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Streaming-Tipps

Couch-Perle(n): Couples on the run

Vor 55 Jahren feierte das kriminelle Liebespaar „Bonnie und Clyde“ seine Premiere. Doch Warren Beatty und Faye Dunaway sind nicht das einzige Gangster-Duo der Filmgeschichte. Wir empfehlen unsere Favoriten.

Meinungen
Natural Born Killers

Natural Born Killers von Oliver Stone

Dieser Film ist die gesellschafts- und medienkritische Version von Bonnie und Clyde auf einer Überdosis Speed. Im Zentrum der Geschichte stehen Mickey Knox (Woody Harrelson) und seine Frau Mallory (Juliette Lewis), ein Killer-Pärchen auf Mördertour. Gejagt werden sie von dem ebenso psychopathischen Detective Scagnetti (Tom Sizemore), während über die Taten in einer reißerischen TV-Show berichtet wird. Das Pärchen wird zu einem Medienphänomen, das selbst im Gefängnis nicht mit den Morden aufhört. 

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Oliver Stone (JFK — Tatort Dallas) wollte mit diesem Film der amerikanischen Gesellschaft den Spiegel vorhalten und sie mit ihrer Gewaltfaszination konfrontieren. Natural Born Killers kippt in seinen Bildern ständig in eine Fernsehästhetik, schneidet Cartoons in die Szenen und lässt das Kennenlernen von Mickey und Mallory in einem Sitcom-Setting spielen, einschließlich völlig fehlplatzierter Lacher vom Band. Diese ästhetischen Brüche sollten die einfache Konsumierbarkeit stören, machen aus dem Film letztlich aber ein infernalisches Spektakel. Der Film avancierte aufgrund seiner Gewaltdarstellung schnell zum Skandalfilm, dem unter anderem vorgeworfen wurde, mehrere Morde inspiriert zu haben.

Den Film gibt es u.a. bei Amazon Prime Video zu leihen.

Sebastian Seidler

Badlands von Terrence Malick

Das Debüt des legendären Eigenbrötlers Terrence Malick (Tree of Life) ist eines der ganz großen Meisterwerke des amerikanischen Kinos. Der 25-jährige Kit (Martin Sheen) hält sich mit Gelegenheitsjobs, von denen er keinen lange behält, über Wasser. Da trifft er die verträumte 15-jährige Holly (Sissy Spacek). Beide verlieben sich unsterblich ineinander. Als die beiden gemeinsam durchbrennen wollen, kommt es zu einer Auseinandersetzung mit Hollys Vater, den Kit kurzerhand erschießt. Auf ihrer Flucht wird dies nicht der einzige Mord bleiben.

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Das Besondere an Malicks Film ist neben seiner poetischen Ruhe in den Bildern die oftmals völlig konträr zu den Filmbildern eingesetzte Erzählerstimme von Holly, die all die schrecklichen Taten von Kit wie als Teil einer Amour fou erscheinen lässt. Ein Stilmittel, dass sich durch die gesamte Karriere des Filmemachers zieht, bis die Filme mehr und mehr einem assoziativen Gedankenstrom (Knight of Cups, Song to Song) gleichen. Badlands aber bleibt im Grunde sehr klassisch. Wie klug Malick hier die konservativen Gespenster beschwört, die den so rebellischen Kit heimsuchen. Zwar brennt er das bürgerliche Haus nieder, jedoch nur, um dann später im Wald, wo sich das Paar versteckt hält, die Ehe nachzuspielen. Kit spielt den Gangster nur, so wie er gerne James Dean wäre. Das macht all die Morde in Badlands so tragisch: Sie sind die ernsthaften Folgen einer kindischen Inszenierung.  

Badlands gibt es bei Amazon Prime Video zu entleihen.

Sebastian Seidler

Blues Brothers von John Landis

106 Meilen bis Chicago, genug Benzin im Tank, ein halbes Päckchen Zigaretten, es ist dunkel, und die beiden tragen Sonnenbrillen — natürlich weiß man, um wen es geht. Die seltsame, wahnsinnig lustige und vor allem musikalisch großartige Odyssee von Jake von Elwood Blues (James Belushi und Dan Aykroyd) beginnt im Knast und endet auch da. Dazwischen liegt streng genommen eine einzige Verfolgungsfahrt mit der Polizei — wenn auch mit gelegentlichen Unterbrechungen.

