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Kolumnen

Über das Hauptstadtleben und urbane Bilder

Ein Beitrag von Andreas Köhnemann

Das Leben in der deutschen Hauptstadt – mal irrwitzig, mal düster-gefährlich, mal von bösem Humor durchzogen: Für Andreas Köhnemann das filmische Thema des Jahres, auch aus persönlichen Gründen.

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Axolotl Overkill von Helene Hegemann
Axolotl Overkill von Helene Hegemann

Prätentiöse Dialoge, emotionale Instabilität, zorniger Witz und absurd-unvermittelte Tierauftritte — Axolotl Overkill hatte fast alles, was ich (im Kino) liebe. Es gab jedoch noch einen weiteren Grund, weshalb es diesem Werk gelang, mich derart für sich einzunehmen: Es spielte in Berlin — in jener Stadt, in die ich in diesem Jahr gezogen bin.

Für Leute, die schon lange in Großstädten wie Berlin oder München leben oder gar in diesen aufgewachsen sind, ist es gewiss nichts Besonderes, ihre (Wahl-)Heimat auf der Leinwand abgebildet zu sehen. Ich habe bisher indes im Umkreis von Darmstadt sowie in Mainz und Mannheim gewohnt; da gehörte es zum Aufregendsten, einst die Bekannten meiner Großeltern im Bildhintergrund in der in Südhessen angesiedelten ZDF-Serie Diese Drombuschs zu erhaschen. Im Falle von Axolotl Overkill war es aber nicht nur die Tatsache, dass ich darin zahlreiche Orte wiedererkannte. Was mich so begeisterte, war vielmehr die Art und Weise, wie es Helene Hegemann in der Adaption ihres eigenen, umstrittenen Romans Axolotl Roadkill schaffte, das Wesen Berlins einzufangen — während sie das Porträt einer seltsam reifen und doch völlig haltlosen Jugendlichen entwarf und sehr klug von psychischen Problemen, von Familie und von schmerzhafter Zuneigung erzählte. Hegemanns Film bildete Berlin nicht nur ab — er durchdrang diese Stadt mit allem, was die Kinematografie hergibt, auf allen audiovisuellen Wegen, in urbanen Tableaus, in Klängen, Dialogzeilen, Blicken und Gesten, die mich in ihrer Radikalität nicht selten ziemlich irritierten.

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(Spot zu Axolotl Overkill)

 

Es gab natürlich noch weitere eindrückliche Berlin-Filme in diesem Jahr. Einem zunächst attraktiven Psychopathen am Kottbusser Tor zu begegnen und von diesem alsbald in dessen Wohnung gefangen gehalten zu werden, gehörte glücklicherweise nicht zu meinen bisherigen Erfahrungen in dieser Stadt; dank der intensiven Inszenierung von Cate Shortland und des großartigen Spiels von Teresa Palmer gab mir Berlin Syndrom allerdings tatsächlich eine Ahnung davon, wie sich dieses Horrorszenario anfühlen muss. Kritischer sehe ich das episodische Drama Einsamkeit und Sex und Mitleid, welches sich dem oftmals deprimierenden Dasein diverser Seelen in Berlin widmete. Mich schrecken schwarzhumorige Geschichten, die allzu rabiat und gnadenlos mit ihrem Personal umgehen, eher ab — und der Regisseur und Ko-Drehbuchautor Lars Montag ersparte einigen seiner Figuren wirklich nichts. Ein paar treffende Berlin-Momente hielt aber auch dieses Werk für mich bereit — etwa in der Darstellung der Wohn- und Berufssituation mancher Protagonist_innen.

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(Trailer zu Berlin Syndrom)

 

Die dokumentarische Arbeit Überleben in Neukölln von Rosa von Praunheim konnte ich leider noch nicht sehen; 2018 soll zudem die filmische Anthologie Berlin, I Love You anlaufen. Irgendwo zwischen den Polen, die in diesen Filmtiteln zum Ausdruck kommen — zwischen dem (nicht immer mit Bravour gemeisterten) Versuch, hier zurechtzukommen, und der völligen Hingabe, der Liebe, die ganz überraschend glücklich macht und doch immer droht, ins Unglück zu kippen -, bewegte sich mein (Kino-)Jahr 2017. Wenn es Ende 2018 ein Titel wie Banale Tage (den es wirklich gibt!) sein sollte, der mein Jahr zusammenfasst, hätte ich allerdings auch nichts dagegen.

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