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Keine Stunde Null

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

Im Sommer 1945 eröffneten die Amerikaner, Briten, Franzosen und Sowjets nach und nach wieder die Kinos in Deutschland. Die Zeit der NS-Propaganda hatte ein Ende. Aber was wurde stattdessen in den Filmtheatern gezeigt?

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"Große Freiheit Nr. 7" (1944) von Helmut Käutner
"Große Freiheit Nr. 7" (1944) von Helmut Käutner

Der amerikanische Sektor im Juni 1945. Zum ersten Mal seit Wochen öffnet das Kino in Erlangen. Ein Titel namens „Cowboy“ wurde angekündigt, das Haus mit seinen 400 Plätzen ist nahezu voll besetzt. Aber als der Raum sich verdunkelt und der Vorhang sich öffnet, flackern nahezu unerträgliche Bilder über die Leinwand. Die Zuschauer sind in eine Testvorführung geraten, gezeigt wird der Film „KZ“, kurz zuvor bei der Befreiung des Lagers Bergen-Belsen gedrehte Aufnahmen. Während der Film läuft, sind die Augen der amerikanischen Vorführer auf das Publikum gerichtet. Man verzeichnet kollektives Schaudern im Saal, als die Frau des Lagerkommandanten erwähnt wird, die sich Lampenschirme aus tätowierter menschlicher Haut machen ließ. Nach dem Film werden Fragebögen an die Zuschauer ausgeteilt. Die Leute halten sich zurück, wollen sich lieber nicht äußern. Einige bleiben sitzen, es könnte ja sein, dass doch noch „Cowboy“ gezeigt wird. Nur die Jugendlichen wollen das Gesehene nicht wahrhaben, eine 16-Jährige wirft den Interviewern an den Kopf: „Für die nächste Propaganda-Aufführung … nehmt Dr. Goebbels als Berater.“

Der 8. Mai 1945 ist als Tag der Befreiung in die Geschichte eingegangen, die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht trat in Kraft, der Zweite Weltkrieg war beendet. Die Filmindustrie lag zu diesem Zeitpunkt in Deutschland brach – Bomben hatten Produktion, Vorführungen und Kopientransport praktisch unmöglich gemacht. Nun verboten die Alliierten sämtliche deutsche Filmaktivitäten, Bürgermeister mussten die Filmkopien ihrer städtischen Kinos an die amerikanische Information Control Division (ICD) und ihre französischen, britischen, sowjetischen Äquivalente aushändigen.

Zum Kino 1945 in Deutschland gibt es trotzdem jede Menge Zahlen und Angaben und nicht wenige davon widersprechen sich. So heißt es an einer Stelle, die Briten hätten ihre Kinos am 29. Juli 1945 als Erste wiedereröffnet. Andere schreiben von Filmvorführungen in der sowjetischen Zone schon ab dem Mai. Die Amerikaner hätten im späten Juli den Betrieb einzelner Kinos wieder aufgenommen, bis Jahresende habe es in ihrer Zone bereits wieder 730 Kinos gegeben. Nur: im zweiten Band des Deutschen Spielfilmalmanachs von Dr. Alfred Bauer passen sämtliche deutschsprachigen Filme des Jahres 1946 auf nur 5 Seiten, einschließlich Schweizer Produktionen. Zum Vergleich: für das Jahr 1949 sind es bereits wieder 53 Seiten, Tendenz rapide steigend. Was also wurde ab Mai 1945 in den Kinos gezeigt? Man konnte ja kaum Kolberg aufführen.

