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Wie dreht man aus einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami einen 148-minütigen Thriller? Lee Chang-dong zeigt es mit „Burning“ – und nicht nur das …

Burning (2018)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

I'm a firestarter, twisted firestarter

Jongsu (Yoo Ah-in) ist allein. Seine Mutter hat ihn schon früh verlassen. Schuld ist der Vater, dessen cholerische Anfälle alle in seiner Umgebung malträtierten. Und nun verlässt ihn auch der Vater, denn er muss in den Knast. Er hat jemanden verprügelt. Jongsu schlägt sich mit einem Gelegenheitsjob durch und versucht, nebenbei seiner Leidenschaft – dem Schreiben – nachzukommen. Immerhin hat er das studiert. Aber die durchschlagende Idee fehlt.

Doch wie so oft in Filmen und Büchern fehlt nicht die Idee, sondern die Liebe. Eines Tages trifft Jongsu seine ehemalige Nachbarin Haemi (Jun Jong-seo) wieder. Er erkennt sie anfangs nicht, doch sie lässt nicht locker und die beiden verbringen einen Abend und sehr überraschend auch eine Nacht miteinander. Dann fragt Haemi Jongsu, ob er auf ihre Katze aufpassen kann, denn sie fährt ein paar Wochen nach Afrika. Jongsu willigt ein. Doch als Haemi wieder aus Afrika zurückkommt, hat sie plötzlich Ben (Yeun Steven) im Schlepptau. Ben ist unfassbar gutaussehend, unendlich reich, kultiviert und ab jetzt immer mit dabei, wenn Jongsu und Haemi einander sehen. „Womit verdient er eigentlich sein Geld?“, fragt Jongsu einmal berechtigterweise. Niemand weiß es. „Es gibt viele Gatsbys in Korea“, kontempliert Jongsu. Und er hat Recht. Die Freunde sind im gleichen Alter, doch der Unterschied zwischen ihnen könnte größer nicht sein.

Was sie allerdings verbindet, ist das Feuer. Haemi erzählt einmal davon, wie sie in Afrika gelernt habe, dass es dort zwei Hunger-Konzepte gibt. Der kleine Hunger, der sich nach Essen sehnt, und der große, der ein Lebenshunger ist, eine Passion, das Feuer, das Leben und Kreativität ist. Jongsus Feuer ist für Haemi und seine Autorenkarriere ist groß. Haemis Feuer ist allumfassend, sie will leben und atmen und spüren und vor allem nicht mehr allein sein. Und Bens Feuer? Seins ist weitaus mysteriöser, er selbst sagt, er will nur Spaß haben. Und Jongsu will seine Geschichte erzählen, denn er ist doch Autor. Doch was er dann erzählt, ist eigenartig. Er, der reiche Ben, brennt Gewächshäuser nieder. Und zwar genau alle zwei Monate. In ein paar Tagen ist es wieder soweit. Er wird eines niederbrennen, ganz in der Nähe von Jongsus Haus. Doch es geschieht nichts. Und dann ist Haemi verschwunden. Und bleibt es auch. Aus Sorge um sie und die Katze bricht Jongsu in ihr Apartment ein und merkt dort, dass etwas nicht stimmt.

Lee Chang-dongs Burning basiert auf der Kurzgeschichte Barn Burning von Haruki Murakami, doch Lee hat aus dieser nicht nur einen 148-minütigen Film geschaffen, sondern vor allem ein Werk, das wunderbar zwischen Psychothriller und Noir verankert ist. Die Geschwindigkeit des Filmes ist dabei äußerst langsam, doch gerade das kreiert eine leise, aber ständig vor sich hin brodelnde Spannung, die niemals abnimmt, niemals zu viel wird, sondern sich mit äußerster Präzision steigert. Hinzu kommt eine Kameraarbeit, die sich in ihrer simplen Zurückhaltung nahtlos in die gesamte Ästhetik des Filmes einfügt.

Doch Burning ist mehr als ein klassischer Thriller um eine Frau und zwei Männer. Auf einer Subebene trägt Lee eine wunderbare Beobachtung über die südkoreanische Gesellschaft hinein, in der – wie in den meisten Ländern inzwischen – die Schere zwischen reich und arm, privilegiert und mittellos immer größer wird. Jongsu und Ben konkurrieren um die gleiche Frau, doch es ist von Anfang an klar, dass dies ein absolut ungleiches Spiel ist, allein aus ökonomischen Gründen.

Gleichsam ist Burning aber auch ein Film, in dem man die Probleme von männlichem Anspruchsdenken und der toxischen Idee Genius (die ebenfalls nur für Männer gilt) ablesen kann. Denn Haemi ist in diesem Film nicht nur das Opfer, ihre Aufgabe ist es ausschließlich, die beiden Männer mit genügend Katalysatoren auszustatten, dass sie sich auf eine Suche begeben, in der es nur oberflächlich um sie geht. Denn das eigentliche Ziel ist eben dieses Feuer zu schüren, das kreative. Und Haemi verkommt hierbei zu einem entbehrlichen Holzscheit.

Burning (2018)

Der Autor Jong-soo trifft eines Tages zufällig auf Hae-mi, die früher in seiner Nachbarschaft lebte. Diese bittet ihn darum, nach ihrer Katze zu schauen, während sie eine Reise nach Afrika antritt. Von dort zurückgekehrt, stellt sie Jong-soo einen geheimnisvollen Mann namens Ben vor, den sie in Afrika kennengelernt hat. Als er das Paar eines Tages wiedertrifft, gesteht ihm Ben, was für ein geheimes und brandgefährliches Hobby dieser hat.

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