zurück zur Übersicht
Empfehlungen

Couchperle: Cyberpunk

Der deutsche Film Junk Space Berlin holt den Cyberpunk in die Hauptstadt. Was? Noch nie davon gehört? Wir haben ein paar Klassiker zusammengesammelt.

Meinungen
cyber
Dark City / Ghost in a Shell / Vernetzt - Johnny Mnemonic

Tetsuo: The Iron Man

Tetuso: The Iron Man von Shinya Tsukamoto gilt zurecht als Mutter des japanischen Cyberpunk-Kinos, einer Welle von Underground-Filmen, die sich vor allem durch ihre non-linearen Erzählungen und eine experimentelle Bildsprache auszeichnen, in der industrielle, metallische Motive dominieren. Während der englischsprachige Cyberpunk in der Sci-Fi-Literatur der Sechziger- und Siebzigerjahre entstanden ist, war es hier tatsächlich die musikalische Punk-Szene, die einen großen Einfluss hatte. Gemeinsam hatte man die Außenseiterfiguren. Durch Filme wie Panic High School und Crazy Thunder Road von Sogo Ishii fand der gegenkulturelle Geist in Japan um 1980 Einzug ins Kino und wurde dann von Tsukamoto mit Metall verlötet. Ein schwer aufzutreibender, aber sehenswerter Vorläufer ist sein Kurzfilm The Adventure of Denchu-Kozo, in dem einem jungen Außenseiter ein Strommast aus dem Rücken wächst.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Nicht unähnlich dem Cronenbergschen Body-Horror, spielen bei Tetsuo auch Sex und Selbstverletzung eine große Rolle, Wunden und Geschlechtsöffnungen werden austauschbar. Tsukamoto selbst spielt einen Fetischisten, der sich auf einem Industriegelände lose Metallstücke in den Körper einführt. Der namenlosen Hauptfigur des Films (Tomorowo Taguchi) wachsen währenddessen unwillkürlich Metallfortsätze, im Traum wird er von Maschinengebilden sexuell missbraucht, sein Penis verformt sich schließlich zu einem großen Bohrwerkzeug.

Tetsuo ist noch heute eine atemberaubende Seherfahrung und ein Beispiel für Filmemachen, das sich ganz auf die Energie der Bilder konzentriert, nur begleitet von einem ständigen Rasseln und Hämmern, inspiriert von der damaligen Industrial-Musik aus Berlin und Düsseldorf, von DAF und den Einstürzenden Neubauten, das den Puls beim Publikum noch höher treibt. Sicher ist der Film auch für viel blutiges japanisches Horrorkino, das noch folgen sollte, ein Vorbild gewesen. Tetsuo selbst wirkt aber nie effekthascherisch. Dafür ist er schlicht zu einzigartig.

Mathis Raabe

Vernetzt — Johnny Mnemonic

Basierend auf der Kurzgeschichte Johnny Mnemonic des Cyberpunk-Erfinders William Gibson, die erstmals 1981 in der Zeitschrift Omni erschienen ist, zaubert der New Yorker Künstler Robert Longo einen intensiv-dunklen Film. Im Jahr 2021 boomt der Handel mit Daten und Informationen. Folglich erblüht auch ein Schwarzmarkt, auf dem ein reger Datenschmuggel betrieben wird. Um die sensiblen Daten zu übermitteln, werden sie auf Schädelimplantate von Kurieren übermittelt – Menschen werden zu Speicherkarten. Die Nebenwirkung dieser Tätigkeit: Gedächtnisverlust. Erinnerungen an das gelebte Leben verblassen zunehmend. 

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Einer dieser Kuriere ist Johnny Mnemonic, gespielt von Keanu Reeves, der hier bereits im ikonischen schwarzen Anzug unterwegs ist, der ihn in Matrix endgültig zum Weltstar machen wird. Johnny nimmt nun einen heiklen Auftrag an, der seine Speicherkapazität übersteigt. Er muss die Daten innerhalb von 24 Stunden aus seinem Kopf laden, da sein Hirn ansonsten überlastet wird – mit tödlichen Folgen. Doch ist das nicht das einzige Problem: Mnemonic trägt den Bauplan für ein Heilmittel in sich. Durch den übermäßigen Gebrauch von Technik und Kybernetik leidet ein Großteil der Menschheit an einer seltsamen Krankheit. An einer Heilung dieser Krankheit haben aber nicht alle ein Interesse. Und so gerät Johnny auf die Abschussliste eines mächtigen Konzerns.