 

Konfrontation im Kinosaal

Die Alliierten sprachen dem Kino während und nach dem Zweiten Weltkrieg eine große Bedeutung zu. Schon während der Befreiung der ersten Lager hatte man die dortigen Zustände mit der Kamera dokumentiert – als Beweismittel in den späteren Prozessen, aber auch um die Moral der Kämpfenden aufrechtzuerhalten. Daheim in den USA waren diese Bilder auf riesige Publikumsresonanz gestoßen, hatten Erschütterung und Aggressionen auf die Deutschen ausgelöst. Nun erhoffte man sich auch vor Ort einen erzieherischen Effekt, wollte das deutsche Volk im Dunkel des Kinosaals mit seinen Taten konfrontieren. Der erste sogenannte Atrocity-Film, der in Deutschland aufgeführt wurde, war die polnisch-sowjetische Koproduktion Majdanek — Friedhof Europas von Aleksander Ford. Es folgten Billy Wilders Die Todesmühlen (USA 1945), Moscow Strikes Back (UdSSR 1942), der 1943 mit dem Oscar für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde, Auschwitz (UdSSR 1945) und Die Folterkammern der Nazis (F 1945).

Es waren Filme, die zumeist das deutsche Volk kollektiv beschuldigten, nur vereinzelt die Namen der Lagerkommandanten nannten und meist auch verschwiegen, dass es sich bei den Opfern vornehmlich um Juden handelte. In der amerikanischen Zone wurde der Besuch dieser Filme zur Pflicht erhoben, Deutsche mussten ihre Rationskarten in den Kinos abstempeln lassen, Sondervorstellungen mit Vorträgen Überlebender sollten zusätzlich Eindruck hinterlassen. Jedoch hatten die Atrocity-Filme in den Spätsommermonaten des Jahres 1945 bereits ihren Nachrichtenwert verloren, der einkalkulierte Schock blieb aus. Das Publikum ertrug die Filme meist schweigend, vereinzelt murmelten die Leute von Propaganda, derer sie seit den letzten Kriegstagen besonders überdrüssig waren. Die Besucherzahlen in den Kinos gingen kontinuierlich zurück. Aber die kalten Wintermonate nahten heran, Essen und Kohle waren knapp und der Kinobesuch das einzige erschwingliche Vergnügen: eine Eintrittskarte kostete rund 1 RM, ein Stück Butter auf dem Schwarzmarkt bis zu 250 RM. Die Amerikaner wollten die Kinos deshalb unter allen Umständen offenhalten. Nicht zuletzt zirkulierte unter ihnen das Sprichwort: „A bored German is a dangerous German.“

Also wurden zunehmend auch Kriegsdokumentationen gezeigt, die man ursprünglich für die eigene Bevölkerung gedreht hatte. Sie verlagerten den Krieg auf die Leinwand, demonstrierten die militärische Überlegenheit der Alliierten, die sich aus anfänglicher Unterlegenheit entwickelt hatte. In Stalingrad (1945), Siegesfahnen über Berlin (1945), Mai-Parade (1945) oder Berlin (1945, Gewinner des Dokumentarfilmpreises in Cannes 1946) stellen die Sowjets ihre Rote Armee als diszipliniert und modern ausgestattet dar. Die Amerikaner inszenieren sich in Filmen wie Frank Capras Angriff oder Kampf um England (ein Teil der Why-We-Fight-Reihe) lieber als Helden wider Willen. Niemand von ihnen wolle in den Krieg ziehen, der Job müsse eben erledigt werden.

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The Autobiography of a Jeep

 

Die Dokureihe Projections of America soll hingegen ein idealisiertes Bild des Alltags in den USA zeigen, den American way of life portraitieren. In einer Episode führt Ingrid Bergman durch ihre Wohnung, in The Town stellen sich die Bewohner einer Kleinstadt vor, in der jeder seinen Platz hat und niemand nach Höherem strebt. Besonderer Beliebtheit unter jüngeren Zuschauern erfreut sich The Autobiography of a Jeep, in dem ein amerikanisches Militärfahrzeug von seiner Konstruktion erzählt. Die Sowjets heben in Dokumentarfilmen lieber ihre Hochkultur hervor, zeigen Portraits wie Tschaikowski (1945) oder inszenieren sich in Sportparade in Moskau (1945) als Vielvölkerstaat.

