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Couch-Perle: Capital B - Wem gehört Berlin?

Ein Beitrag von Joachim Kurz

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Filmstill zu Capital B - Wem gehört Berlin? (2023) von Florian Opitz
Capital B - Wem gehört berlin? (2023) von Florian Opitz

Eine Stadtgeschichte Berlins in fünf Teilen, beginnend mit dem Fall der Mauer im Jahre 1989 bis in die Gegenwart — auf den ersten Blick liest sich die Beschreibung der Dokuserie Capital B — Wem gehört Berlin? zugegebenermaßen ein wenig spröde. Das allerdings erweist sich schnell als Fehlschluss. Schon nach wenigen Minuten der ersten Folge, die derzeit in der Mediathek von ARTE zu sehen ist, hängt man am Haken und würde alle Teile am liebsten durchbingen, was ja in der Tat möglich ist.

Dass Capital B solch einen Sog erzeugt, hat viele Gründe: Da ist zum einen der multiperspektivische Ansatz, der Geschichtsschreibung, Subkultur-Erkundung, Stadtentwicklung sowie Polit- und Wirtschaftskrimi mühelos unter einen Hut bringt. Diese facettenreiche Sichtweise findet ihren Widerhall in der beeindruckenden Anzahl an Interviewgäst*innen, die neben Eberhard Diepgen, Klaus Landowski, Renate Künast, Sandy Kaltenborn, Marion Brasch, Peter Fox, Klaus Wowereit, Kool Savas, Dimitri Hegemann, Thilo Sarrazin, Pamela Schobeß und Franziska Giffey noch viele weitere bekannte Gesichter umfasst. 

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Wer nun aber befürchtet, die Serie sei deshalb eine ermüdende Abfolge von talking heads, darf sich eines Besseren belehren lassen: Beginnend mit dem grandios geschnittenen Intro (überhaupt, die Montage von Annette Muff!) verfügen die fünf jeweils 52 Minuten langen Folgen über einen ausgeprägten Beat, der die Zeit wie im Flug vergehen lässt. Virtuos verbinden der Regisseur Florian Opitz (Speed — Auf der Suche nach der verlorenen Zeit; System Error) und seine Mitstreiter*innen die verschiedenen Perspektiven aus klug gewählten Interviewpassagen, sehenswertem Archivmaterial und neuen Stadtansichten zu einem Gesamtbild, das unterm Strich sehr ernüchternd ausfällt: Berlin nach dem Fall der Mauer wäre ein gigantischer Möglichkeitsraum gewesen, ein urbanes Experimentierfeld, das beispielgebend hätte sein können für die Entwicklung urbaner Metropolen. Stattdessen aber gewannen Gier und Größenwahn die Oberhand, was man heute noch exemplarisch an der gigantomanischen Bausünde des Potsdamer Platzes besichtigen kann.

Und so ist das vorherrschende Gefühl nach dem Schauen der fünf exzellenten Folgen weniger Nostalgie als vielmehr Unverständnis und Wut ob der ungenutzten Möglichkeiten und des Ausverkaufs einer Hauptstadt. 

Capital B — Wem gehört Berlin? ist in der Mediathek von Arte zu sehen, kann aber auch direkt bei YouTube angeschaut werden. Dringende Sehempfehlung!

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