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Die gruseligsten Filmhasen

Mein Name ist Hase und ich habe Böses im Sinn. Die Erzählung, dass fellige Freunde mit langen Ohren an Ostern Eier verstecken, kann für Kinder fantasieanregend sein. Im Kino für (junge) Erwachsene ist Hasenartiges dagegen oft in düsteren Funktionen in Erscheinung getreten. Wir untersuchen zu den Feiertagen einige unserer liebsten Auswüchse.

Meinungen
Die gruseligsten Hasen

Donnie Darko

In Richard Kellys versponnenem Kultfilm, von dem sich so mancher Teenager auf besondere Weise verstanden gefühlt hat, tritt ein Hase namens Frank als „unsichtbarer Freund“ der Titelfigur auf – womöglich nur das Abbild einer paranoiden Schizophrenie, womöglich aber auch eine Art spiritueller Ratgeber, der die Zukunft kennt. Der ambivalente Film lässt sich als Psychogramm, als Traumwanderung oder auch als Zeitreisegeschichte verstehen. Franks Look – menschengroß, mit metallischem, Totenkopf-artigem Gesicht – ist an den in den USA schon seit den Siebzigerjahren verbreiteten urbanen Mythos vom „Bunny Man“ angelehnt. Ein Serienmörder in einem Hasenkostüm soll sein Unwesen getrieben haben. Das zeigt, dass der Kontrast zwischen niedlichen und Horrorcharakteristiken schon lange fasziniert. Nicht umsonst hat auch die Chucky-Reihe Kinderpuppen zu Monstern gemacht, Gremlins die süßen Mogwais, Ghostbusters den Marshmallow-Mann und so weiter. Die Korruption von Unschuld im Schutze der Fiktion kann ein großes Vergnügen sein.

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Obwohl Frank im Laufe des Films seinen Kopf abnimmt und darunter James Duval zum Vorschein kommt, ist das verzerrte Hasengesicht ins popkulturelle Gedächtnis eingegangen. Erst letztes Jahr erschien eine Donnie-Darko- und vor allem Frank-inspirierte Modekollektion von Stardesigner Marc Jacobs, die ehemalige Emos der Zweitausenderjahre ebenso ansprechen dürfte wie die E-Girls und E-Boys der Gen Z. Ob er nun ein toter Teenager aus der Zukunft in einem Halloween-Kostüm ist, oder die Engel und Teufel über Donnie Darkos Schultern – Frank repräsentiert ein Außenseitertum. Mit einer der ikonischsten Dialogzeilen des Films stellt er grundsätzlich in Frage, was normal sei, und was anders: „Warum trägst du dieses dumme Hasenkostüm?“, fragt Donnie, worauf Frank antwortet: „Warum trägst du dieses dumme Menschenkostüm?“

Mathis Raabe

Rabbits / Inland Empire

Rabbits ist ursprünglich eine Kurzfilmreihe, die David Lynch auf seiner Website veröffentlichte. In seinem bis dato letzten Spielfilm Inland Empire sind Teile davon als intradiegetisches Fernsehprogramm zu sehen – und gen Ende des Films betritt Laura Derns Figur das Set der Serie, ein stark nach Studiobau aussehendes Wohnzimmer, dann allerdings nicht mehr von anthropomorphen Hasen bewohnt. Lynch selbst bezeichnet Rabbits als Sitcom. Tatsächlich setzt er darin Gelächter aus der Dose ein, das ohne offensichtliche Gags allerdings unwirklich und unheimlich wirkt, und scheint sich für die Heimeligkeit des Settings zu interessieren. Auch in Friends oder Cheers zentriert sich die Handlung schließlich auf einzelne, sicher wirkende Gemeinschaftsorte.

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Hasen zu vermenschlichen, ist besonders interessant, weil wir sie sowohl als Haus- als auch als Wildtiere kennen. Dagegen lassen die Eichhörnchen, die wir im Park sehen, sich selten bereitwillig füttern, und unsere domestizierten Katzen und Hunde könnten wiederum alleine nicht lange überleben. Wenn wir in Rabbits Menschen (unter anderem Naomi Watts) in Hasenkostümen sehen, über die wiederum Menschenkostüme gestreift sind, fühlt sich das also fremd und vertraut zugleich an. Von einer Couch im Vordergrund aus blicken die Figuren mutmaßlich auf einen Fernseher, der sich außerhalb des Bildfelds befindet. Die Schatten, die ihre Ohren an die Wand werfen, sehen dabei selbst wie Antennen aus. Und gerade wenn wir bereit sind, diese Szenerie als eine neue Normalität zu akzeptieren, die vielleicht genauso vertraut und heimelig werden kann wie die Wohnungen aus Friends oder die Kneipe aus Cheers, fangen die verdammten Hasen an, Dämonen zu beschwören.