Die dokumentarischen Kurzfilme werden häufig als Begleitprogramm zu den Wochenschauen eingesetzt: Welt im Film, Nowosti Dnja, Les actualités françaises oder Der Augenzeuge geben sich zuerst einen aufklärerischen Anspruch, berichten von Plünderungen, von der Exekution deutscher Spione. Doch bald schon weichen diese Berichte Bildern vom Wiederaufbau, Reportagen aus aller Welt, schon Ende 1945 geht es wieder um Sport und Wetter.

 

Unterhalten und erziehen

Nichtsdestotrotz: die mit Dokumentarfilmen bespielten Berliner Kinos verzeichnen einen Besucherrückgang um 40%, vor allem die Nachfrage nach amerikanischen Unterhaltungsfilmen nimmt zu. Wenn sie in der Gunst des deutschen Publikums nicht abfallen wollen, müssen die Westalliierten ein Spielfilmprogramm zusammenstellen, denn zu ihrem Entsetzen zeigen die Sowjets schon seit Mai wieder Unterhaltungsfilme. Es sind vor allem Produktionen, die daheim in den 1930er Jahren ein Massenpublikum erreichten, Kolchose-Lustspiele und Komödien wie Die reiche Braut (1938) oder Wolga, Wolga (1938), Abenteuerfilme und Biopics. Der Filmauswahl ist durchaus auch eine erzieherische Absicht anzumerken: Professor Mamlock (1938) thematisiert den beginnenden Antisemitismus am Beispiel der Geschichte eines jüdischen Chirurgen und Revolutionsfilme wie Lenin 1918 (1939), Auf der Wiborger Seite (1939) und Tschapajew (1934) machen das Publikum mit sowjetischen Werten vertraut.

Wenn Kriegsfilme gezeigt werden, dann nur von der Heimatfront und meist aus weiblicher Perspektive, denn darauf lassen sich die Deutschen eher ein. So wird zum Beispiel das Melodrama Warte auf mich (1943) über eine Dreiecksbeziehung zwischen einer Journalistin und zwei Piloten in Nachkriegsdeutschland zu einem Publikumserfolg. Zum Teil zeigen die Sowjets auch amerikanische Filme ohne Genehmigung. Der Revuefilm Adoptiertes Glück (Sun Valley Serenade, 1941) ist darunter, die bezaubernde Geschichte einer jungen Norwegerin, die als Flüchtling von einem Amerikaner aufgenommen wird und ihn mit ihrem Wintersporttalent bezirzt. Die wahren Sensationen des Films sind die Orchesterstücke von Glenn Miller und seiner Big Band.

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Adoptiertes Glück

 

Da konnten die Franzosen nicht mithalten, die später im Jahr ein 18 Spielfilme umfassendes Programm in die Kinos brachten. Davon waren 8 Filme unter deutscher Besatzung entstanden, eine Kommission schnitt vor der Projektion alle deutschen Namen aus dem Vorspann. Insgesamt ging es den Franzosen vor allem darum, kulturelles Prestige zu zementieren: Die Satansboten von 1942 verlegte beispielsweise einen kritischen Subtext ins Mittelalter, ähnlich wie Der Oberst des Kaisers (1942). Aber die französischen Filme kamen beim deutschen Publikum nicht recht an, vor dem Krieg seien sie besser gewesen, befand man.

Ähnliche Anlaufschwierigkeiten hatten die Briten, deren Produktion während der Kriegsjahre ohnehin stark eingeschränkt war. Man wählte Filme aus, die als anspruchsvoll galten, Kunstfilme wie Rembrandt (1936) oder Gaslicht und Schatten (1944), ernsthafte Kriegsdramen wie San Demetrio (1943) oder einen als Komödie getarnten Problemfilm namens Kipps (1941). Überhaupt hatten die Spielfilme aus allen Sektoren eine Gemeinsamkeit: sie wurden ausgewählt, um die von den Nazis diskreditierten Kulturen wieder aufzuwerten. Biopics und Literaturverfilmungen erschienen den Alliierten dafür besonders geeignet. Die Filme sollten einen Vorbildcharakter haben, einen moralischen Touch und universelle Werte vermitteln.