Mögen auch einige der Spezialeffekte aus der Zeit gefallen sein, so ist der Look dieses Films ohne Zweifel auch heute noch einzigartig: ein virtueller, exzentrischer Trip durch digitale Ströme. Die technisch-dystopische Welt ist im Kontrast dazu dunkel, schmutzig und abgründig. Leider kann die Handlung nicht ganz mithalten, zumal sie weniger komplex ist als in den Romanen und Kurzgeschichten von William Gibson üblich. Der Fokus liegt ganz klar auf der Action, die jedoch großartig und mitunter ziemlich brutal inszeniert ist.

Die Besetzung mit Dolph Lundgren, Ice-T, Punkrocker Henry Rollins und dem ewigen Udo Kier kann sich auch sehen lassen. Ebenso mit an Bord: Kultregisseur Takeshi Kitano. Und dann ist da natürlich noch Mr. Cyberpunk höchstpersönlich und im feinsten schwarzen Zwirn: Keanu Reeves.

Will man in die Welt des Cyberpunks eintauchen, dann bietet sich Vernetzt – Johnny Mnemonic als Einstieg an.

Sebastian Seidler

Ghost in the Shell

Wenn es grundlegendes, ja definierendes Thema des Cyberpunk gibt, dann ist das die Frage nach der Essenz der Menschlichkeit im Zuge der Technisierung, Digitalisierung und Kapitalisierung. Wenn Fleisch durch Metall, Blut durch Strom, Synapsen durch Chips und Regierungen durch Konzerne abgelöst werden — wo bleibt in all dem noch der Mensch, was definiert ihn? Eine Frage, die wie keine zweite im Zentrum von Ghost in the Shell steht. Die Manga-Reihe, die in mehreren Anime-Filmen und etlichen -Serien adaptiert wurde, sucht schon im Titel nach dem Geist in der Maschine, die menschliche Identität kann auf einem Chip gespeichert und in verschiedene Körper transplantiert werden. Was das Ganze natürlich anfällig für Manipulation macht. Ein unbekannter Hacker tut genau das mit seinen Opfern, die daraufhin Verbrechen für ihn begehen.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Major Kusanagi, deren Körper gänzlich künstlich ist, von der Sektion 9 sucht nach dem Täter und findet heraus, dass es sich um ein KI-Netzwerk handelt, das aus nur allzu menschlichen Gründen handelt. Der thematische Unterbau in Verbindung im den ikonischen Bildwelten von neonbeleuchteten, monolithischen Hochhäusern und schier unendlichen Straßenschluchten, düsteren Fabrikhallen und hochtechnologisierten Labors ist bis heute charakteristisch für das Subgenre. Wer in all dem Wust aus Filmen und Serien nicht durchsieht, dem sei zumindest der erste Filme sowie der (sogar noch etwas bessere) direkte Nachfolger Ghost in the Shell 2: Innocence empfohlen.

Christian Neffe

Brazil

Eine ganz andere und recht eigenwillige Interpretation von Cyberpunk liefert Terry Gilliam in Brazil (1985) ab, der hier stellvertretend für die Cyberpunk-Trilogie des Regisseurs steht. Denn mit 12 Monkeys (1995) und The Zero Theorem (2013) hat Gilliam gleich ein ganzes „cinematic universe“ erschaffen, das aus heutiger Sicht rückblickend vielem den Weg bereitet hat. 

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Auf den ersten Blick erscheint Brazil heute fast eher als bildgewordene Manifestation der Steampunk-Bewegung, die modernste technische Entwicklungen und Innovationen mit Mitteln und Materialien vergangener Epochen verknüpft. Gilliams Cyberpunk-Trilogie speist sich insgesamt aus dem Retro-Futurismus und verknüpft düstere Zukunftsvisionen mit Zitaten aus dem Fundus vergangener Zeiten, was ihnen insgesamt eine Aura der exzentrischen Entrücktheit gibt. Statt der cleanen Looks anderer Zukunftsvisionen herrschen hier Staub, Dreck und Rost vor, und man meint förmlich das Öl zu riechen, das den Schmierstoff dieser Welten bildet.

Eine schöne Podcast-Episode zum Terry Gilliams Cyberpunk-Trilogie gibt es übrigens hier.

Joachim Kurz

Meinungen