zurück zur Übersicht
Streaming-Tipps

Streaming-Tipp des Tages: Barbara

Ein Beitrag von Sebastian Seidler

Einer der besten Filme über die DDR, durchzogen von Begehren, Träumen und enttäuschten Hoffnungen: Wo ist dein Ort, wenn du im Dazwischen festhängst?

Meinungen
Barbara

Sie hat einen Ausreiseantrag gestellt. Die Antwort: Die wird von Berlin in ein kleines Krankenhaus in der brandenburgischen Provinz versetzt. Barbara (Nina Hoss) weiß nun, dass sie unter Beobachtung steht. Von ihrer Sehnsucht nach der BRD will sie aber nicht ablassen. Ihr Freund aus dem Westen arbeitet weiter an einem Fluchtplan. Doch die Dinge werden kompliziert. Zwischen ihr und einem Kollegen (Ronald Zehrfeld) entwickeln sich Gefühle. Aber kann sie ihm trauen? Und dann ist da noch eine junge Frau, die auf Hilfe angewiesen ist; auch sie will die DDR verlassen.

In Barbara entfaltet der deutsche Regisseur Christian Petzold erneut all seine Kunst der genauen Beobachtung, ohne in plumpe Psychologisierungen zu verfallen. All seine Filme haben einen politischen Unterboden, doch niemals drängen sich einfach Erklärungen auf. Die Geschichte geht immer durch die Figuren hindurch. Oftmals werden die Filme der sogenannten Berliner Schule als verkopft beschrieben, dabei sind sie vielmehr konkret und räumlich. Emotionen spielen sich nicht an der Oberfläche der Bilder ab, sondern in den Tiefen der Beziehungen. Petzolds Filmen wohnt immer eine mysteriöse Kraft inne. Ob er nun von einem Coming-of-Age im Untergrund erzählt (Die innere Sicherheit) oder das Berlin um den Tiergarten herum als ein Ort der Gespenster und Drifter erzählt (Gespenster) – immer ist die Gegenwart von Fluchtlinien durchzogen, die eine Atmosphäre des Unheimlichen erzeugen. Woher kommen diese Menschen, von denen der Filmemacher erzählt? Die Geschichten beginnen immer in der Mitte und wir müssen als Zuschauer:Innen immer die fehlenden Informationen, das Davor und das letztlich Kommende ergänzen. Das macht Barbara zu einem der wichtigsten Filme über die DDR, weil es Petzold gelingt, einen Transitraum zu erzeugen. Die Ränder eines Staates verlaufen nicht an den Grenzen. Sie durchziehen alles, entstehen und vergehen in Momenten. Barbara steht im Dazwischen, ihre ganze Existenz ist schwebend konkret. Wer können wir sein, wenn wir an der Gabelung stehen? Und welcher Ort der Heimat kann entstehen, wenn die Ökonomie nicht nur aus harter Währung besteht, sondern wie in diesem Film auch aus Gesten, Liebe und Projektionen?

Barbara steht noch bis zum 30.10.2022 in der Arte-Mediathek.  

Meinungen