 

Die Militärregierung vs. Hollywood

Am umfassendsten dokumentiert ist die Lage im amerikanischen Sektor. Sie ist geprägt von ständigen Konflikten, denn die Agenda der Kulturoffiziere in Berlin unterscheidet sich signifikant von jener aus Hollywood. Das Militär will den Markt für eigene Produktionen zwar offenhalten, aber eben auch eine dezentralisierte deutsche Filmindustrie aufbauen. Die Verleiher, denen der europäische Markt während der Errichtung des faschistischen Regimes zusammengebrochen war, wittern hingegen ihre große Chance. Der neue Markt soll nicht nur erschlossen, sondern auch gemolken werden und so schickt Hollywood nicht etwa die großen antifaschistischen Klassiker wie Casablanca über den großen Teich, sondern alte Filme, die noch nicht in Deutschland ausgewertet wurden. Die Kulturoffiziere wählen streng paritätisch jeweils 2 Filme der großen Studios aus und die Armee sorgt für die Instandsetzung der Kinos und den Kopientransport.

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Radiohörspiel: Die ewige Eva — November 1944

 

Die Effektivität der erzieherischen Botschaft sehen die Amerikaner direkt an den Unterhaltungsfaktor geknüpft und so gibt es auch in ihrem Sektor Biopics zu sehen, die das ureigene amerikanische Streben nach Glück darstellen: Der junge Thomas Edison (1940), Madame Curie (1943), Paul Ehrlich — Ein Leben für die Forschung (1940). Besonders gut laufen auch hier Musicals oder Filme wie die Screwballkomödie Die ewige Eva (1941), denn durch das körperliche Spiel verliert die Sprachbarriere an Höhe. Während die Sowjets seit Kriegsende viel Aufwand in die deutsche Synchronisierung ihrer Spielfilme stecken, gibt es bei den Westalliierten höchstens schlechte Untertitel. Meist steht ein Nacherzähler im Saal, der in regelmäßigen Abständen den Film anhält und die wichtigsten Entwicklungen der Handlung wiedergibt. Als später im Jahr die vertonte Fassung von Charlie Chaplins Goldrausch vorgeführt wird, stellen sich die Leute schon mittags an, um einen Platz in der 17-Uhr-Vorstellung zu ergattern.

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Goldrausch

 

Andere Filme werden vorzeitig wieder aus den Kinos zurückgenommen. So löst beispielsweise der Kriegsfilm Action in the North Atlantic (1943), in dem ein deutscher U-Boot-Offizier ein Rettungsboot mit alliierten Seemännern zurücklässt, Tumulte unter Zuschauern in Bayern und Bremen aus. In Hold Back the Dawn (1941) wird Flüchtlingen die Einreise in die USA verweigert, das lasse das Einwandererland unfreundlich erscheinen, urteilen die Kulturoffiziere. Von Prestigefilmen wie The Grapes Of Wrath oder Vom Winde verweht sieht man gleich ganz ab, denn auch sie könnten die Vereinigten Staaten in ein schlechtes Licht rücken: immer wieder ist in den entsprechenden Berichten der Kulturoffiziere von „Negro incidents“ zu lesen. Hollywood reagiert besonders empfindlich auf das unsichere Vorrücken auf dem deutschen Markt. So titelt Variety: „Screwy Choice of Pix for OSeas Paints U.S. as Race of Gangsters, Jitterbugs“.

 

Kino-Heimweh

Anhand damaliger deutscher Presseberichte entsteht schnell der Eindruck, das Publikum habe sich wie ausgehungert auf jeden verfügbaren Film gestürzt. Tatsächlich geht es bald wieder kritisch mit den Filmen ins Gericht, entwickelt zunehmend Kino-Heimweh. Einigen Umfragen der amerikanischen Militärregierung nur wenige Wochen nach Kriegsende zufolge wollten 94 % der Kinobesucher am liebsten wieder die alten deutschen Filme sehen, 4 % der Befragten hielten die Filme der NS-Zeit für weniger propagandalastig als die US-Filme. Die Alliierten reagieren auch darauf, zeigen die Liebes- und Familiendramen, Heimatfilme und Komödien der Kriegs- und Vorkriegsproduktion. Ein glücklicher Mensch von Paul Verhoeven, Kurt Hoffmanns Ich vertraue dir meine Frau an und Quax, der Bruchpilot. Ein Walzer mit dir von Hubert Marischka, Der grüne Kaiser von Gaza von Cziffra.

