herz und Hand

Ja, der deutsche Titel von The World’s Fastest Indian wirkt erstmal abschreckend, und auch das Cover mutet eher wie Rosamunde Pilcher an. Der neuseeländische Regisseur Roger Donaldson (Dante’s Peak) legte 2005 hiermit aber eine zugegeben kitschige, nichtsdestotrotz vollumfänglich herzerwärmende Geschichte vor, in der der passionierte Motorradschrauber Burt Munro (Anthony Hopkins) mit seiner Indian von der Südspitze Neuseelands nach Utah reist, um dort die Spitzengeschwindigkeit des 1920er-Bikes zu testen.

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Hopkins spielt in diesem Fish-outta-Water-Roadtrip einen etwas taddeligen Eigenbrötler, der mit seiner einfachen, offenen Art unmittelbar das Herz des Publikums für sich gewinnt. Der für seinen Plan immer wieder belächelt bis ausgelacht wird, durch seine schiere Zähigkeit, sein Selbstbewusstsein und seine Arglosigkeit letztlich aber die Menschen, denen er begegnet, für sich gewinnt. Und der damit — wie so viele ähnlich gelagerte Film wie Das Beste kommt zum Schluss, Abgang mit Stil oder Picknick mit Bären — zeigt: Auch im hohen Alter lassen sich lang gehegte Träume noch erfüllen. 

Christian Neffe

Wolke 9

Liebesfilme, Sex und Leidenschaft: Da denkt man in erster Linie an die Jugend, wenn das Feuer noch brodelt und lodert. Das Alter, insbesondere das hohe Alter, stellt man sich oft eher als Ereignislosigkeit vor – vielleicht noch als eine Zeit der Opas und Omas. Dabei wissen wir es eigentlich besser: Liebe, Sex und Leidenschaft kennen kein Verfallsdatum. All das mag sich verändern, sicher, aber der Mensch will berühren und berührt werden.

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Andreas Dresen, der Experte für sozialrealistische Lakonie (Halbe Treppe) hat mit Wolke 9 ein Tabu sanft hinweggepustet: Die Affäre zwischen dem 76-jährigen Karl (Horst Westphal) und Inge (Ursula Werner), kurz vor der 70, hat nichts Anrüchiges. Der Sex hat Humor, die Sehnsucht eine Weisheit, die aber nicht viel klüger geworden ist. Dieser Film erzählt nicht vom Ende zweier Leben. Er zeigt vielmehr, dass das Leben immer gelebt werden will und der Geist manchmal wacher ist, als der Körper. Es kann eben auch mehr passieren als Diabetes, Rückenschmerzen und Gehwagen. 

Sebastian Seidler

Vortex

Man konnte Gaspar Noés düster-provokanter Flickerfilme schon mit der Zeit müde werden. Was für eine brillante Abbiegung war dann aber Vortex! Zwar spielt er noch immer mit dem Filmbild, stellt dabei aber Zurückhaltung unter Beweis. Der Splitscreen lässt seine beiden Protagonist*innen, ein alterndes Ehepaar, wortwörtlich auseinanderdriften. Sie, eine ehemalige Psychiaterin (Françoise Lebrun), ist zunehmend demenzkrank, verschreibt sich aber noch selbst die eigenen Medikamente. Er, ein Filmtheoretiker (Dario Argento), kämpft mit Geltungsverlust und Herzproblemen, macht sich schon mal wichtig am Telefon mit einem Buchprojekt über Filme als Träume, als sei das nicht die älteste These der Welt, während gleichzeitig seine Frau beim Einkaufen verloren geht.

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Wenn man sich schon einmal mit alternden, sich verändernden Familienangehörigen auseinandergesetzt hat, trifft dieser Film ins Mark. Alles, was Noé-typisch anstößig wirken mag, ist eigentlich höchst authentisch – etwa Nahaufnahmen von der ekligen Toilette, weil die beiden Alten es nicht mehr schaffen, sich und ihre Wohnung sauber zu halten. Gute-Laune-Kino ist das nicht. Aber es spricht auch Liebe für die beiden Figuren aus dem Film, auch für ihre Fehler, und für ihre Liebe zueinander, die trotz der Fehler spürbar ist. Gerade durch die Schonungslosigkeit der Inszenierung beweist dieser Film Respekt vor seinen Figuren. Weil er eine Lebensrealität, die im Kino oft beschönigt wird oder nur über Angehörige erzählt wird, würdig spricht, gezeigt zu werden, und zwar aus nächster Nähe.

Mathis Raabe

Ich, Daniel Blake

Wer kurz vor der Rente seinen Job verliert, wird nicht selten zu einem hoffnungslosen Fall — zumindest aus Sicht von Arbeitgebern und Behörden. Erstere wollen sie nicht einstellen, zweitere erkennen nicht die Hürden, mit denen sie konfrontiert werden. Etwa solche scheinbaren Banalitäten, dass viel Formularkram nun online erledigt werden muss, aber nicht jede:r das entsprechende Know-how dafür mitbringt. Das ist dann auch eine der Schwierigkeiten, mit denen sich Daniel Blake (Dave Johns) in Ken Loachs Ich, Daniel Blake herumschlagen muss.

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Loach, der Fachmann für britischen Sozialrealismus, der Kämpfer für den einfachen Arbeiter und die einfache Arbeiterin, legt hier — mal wieder, muss man ja sagen — eine wahnsinnig empathische Geschichte über jemanden vor, der nicht abgeschoben werden und sich durchbeißen will. Auch wenn er an so vielen Stellen das Gefühl vermittelt bekommt, nicht mehr in diese Zeit zu passen.

Christian Neffe

45 Years

Das Zerbrechen einer ins Alter gekommenen Ehe wurde selten mit einer derart einfühlsamen Langsamkeit erzählt; als eine Art Detektivgeschichte, die ins morsche Gebälk einer stabil erdachten Liebe führt. Ein Brief genügt. Das ist alles. Die Leiche von Geoffs (Tom Courtenay) Ex-Freundin wurde gefunden. Nach einem Unfall in den Bergen war die große Liebe verschwunden. Geoffs Frau Kate (Charlotte Rampling) ist nun mit einer Vergangenheit konfrontiert, deren Teil sie nicht wahr. Welche Geschichte erzählt dieses Ereignis über Geoff? Und was bedeutet das Verschwiegene für die Beziehung?

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Man darf sich nicht täuschen lassen. Natürlich scheint der Plot dieses Films nicht wirklich neu zu sein. Regisseur Andrew Haigh aber hat gemeinsam mit seinen grandiosen Hauptdarsteller*Innen ein derart verletzlich-intensives Werk geschaffen, bei dem man jeden brechenden Balken im Gerüst dieser Beziehung nachempfinden kann. Lebenslügen brennen sich durch das Schweigen. Gesprochen wird wenig. Die Bilder erzählen mit erhabener Ernsthaftigkeit, ohne den Trost von irgendwelchen Allgemeinplätzen. Charlotte Rampling ist dabei schier unglaublich. 

Sebastian Seidler

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