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Der elfjährige Nachkomme von Don Quijote kämpft für die Windmühlen und gegen einen windigen Geschäftsmann.

Das Geheimnis von La Mancha (2024)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Ohne Ärger keine Abenteuer

Alfonso Quijote ist erst elf Jahre alt, aber deswegen nicht weniger stolz auf seinen Ur-Ur-ganz-viele-Urs-Ahnen Don Quijote, der ja eigentlich (in aller Fiktionalität) Alonso Quijano hieß, aber wen kümmert schon literarische Präzision. Alfonso hat jedenfalls vom Don die blühende Fantasie geerbt, die womöglich eine behandlungsbedürftige Form der Wahrnehmungsverschiebung sein könnte. So genau will das in diesem Abenteuerfilm aber niemand wissen.

Seine Familie jedenfalls ist im Heimatdorf La Mancha berüchtigt, sein Vater auch eher ein schräger Vogel, die pragmatische Mutter hält den Laden irgendwie zusammen. Ist aber eigentlich auch alles egal, denn alle wollen wegziehen: Der windige Geschäftsmann Carrasco bietet den Dorfbewohner*innen Geld für Haus und Grund, und weil seit neuestem immerzu Wirbelstürme über La Mancha hinwegfegen, zeichnet sich ein Exodus ab. Dass Carrasco trotz der Stürme hier ein wagemutiges Bauprojekt („Carrascoland“, komplett mit Riesenrad für die Kinder) hinsetzen will, stimmt niemanden misstrauisch.

Außer natürlich unseren jungen Helden, dessen heimlich verehrte Nachbarstochter Victoria und seinen besten Freund Pancho Panza, mit dem er aber – die beiden Familien haben eine gewisse Vorgeschichte – offiziell nichts zu tun haben darf, finden Panchos Eltern. Auch in dieser Familie setzt sich die seltsame, aber fürs Genre ja nicht untypische Geschlechtertypologie fort: die Mutter ernsthaft und strukturiert, der Vater ein wenig schräg, aber wagemutig und erfinderisch, im Wortsinn. Das überträgt sich sogar auf den männlichen Hund Tesla, der schon mal im Wohnzimmer Schweißarbeiten durchführt.

Es ist der große Vorzug dieses Animationsfilms, dass er sich auch ohne großen Aufwand dazu entschließen kann, Schwerkraft und physikalische (oder auch psychologische) Logik außer Acht zu lassen: Mit CGI ist die ganze Welt ein einziger Spezialeffekt. Regisseur Gonzalo Gutierrez nutzt und kostet das ab den ersten Szenen von Das Geheimnis von La Mancha voll und ganz aus: Schon in der Anfangssequenz wird die Grenze zwischen Realität und Phantasie wegbehauptet und das als Sprungbrett für Slapstick und wildeste Actionsequenzen genutzt. Der Film wirkt in seinen Bewegungen und Verfolgungsjagden stets wie ein überdrehtes Eichhörnchen auf Speed, dann aber unterbrochen von Momenten großer Ruhe und Gelassenheit. Auch in denen bleibt der Film sich treu: Rechte Winkel kommen hier allenfalls in der Monstermaschine des Bösewichts vor, selbst die Häuser sind krumm oder rundlich.

Das wäre eine einzige Freude, wenn es dann nicht erzählerisch alles so bekannter Standard wäre. Der junge Held, seine zwei Sidekicks, die besorgten Eltern hinterher. Die beschriebene Geschlechterdichotomie, das hektische Gekreische: Viel zu viel davon ist aus viel zu vielen Animations-Abenteuerfilmen für Kinder schon vertraut, auch wenn es hier mit unvorhersehbaren Ausbrüchen überquellender, entschlossen überkandidelter Inszenierung aufgepeitscht wird.

Weil aber die Geschichte bei weitem nicht so viele Ideen mitbringt wie die Inszenierung, geht Gutierrez’ Film in der zweiten Hälfte die Puste aus. Eine eher künstlich konstruierte Konfliktlage soll noch etwas tragen, dafür werden andere, mühsam aufgebaute Handlungsstränge einfach links liegen gelassen und ignoriert. Zum Finale gibt es noch einmal einen Showdown mit den Mächten der Fantasie, werden Windmühlen zu Riesen, die gegen ein ganz und gar reales Monster ankämpfen.

Es ist also laute, flotte und abwechslungsreiche Langeweile, die Das Geheimnis von La Mancha verbreitet. Man wünscht sich mehr narrativen Wagemut, Ideen, die zu mehr taugen als nur einem ploppigen Effekt für wenige Sekunden. Die drei Hasen zum Beispiel, die nur Alfonso sieht, sind ein guter Start. Spontan zaubern sie Musikinstrumente und Gesang hervor und untermalen alle Geschehnisse wie ein Chor aus der griechischen Tragödie. Sie sind ein beglückender Einfall, der dann nur als Running Gag immerhin konsequent mitläuft.

„Ganz ohne Ärger kannst du nicht nach Abenteuern streben“, warnt Alfonso seine Freund*innen am Anfang. Über dieses Abenteuer möchte man sich gerne etwas weniger ärgern müssen.

Das Geheimnis von La Mancha (2024)

Der 11-jährige Alfonso Quijote hat eine blühende Fantasie. Wie schon sein Vorfahre Don Quijote muss er seine Heimat La Mancha stets gegen unsichtbare Ungeheuer verteidigen. Unterstützung erhält er dabei vom Nachbarsjungen Pancho Panza, seinem heimlichen und einzigen Freund. Als ein bedrohlicher Sturm aufzieht und der zwielichtige Geschäftsmann Carrasco den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt ein unwiderstehliches Angebot macht, ihre Häuser zu verkaufen, ist Alfonso zunächst der Einzige, der darin einen Zusammenhang vermutet. Mit Pancho und seiner insgeheimen Liebe Victoria macht er sich auf, Carrascos mächtiges Sturm-Monster zu bezwingen. Auf ihrem fantastischen Abenteuer erfahren die drei, was wahre Freundschaft bedeutet und dass die eigene Vorstellungskraft Großes bewirken kann.

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