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Dabei landen die beiden zu Anfang eigentlich nur wegen kleinerer Verstöße im Visier der Ordnungshüter (116 mal Falschparken? Die sollen sich mal nicht so haben…), doch der Zorn auf die Blues-Brüder zieht immer größere Kreise, die sich unter anderem auf eine Nazi-Partei und eine Country-Band ausweiten und die zwei immer in Bewegung halten. Und am Ende, da werden sie gefühlt vom ganzen Staat gejagt, in einer Verfolgungssequenz, die mit 103 zerstörten Fahrzeugen zumindest für zwei Jahre den Rekord hielt. Es ist in diesem Falle also die Staatsgewalt, die gewisse obsessive Züge aufweist…

Den Film gibt es u.a. bei Amazon Prime Video zu leihen.

Christian Neffe

The Living End von Gregg Araki

An Irresponsible Movie by Gregg Araki“ – mit dieser provokativen Einblendung beginnt die dritte Low-Budget-Regiearbeit des US-Autorenfilmers Gregg Araki, die ihn zu einem der bemerkenswertesten Vertretern des New Queer Cinema machen sollte. Der Film bewegt sich (n)irgendwo zwischen Roadmovie, Camp und Coming of Age; ein Großteil der Stilmittel, durch die sich auch Arakis großartige Teenage Apocalypse Trilogy (1993-1997) auszeichnet, findet sich bereits in The Living End aus dem Jahre 1992. Es gibt zornige junge Menschen („I blame society!“), zahllose popkulturelle Anspielungen, Sex, Gewalt – und eine Auseinandersetzung mit den Problemen und Bedrohungen, mit denen sich queere Menschen konfrontiert sehen und die hier bei aller Liebe zum Trash und zur Übertreibung ernst genommen werden.

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Allein die Tatsache, dass hier zwei queere, HIV-positive Männer im Zentrum stehen (noch ein Jahr bevor Hollywood das Thema 1993 mit Philadelphia in den Mainstream brachte), macht den Film zu einer Besonderheit. Die beiden Anti-Helden Luke (Mike Dytri) und Jon (Craig Gilmore) buhlen nicht um unsere Gunst, sie sind auf der Flucht und haben ihre zugewiesenen Rollen als Außenseiter längst angenommen. The Living End ist ein ziemlich wilder Ritt – und leider nicht als Stream zu finden. Eine Anschaffung auf DVD können wir indes nur empfehlen!

Andreas Köhnemann

Thelma & Louise von Ridley Scott

„Irgendetwas hat sich in mir verändert, und ich kann nicht mehr zurück“, erklärt Thelma, „ich meine, ich könnte einfach nicht mehr leben.“

Drehbuchidee: Zwei Frauen gehen auf Verbrechens-Tour. Callie Khouri arbeitete als Produktionsassistentin für eine Firma in Los Angeles, die Werbespots und Musikvideos drehte, als sie 1987 diese Notiz an sich selbst schrieb. Sie verlassen die Stadt, beide lassen ihre Jobs und Familien zurück. Aus Gründen töten sie einen Mann, rauben einen Laden aus und begeben sich auf eine Verfolgungsjagd mit der Polizei. Es war nur der Keim einer Idee und Khouri ahnte nicht, dass sie damit ein popkulturelles Phänomen hervorbringen würde. Zwei Frauen die Hauptrollen zu geben, die Hollywood eigentlich ausschließlich an Männer vergeben werden, hat sich zu diesem Zeitpunkt noch niemand getraut. Vier Jahre später führte Ridley Scott mit einem Multimillionen-Dollar-Budget Regie, mit Susan Sarandon und Geena Davis in den Hauptrollen.

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Das Drehbuch von Khouri bietet einen schonungslosen Blick auf die Institutionen, die Frauen im Stich lassen. Der Film beginnt damit, dass die beiden besten Freundinnen einen Roadtrip zu einer Fischerhütte planen, um der Tristesse ihres Lebens im verschlafenen Arkansas zu entfliehen. Als ein Mann versucht, Thelma zu vergewaltigen, ändert sich alles. Louise, eine Überlebende sexueller Übergriffe, drückt ab und tötet ihn. Es ist eine Entscheidung in Sekundenbruchteilen, die sie dazu zwingt, sich auf den Weg zu machen und nie wieder zurückzukehren.

