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Gesichter des Kapitalismus

In „Dumb Money“ zockt sich ein Youtuber zu einem Vermögen und wir schauen in die Gesichter des Kapitalismus: Wie erzählen Filme von Wall Street, Hedgefonds und dem großen Geld?

Meinungen
Dumb Money / Die Glücksritter / Wall Street
Paul Dano, Eddie Murphy und Oliver Stone: drei Filmgesichter des Kapitalismus

Yuppie — Monster — Eiseskälte

Michael Douglas. Gibt es einen anderen Schauspieler, dessen Gesicht derart für die eiskalte Moral der Wall Street steht? Gordon Gekko, dieser schmierige, machtgeile Finanzhai aus Oliver Stones Wall Street ist der Beelzebub jener Finanzbranche, die uns heute so fremd erscheint, wenn man bedenkt, mit welcher Geschwindigkeit heute Deals über die Bühne gehen und Computer mit komplizierten Algorithmen agieren. Kann man sich den Kapitalismus überhaupt als eine Person vorstellen? Frisst er nicht all jene auf, die ihn verkörpern wollen?

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Wall Street kümmert sich nicht so sehr um die Funktionsweisen des Aktienmarktes. Vielmehr handelt er von Gier, von dem pochenden Willen, es zu schaffen. Diejenigen, die mit dem Geld handeln, werden selbst vom Reichtum angezogen. Einmal fragt Charlie Sheen im Film, wie viele Yachten jemand eigentlich besitzen möchte. Doch darum geht es nicht. Was Gordon Gekko antreibt, ist die Macht: Das süße Gefühl, wenn man seinen Kontrahenten ausgelöscht hat.

Mary Harrons Adaption von American Psycho ist wesentlich reduzierter als der Roman von Bret Easton Ellis. Zwar zeigt auch der Film ein paar der drastischen Morde des vollkommen durchgeknallten Patrick Bateman, der als erfolgreicher Broker eigentlich alles erreicht hat. Doch ist die Lebenswelt für diesen Menschen zu einem Code geworden, in dem alles letztlich austauschbar, weniger real geworden ist.

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Ob es wirklich zu all diesen Taten gekommen ist, löst der Film nicht vollständig auf. Womöglich ist kein einziger Tropfen Blut geflossen, war alles nur ein blutrünstiger Fiebertraum. Doch muss dem Schwinden des Realen entgegengewirkt werden: Die einzige Möglichkeit, die Bateman noch zu haben glaubt, ist der Mord – Visitenkarten und edles Schreibwerkzeug haben alle. Ein American Psycho aber sind sie nicht – oder etwa doch? Man kann sich durchaus Michael Douglas in diesem Film vorstellen, wie er als Gordon Gekko die Axt aus dem Schrank holt. Für die Entfremdung der Wall Street vom echten Leben auf der Straße bietet Mary Harrons Film die perfekte Eiseskälte.

Sebastian Seidler

Abgekoppelt im Datenstrom

Als Cosmopolis vor 11 Jahren erschienen ist, wusste die Kritik nicht wirklich viel damit anzufangen. Die meisten waren sich einig, dass der Roman von Don DeLillo ein Meisterwerk ist. Die Verfilmung aber sei misslungen. Dabei galt die Paarung David Cronenberg / Don DeLillo im Vorfeld als perfekt: zwei Meister der Reduktion, die eher chirurgische Untersuchungen vollziehen als emotionale Werke zu schaffen. Eine ergreifende Eiseskälte begleitete beide Künstler. Wieso also waren alle plötzlich so überrascht, dass die Verfilmung auch unterkühlt und distanziert geraten ist?

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Es gibt eigentlich bis heute kaum einen Film, der die entkörperliche Gewalt und die eigentümliche Raum-Zeit-Ordnung des hyperbeschleunigten Finanzkapitalismus besser in eine Form gegossen hat als Cosmopolis. Da sitzt der junge Milliardär und Asset Manager Eric Packer (Robert Pattinson) in seiner gepanzerten Stretchlimousine, die vollgestopft ist mit Bildschirmen, und lässt sich durch Manhattan zum Friseur schippern. Um ihn herum tobt eine antikapitalistische Demonstration und die Beerdigung eines berühmten Rappers verstopft die Straßen. Die Welt befindet sich in einem Zustand der Sklerose, während die Wert- und Geldströme weiter fließen.

Über diese wird im Film ständig geredet und philosophiert, ohne dass dies sich zu einem kohärenten Bild zusammenfügen würde. Im Gegenteil: Jeder Ansatz der Erklärung scheint selbst bloßer Content zu sein. Später wird der Attentäter, der Eric Packer um die Ecke bringen will, wirres Zeug sprechen. Dazwischen ein Satz, der wie eine Granate zündet: Er würde nur jemanden töten, der ohnehin bereits seit ein paar hundert Jahren tot sei. Die Abschaffung des Kapitalisten durch die Perfektionierung seiner Herrschaft. Die Distanz zu der haptischen Welt, zu dem, was das Leben bedeutet, ist in Cosmopolis ein unendlich gefüllter Abgrund geworden.

