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Streaming-Tipp des Tages: La Haine

Ein Beitrag von Christian Neffe

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La Haine
La Haine

Es ist erschreckend, wie sehr der Anfang von Mathieu Kassovitz’ La Haine trotz seines Alters an die Gegenwart erinnert: Straßenschlachten zwischen jungen Menschen aus den Pariser Vorstädten und der Polizei. Pyros und Gasgranaten fliegen, Autos brennen, Scheiben bersten. Die ganze titelgebende Wut entlädt sich. Erst vor wenigen Wochen haben wir solche brandaktuellen Szenen in den Nachrichten gesehen – seit fast 30 Jahren scheint sich also nichts geändert zu haben. Zumindest nicht die Ursachen dieser Wut und Gewalt.

La Haine zeigt einen Tag im Leben der drei Freunde Vinz (Vincent Cassel), Said (Said Taghmaoui) und Hubert (Hubert Koundé), die charakterlich zwar sehr unterschiedlich, jedoch durch das Leben in ihrem Viertel geeint sind. Durch Arbeitslosigkeit, Vorverurteilung, Isolation von der Wohlstandsgesellschaft, sadistische Polizisten, Diskriminierung, Konfliktherde überall. Eine Milieustudie in tristem, aber doch so kraftvollem Schwarzweiß, die mit ihrer episodischen Struktur und den wilden Alltagsdialogen bisweilen an Pulp Fiction erinnert, freilich ohne Tarantinos Entertainment-Faktor, dafür mit ganz viel gefühlter Authentizität.

Und vor allem: Einsicht in eine Lebensrealität, über die zahlreiche Vorurteile existieren, aber doch so wenig Wissen und Empathie. La Haine macht aus seinen Hauptfiguren weder gänzlich Täter noch gänzlich Opfer, sondern ambivalente Persönlichkeiten, die mit voller Wucht zeigen, wie sehr das persönliche Umfeld den Menschen prägt, wie sehr dieser wiederum sein Umfeld durch seine Taten prägt. Und wie schnell das zu einer Spirale ohne Ausfahrt werden kann. Insofern überrascht es am Ende dann doch nicht mehr, dass wir solche Bilder wie zu Beginn tragischerweise heute noch immer sehen.

„La Haine“ ist derzeit bei Amazon Prime Video verfügbar.

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