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Cannes 2018

Frisches vom Cannes Filmfestival 2018 - Tag 9

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

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18.05.2018: Kurz vor Schluss zaubert das Festival de Cannes noch einmal einen preisverdächtigen Knaller nach dem Anderen aus dem Hut. Unsere Kritiker_Innen vor Ort — Beatrice Behn, Maria Wiesner und Joachim Kurz — strengen sich an hinterherzukommen.

Für Vlog Nummer 9 aus Cannes mussten sich Beatrice und Joachim aber erst mal hinsetzen. Denn es geht um Lars von Triers Skandalfilm The House That Jack Built, der mit seiner Brutalität sogar von-Trier-Fans der ersten Stunde herausfordert. Spike Lees BlackKklansman erzählt hingegen von der Infiltration des Ku-Klux-Klan und scheint dabei etwas zu ironisch geraten.

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Schwermütiger geht es in Chang-dong Lees Wettbewerbsfilm Burning zu, den Beatrice Behn gesehen hat und irgendwo zwischen Psychothriller und Noir verortet. In der Kurzgeschichtenadaption nach Haruki Murakami geht es um einen mysteriösen Gatsby-Typen, der regelmäßig Gewächshäuser abfackelt.

Aber das ist noch gar nichts: in Matteo Garrones Wettbewerbsfilm Dogman scheint sich der Besitzer eines heruntergekommenen Hundesalons zunehmend selbst in ein Tier zu verwandelt. Joachim Kurz war angetan: 

„Matteo Garrone hat eine präzise Charakterstudie in Form eines leisen Thrillers inszeniert, die den Filmemacher zurück an die Anfänge seines Schaffens führt, nachdem er zuletzt mit Das Märchen der Märchen etwas aus dem Tritt geraten war.“

In Ulrich Köhlers In My Room wird es nicht weniger geheimnisvoll. In dem Un-Certain-Regard-Beitrag wacht ein Mann in der Lebenskrise eines morgens in einer Welt auf, aus der alle anderen Menschen verschwunden sind.  

„Es geht nicht um Kausalitäten, Gründe und Erklärungen, sondern darum, was aus dieser neuen Situation folgt, wie der Mensch damit umgeht, wenn er ganz auf sich alleine zurückgeworfen ist.“

Beatrice Behn war begeistert von Nadine Labakis Capernaum. In dem Wettbewerbsfilm verklagt ein 12-Jähriger seine Eltern, weil sie ihn auf die Welt gebracht haben. Fabel und Dokumentarfilm vermengen sich und tanzen nah am Rand der misery exploitation, jedoch:

„Es ist die Systematik hinter dieser Ausbeutung und Armut, die in Capharnaüm durch viele kleine Geschichten und Figuren kritisch betrachtet wird.“

Maria Wiesner hat sich derweil auf das Gebiet französischer und europäischer Politik begeben und ein Special Screening von La traversée gesehen. Darin fährt Daniel Cohn-Bendit gemeinsam mit dem Kameramann Romain Goupil durch Frankreich und spürt der Stimmung in der Bevölkerung nach. Der Film stellt wichtige Fragen, zum Beispiel inwiefern man rechten Gruppen ein Sprachrohr bieten darf. Nur:

„Es ist einfach immer zu viel Cohn-Bendit im Bild.“

Auch die Sichtung von Wim Wenders‘ neuem Dokumentarfilm Papst Franziskus — Ein Mann seines Wortes war für Maria ein zwiespältiges Erlebnis, da es Wenders darin bewusst in Kauf nimmt, dass sein Protagonist den Film für seine Botschaft nutzt:

Was im Gewand eines Porträtversuchs über die Person des Papstes beginnt, ist am Ende eben mehr eine Gelegenheit für das Kirchenoberhaupt, seine Lehre zu propagieren.

Wenig begeistert war Joachim derweil von Yann GonzalezUn couteau dans le coeur über einen Serienkiller, der im Sommer 1979 Jagd auf Darsteller von Schwulenpornos macht:

Sein Film ist ein Balanceakt zwischen Fantasie, Perversion und Realität, mit viel Lust an der Übertreibung, die bisweilen so überbordend ist, dass man zwischen der Trashigkeit der gezeigten Film-im-Film-Exzerpte und der eigentlichen Handlung häufig nicht so recht unterscheiden kann.

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