Sebastian Seidler

Das System beschummeln statt es zu stürzen

John Landis‘ Die Glücksritter (1983) war der Durchbruch als Schauspieler für Eddie Murphy und erinnert an Screwball-Komödien der Dreißiger- und Vierzigerjahre. Denn die besten Screwball-Komödien zeichnen sich durch eine satirische Ebene aus, nicht nur in Bezug auf die Tropen der Romantischen Komödie und die vermeintlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern, sondern oftmals auch in Bezug auf Klassenunterschiede der Figuren.

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Wie der Originaltitel Trading Places vermuten lässt, tauschen in Die Glücksritter zwei Figuren die gesellschaftlichen Rollen: Eddie Murphys Figur, die sich zuvor mit Betteln und Trickbetrug durchschlagen musste, und Dan Aykroyd als reicher Finanzunternehmer. Der Rollentausch wird von zwei noch reicheren Finanzunternehmern in die Wege geleitet, die die alte „Nature vs. Nurture“-Frage klären wollen und so abgehoben sind, dass sie kurzerhand mit anderer Menschen Leben soziale Experimente durchführen.

Die Glücksritter fällt in die Zeit der Reaganomics. Die Steuerpolitik des US-Präsidenten entlastete vor allem Spitzenverdienende und Unternehmen, wodurch die Schere zwischen Arm und Reich sich spreizte. Eddie Murphys glücklicher Aufstieg repräsentiert somit sicherlich den Traum vieler Menschen, die sich kaum noch der selben Gesellschaft zugehörig fühlten wie das Finanzmilieu. Auf die alte Frage, ob nun die Ausgangsposition oder das Engagement einer Person ausschlaggebend für ihre Erfolgschancen sei, gibt der Film eine sehr eindeutige Antwort. Murphys Figur wird durch den plötzlichen Reichtum in kürzester Zeit selbst zum Spießer, der sich sorgt, die Partygäste könnten seinen Teppich verunreinigen oder die Nachbarn stören. Gleichzeitig erledigt er den Wertpapierhandel mit links. Zu Beginn des Films wird auch gezeigt, dass die Annahme, jeder könne es schaffen, oftmals zu Rassismus führt.

Am Ende hat Die Glücksritter aber vor allem Spaß an der Umkehr der Ordnung. Das kann dem Publikum, das sich mit Murphys Figur identifiziert, kurzfristige Katharsis bieten, bleibt aber in seiner Logik beim Individualismus und stellt keine echten Fragen an das System. So müssen Murphy und Aykroyd die Strippenzieher am Ende mit ihren eigenen Waffen schlagen. Insiderhandel, also Börsengeschäfte, die nicht öffentlich bekanntes Wissen ausnutzen, wird in Agentenfilm-Manier inszeniert.

Im Jahr 2010 wurde auf den Film vor dem US-Kongress verwiesen, als über eben solchen Insiderhandel diskutiert wurde. Die Darstellung des Schummelns, das selbst den meisten Fans des Kapitalmarkts ein Dorn im Auge sein dürfte, ist dem Film wohl einigermaßen eindrücklich gelungen. Allein: Wenn man nicht schummeln darf, was bleibt dann außer stürzen?

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Leider scheint heutzutage, mit Fredric Jameson gesagt, das Ende der Welt wahrscheinlicher als das Ende des Kapitalismus. Daraus ergibt sich die große Freude am Schummeln, am Finden von Lücken und Fehlern im System, die nichts stürzen, die dem Finanzsektor aber zumindest kurzzeitig auf die Nerven gehen können. Und das hat Die Glücksritter dann auch mit Dumb Money gemeinsam. Der Höhenflug der GameStop-Aktie 2021 wurde vor allem deshalb von so vielen Menschen interessiert verfolgt, weil er von gut organisierten, aber fachlich wenig bewanderten Internetnutzern erreicht werden konnte. Die Panik an der Börse war groß: Ein US-Broker schränkte den Kauf der Aktie ein, was juristische Folgen hatte. Das zeigt, dass die Börse doch gerne unter sich wäre, kein Spielplatz auch für Normalbürger sein soll. Allein: Ist Mitspielen nicht das falsche Anliegen, wenn der Spielplatz eh marode ist? Ob die Verfilmung der Geschichte Dumb Money über den Spaß am Schummeln hinausgeht und tatsächlich Systemkritik übt, kann man jetzt im Kino prüfen.

Mathis Raabe

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