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Darling der Woche

Wenn Stuntmänner Regisseure werden

Ein Beitrag von Mathis Raabe

Die hochstilisierte John-Wick-Reihe sticht aus dem Einheitsbrei der Actionfilme heraus. Könnte das mit Regisseur Chad Stahelskis Stunt-Expertise zu tun haben? Er ist zumindest nicht der einzige Stuntman, der auf den Regiestuhl gewechselt ist.

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John Wick 3, Keanu Reeves, Chad Stahelski
Durchkomponierte Action in John Wick: Kapitel 3

Schon seit dem zweiten Teil sind die Filme der John-Wick-Reihe kaum noch mehr als eine unaufhörliche Aneinanderreihung ausladender Actionsequenzen. Ob das eine Sogwirkung entfalten kann, ist Geschmackssache. Die Choreografie der Action ist aber zweifellos herausragend. Die kriminelle Parallelwelt, die die Filme entwerfen, scheint einzig von Killern bevölkert zu sein. Die Kampfszenen werden zu Schlachtpanoramen, wie dem Panorama von Racławice in Breslau, das als 360-Grad-Kunstwerk eine historische Schlacht zeigt. Es wird wenig geschnitten in diesen Szenen, es gibt viele Totalen, jedes Detail ist durchkomponiert und in jeder Ecke des Bildes wird gekämpft. Eine Wohltat, verglichen mit manch moderner Hollywood-Action, die so schnell geschnitten ist, dass man den Körpern gar nicht mehr folgen kann. Vielleicht brauchte es jemanden aus der Stunt-Profession, um sich an so ambitionierter Action zu versuchen.

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Regisseur der John-Wick-Filme ist Chad Stahelski und in den ersten dreißig Jahren seiner Hollywood-Karriere war es sein Job, seinen Körper aufs Spiel zu setzen. Zweifelhafte Berühmtheit erreichte er dadurch, eines der Körperdoubles zu sein, die die Rolle von Brandon Lee in The Crow nach dessen Unfalltod am Set zu Ende spielen mussten. Mit John-Wick-Hauptdarsteller Keanu Reeves verbindet ihn eine lange Arbeitsbeziehung. Schon in Matrix (1999) war er zum ersten Mal Reeves’ Stunt-Double. Beim ersten Teil von John Wick hatte er in David Leitch noch einen Co-Regisseur, der vorher ebenfalls als Stuntman gearbeitet hat; für beide war es das Regiedebüt. Sie ergatterten den Job, indem sie ihren Freund Keanu Reeves überredeten. Ursprünglich hatte der sie lediglich als Stunt-Choreografen für das Projekt mit ins Boot geholt. David Leitch hat zwar keine weiteren John-Wick-Filme gedreht, ist aber dem Actionkino treu geblieben und führte seitdem Regie beim Fast-&-Furious-Spin-off Hobbs & Show oder zuletzt Bullet Train.

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Dass Stuntleute ins Regiefach wechseln, ist nicht ganz neu, historisch aber doch selten. Die nennenswertesten Beispiele sind Jackie Chan, der diesen Sprung aber nicht in Hollywood, sondern noch in Hongkong machte, und Hal Needham. Hal Needham war in den Sechzigerjahren einer der gefragtesten Stuntmänner Hollywoods und arbeitete als Double für John Wayne und Burt Reynolds. Auch in seinem Fall war es schließlich die Beziehung zu einem Schauspieler, nämlich Reynolds, die es ihm erlaubte, bei Smokey and the Bandit (in Deutschland Ein ausgekochtes Schlitzohr) erstmals Regie zu führen und dann auch gleich seinen Freund in der Hauptrolle zu besetzen. Am Set von Auf dem Highway ist die Hölle los und dessen Fortsetzung, die von der legendären Hongkonger Actionschmiede Golden Harvest produziert wurden, arbeiteten Hal Needham und Jackie Chan dann sogar zusammen.

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Da die historischen Beispiele rar gesät sind, kann man aktuell schon einen kleinen Trend ausmachen. Auch Tyler Rake: Extraction, der für Netflix 2020 Rekordzahlen erreichte, war das Regiedebüt eines Stunt-Profis: Sam Hargrave hatte vorher unter anderem für die Marvel-Filme der Russo-Brüder die Stunts koordiniert. Fraglich ist allerdings, ob dieser Trend wirklich zu besseren Actionfilmen führt. Der herausragende Stil der John-Wick-Filme ist doch ein singuläres Phänomen. David Leitchs weitere Regiearbeit trug bei Atomic Blonde noch die Handschrift des Stunt-Duos, wurde danach aber deutlich konventioneller, und Tyler Rake: Extraction hat im Gegensatz zu den großen Bildern und komplexen Set Pieces von John Wick eine unübersichtliche Wackelkamera-Action ohne Gefühl für Räumlichkeit, die aus dem restlichen Netflix-Katalog nicht wirklich herauszustechen vermag.

Um originellere Action und auch weitere Stuntleute auf Regiestühlen zu finden, muss man sich eher mit den Weggefährten und Nachfolgern Jackie Chans in Hongkong beschäftigen. In einem Interview mit NPR gab Chad Stahelski 2017 selbst an, vom Hongkong-Kino stark beeinflusst zu sein, vor allem von Yuen Woo-ping, Regisseur des Jackie-Chan-Klassiker Drunken Master und Stahelskis Stunt-Choreograf am Set von Matrix.

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