Nach und nach können auch die sogenannten Überlauferfilme ihre Deutschlandpremieren nachholen, Filme, deren Produktion während der NS-Zeit begann, die jedoch nicht mehr fertiggestellt werden konnten oder deren Uraufführungen vom Regime verhindert wurden. So zum Beispiel Josef von Bakys Via Mala, den die Nazis seines düsteren Charakters wegen nicht mochten. Obwohl bereits 1943 gedreht, musste die Mischung aus Heimatfilm und Kriminaldrama 1944 mit einem neuen Schluss versehen werden und wurde im März 1945 schließlich ganz zurückgestellt. Ähnlich ging es Helmut Käutners Hamburgfilm Große Freiheit Nr. 7, der in Deutschland nicht aufgeführt und nur ins Ausland exportiert werden durfte. Die deutsche Erstaufführung fand schließlich im September 1945 in der Filmbühne Wien am Berliner Kurfürstendamm statt.

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Die große Freiheit Nr. 7

 

Schließlich beginnt die sogenannte Lizenzphase. Deutsche Regisseure, die vorübergehend ans Theater gegangen waren oder in der Truppenbetreuung gearbeitet hatten, erhielten nach und nach die Erlaubnis, wieder Filme zu drehen. Auch hier fielen die Sowjets als Vorreiter auf. Nicht nur gaben sie Wolfgang Staudte die Erlaubnis, den ersten deutschen Trümmerfilm Die Mörder sind unter uns ab März 1946 zu drehen, sie versuchten auch andere Regietalente aus dem Westen zu locken, versprachen einen Drehbeginn innerhalb von nur 10 Tagen nach Vorlage des Manuskripts und lockten mit Geldprämien, Nahrungsmittelversorgung und Zigaretten. Die Amerikaner sahen sich also einmal mehr in Zugzwang und beschleunigten ihre Prozeduren zur Entnazifizierung, verließen sich meist auf Befragungen (im Nachhinein betrachtet keine sonderlich effektive Methode). Die erste amerikanische Lizenz ging schließlich an Josef von Baky, die erste Britische an Helmut Käutner, die Französische an Artur Brauners CCC-Film.

Ist von den Anfängen des deutschen Nachkriegskinos die Rede, fällt oft das Schlagwort von der Stunde Null. Bei genauerem Hinsehen hat es eine Stunde Null nie gegeben. Filme und Regisseure der Vorkriegs- und Kriegszeit – ob mit fragwürdiger Vergangenheit oder nicht – wurden höchstens vorübergehend aus dem Verkehr gezogen, sie prägen bis heute entscheidende Teile der deutschen Filmgeschichte. Aus den Köpfen der Kinogänger waren ihre Stars und ihre Geschichten nicht einfach auszulöschen. Nach Jahrzehnten der Schmähung als „Papas Kino“ werden die Filme der Kriegs- und Nachkriegszeit gerade wiederentdeckt. Glücklicherweise, denn sie sind reich an Stilrichtungen, an Experimenten und Subversion. Helmut Käutner selbst schrieb den Text der deutschen Version zu La Paloma, den Hans Albers in Große Freiheit Nr. 7 singt. Großadmiral Dönitz beschrieb ihn in seinem Bericht an Goebbels als „wehrkraftzersetzend“:

Auf Matrosen ohé!

Einmal muss es vorbei sein,

Einmal holt uns die See.

Und das Meer gibt keinen

Von uns zurück.

Seemanns Braut ist die See

Und nur ihr kann er treu sein,

Wenn der Sturmwind sein Lied singt,

Dann winkt mir

Der großen Freiheit Glück.

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