Mathis Raabe

 Us/Wir

Aus dem Untergrund, der einem Kaninchenbau gleicht, drängen die Doppelgänger nach oben, um die Originale (?) zu ersetzen. Jordan Peeles beunruhigender Horrortrip Wir gehört zu den erschreckendsten und klügsten Horrorfilmen der Gegenwart: In der Geschichte um mysteriöse Duplikate reflektiert sich die Genese von gesellschaftlicher Ordnung. Auf welchen Gewalttaten basiert Gesellschaft? Was trennen wir alle von uns ab, schieben es in den Keller der eigenen Seele, wo es sich vermehrt und wie Schatten wuchert?

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Wenn Adelaide (Lupita Nyong’o) am Ende in dieses invertierte Wunderland ohne Alice hinabsteigt, sind dort überall die Kaninchen, Massen davon. Einerseits dienen sie den sogenannten Tethered als Nahrung, werden roh verspeist. Gleichzeitig spannt Peele damit einen mächtigen und unheimlichen Hintergrund auf: Dort unten, hinter den Spiegeln, wuchern nicht bloß die Neurosen, sondern der Wille zum Überleben, der sich zu einer tierischen Lawine auftürmt. In seiner Ambivalenz wird das Symbol der Kaninchen zu einem Bild für all die Gewalt, die sich unter dem Zarten versteckt: eingepfercht in Käfigen, für Tierversuche benutzt und dennoch glorifiziert und verniedlicht.

Es finden sich mehrere Äußerungen von Regisseur Peele über die Bedeutung der Hasen, wobei keine Äußerung das Rätsel wirklich löst. Ohnehin steht die Atmosphäre im Vordergrund. Interessant ist dennoch: Die Hasenohren erinnern den Filmemacher an eine Schere, die zum Mordinstrument wird. Hasen/Kaninchen bilden eine Kette und können sich selbst daraus befreien, die Nabelschnur durchtrennen. Brrrrrrr…

Sebastian Seidler

Rabbits aka Night of the Lepus

„Ladies and gentlemen, attention! There is a herd of killer rabbits headed this way and we desperately need your help!“ Warum diese aberwitzige Polizeidurchsage aus dem Horror-Trash Rabbits (auch bekannt unter seinem Originaltitel Night of the Lepus) nicht in sämtlichen Listen der besten Filmzitate aller Zeiten auftaucht, ist mir unbegreiflich. Im Jahre 1972, also eine knappe Dekade nach Alfred Hitchcocks Suspense-Meisterwerk Die Vögel und noch deutlich vor der Nature-Strikes-Back-Parodie Angriff der Killertomaten (1978), versuchte der Regisseur William F. Claxton, mutierte Hasen, die in Miniaturmodellen wüten, als schaurige Bedrohung zu verkaufen.

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Mit Janet Leigh (Psycho) und Stuart Whitman (Gebrandmarkt) sind zwei Oscar-nominierte Hollywoodstars mit an Bord – und auch DeForest Kelley aka Dr. Leonard „Pille“ McCoy aus dem Star-Trek-Universum tritt auf. Allzu sympathisch sind die Figuren in diesem Werk allerdings nicht, teilweise gar unfassbar töricht – weshalb wir als Zuschauer:innen letztlich eher „Team gefräßige Riesenhasen“ sind.

Andreas Köhnemann

Watership Down – Unten am Fluss

Wie viele Kinderseelen hat dieser Film eigentlich verstört? Watership Down ist ein Horrorfilm, der seinesgleichen sucht. Nicht, weil der Film es darauf anlegt, Genre zu sein. Vielmehr entsteht das Grauen aus einem Spannungsverhältnis: Die Macher wollten einen Realismus schaffen, der in dieser animierten Welt so unmittelbar brutal wirkt, dass man selbst als Erwachsener davon schockiert sein muss. Die niedlichen Hasen/Kaninchen, die zu blutrünstigen Bestien werden, gehören definitiv in diese Sammlung: Da wird mit einer Drastik jedwede Niedlichkeit hinfort gefegt, dass es den Osterhasen nur so zerfetzt.

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Die existenzielle Rohheit, mit der das Sterben und die unerbittlichen Kämpfe im Tierreich gezeigt werden, muss man erst einmal aushalten, gerade auch deshalb, weil der Film in einer eigenen Kosmologie spielt, die die Welt der Kaninchen/Hasen ordnet. Es gibt keine erschreckendere Hasenfigur, als das schwarze Kaninchen des Todes. Wie kam man 1978 auf die Idee, einen solchen Kinderfilm zu drehen?  

Sebastian Seidler   

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