Die beiden Frauen, die es gewohnt sind, ausgegrenzt und zum Schweigen gebracht zu werden, gehen nicht zur Polizei. Nicht weil sie Angst haben, dass man ihnen nicht glaubt, sondern weil sie wissen, dass ihnen niemand glauben wird. Dies ist eine Welt, in der das Wort eines Mannes mehr Gewicht hat als die Wahrheit einer Frau. 

Thelma & Luise gibt es u.a. bei Amazon Prime Video zu leihen.

Sophia Derda

Queen & Slim von Melina Matsoukas

Queen and Slim erzählt die Geschichte eines afroamerikanischen Paares, das nach einem Matching auf Tinder eine Nacht ausgeht. Gegen Ende ihrer Verabredung wird das Paar von einem Polizeibeamten zu einer Verkehrskontrolle angehalten. Die Spannungen zwischen dem Paar und dem zunehmend rassistischen Polizisten eskalieren, was zu einem Streit führt, bei dem der Polizist getötet wird und die Hauptfiguren fliehen müssen.

Daniel Kaluuya ist als Ernest „Slim“ Hines und Jodie Turner-Smith als Angela „Queen“ Johnson besetzt worden. Queen ist diejenige, die die Handlung zu Beginn des Films vorantreibt, als sie vorschlägt, gemeinsam so weit wie möglich zu fliehen. Sie weiß, dass die Folgen für die beiden verheerend sein würden. Der Plan steht und sie fahren zu ihrem Onkel Earl, der von Bokeem Woodbine gespielt wird. Er gibt er ihnen ein Auto, etwas Geld und die Adresse eines alten Freundes, der jemanden kennt, der ihnen ein Flugzeug zur Flucht nach Kuba leihen kann.

Queen und Slim sind keine Kriminellen, sie sind das genaue Gegenteil. Sie waren Verbrecher bevor es überhaupt eine Tat gab. Lena Waithe, die Drehbuchautorin, beschreibt den Film als Protestkunst und bezeichnet ihn als ihren Beitrag zur kulturellen Entwicklung, in einer Reihe mit Werken von James Baldwin, Zora Neale Hurston, Lorraine Hansberry und Toni Morrison.

„Ich glaube, für mich gibt es keine größere Waffe als meinen Laptop“, sagte sie. „Ich komme aus der Schule von Nina Simone, die sagt, dass es unsere Aufgabe als Künstler ist, die Zeit zu reflektieren. Und in diesem Sinne ist alles, was ein Schwarzer Mensch schreibt, politisch. Wie könnte es anders sein? Wann immer ich Schwarz und frei bin und die Dinge sage, die ich sagen will, ist das eine Form der Revolution.“

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Sophia Derda

Wolfwalkers von Tomm Moore und Ross Stewart

Wir geben zu: Um Gangster im eigentlichen Sinne handelt es sich bei den Protagonistinnen des Animationsfilms Wolfwalkers freilich nicht, aber dennoch um zwei junge Mädchen, denen von ihrer Gesellschaft ein Stigma angeheftet wurde, das sie zu Ausgestoßenen macht und zur Flucht in die Freiheit treibt. Im Irland des 17. Jahrhunderts trifft die aufgeweckte Robyn auf Mebh, die im Wald lebt, sich im Schlaf in einen Wolf verwandeln kann und als solcher Ziel des Hasses und der Gewalt der Menschen ist.

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Auch Robyn gehört zu diesem Menschenschlag, wird aber ebenfalls zur Wolfwandlerin und erkennt, wie falsch diese Vorurteile sind. Leider ist sie damit allein, und so werden beide Mädchen Ziel einer Hetzjagd, die sie durch den Wald führt. Die Geschichte ist absolut klassisch – das Überwinden von Ressentiments durch Annäherung und Freundschaft –, umso herausragender ist jedoch der visuelle Stil, den die Regisseure Tomm Moore und Ross Stewart wählen: handgezeichnete, farbenfrohe Formspielereien, die das ästhetische Auge beim bloßen Anblick dahinschmelzen lassen. Was für ein Versäumnis, dass dieser auf jeder Ebene großartig umgesetzte Filmschatz exklusiv im Katalog von Apple TV+ vergraben wurde!

Christian Neffe

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