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Kinozeit auf kino-zeit – Teil 1: Das "w o l f" in Neukölln

Ein Beitrag von Andreas Köhnemann

Man blickt gebannt auf eine große Leinwand, sitzt gemütlich in einem Polstersessel, atmet den wohligen Duft von Popcorn ein und gibt sich dem kollektiven Filmgenuss hin: Für jede Cineastin und jeden Cineasten – aber auch für zahlreiche Leute, die einfach ein bisschen Zerstreuung suchen – ist das Kinoerlebnis nach wie vor ein unverzichtbarer Teil des Lebens.

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Und doch merkt Verena von Stackelberg im Interview mit kino-zeit.de-Autorin Beatrice Behn durchaus zu Recht an: „Kino an sich ist heutzutage nicht mehr genug.“ Um sich als Spielstätte neben den vielfältigen Home-Cinema-Angeboten auf lange Sicht behaupten zu können, bedarf es noch anderer Komponenten.

Das derzeit entstehende Kinoprojekt „w o l f“ in Neukölln soll deshalb kein klassisches Kiez-Kino werden, sondern ein Ort „voll wilder Ideen und tierischen Muts“, wie es in der Pressemitteilung vielversprechend heißt. Verena von Stackelberg, die Gründerin des Projekts, ist seit 1998 im Kino-, Filmverleih- und Filmfestivalbereich tätig und realisiert hiermit ihren Traum von einer innovativen und integrativen Stätte. Auf die naheliegende Frage, warum sie gerade in diesen Zeiten ein Kino eröffnet, entgegnet von Stackelberg, man könne Filme durch die Digitalisierung inzwischen wesentlich flexibler zeigen – und sie glaube, „dass es jetzt an der Zeit ist, mit dieser Flexibilität mehr zu arbeiten.“

Das 360 Quadratmeter umfassende „w o l f“-Gebäude in der Weserstraße war einst ein Bordell. Nun soll es darin neben einer Café-Bar und zwei Filmvorführsälen (mit je 50 Sitzen) einen flexibel nutzbaren Raum (mit 40 Plätzen) geben – für Workshops, Talks und Events sowie als Galerie für Medienkunst. Denn seit Langem befassen sich Künstler_innen noch in ganz anderer Form mit bewegten Bildern – was in Lichtspielhäusern bisher allerdings kaum sichtbar ist. Im „w o l f“ sollen Bewegtbild-Installationen ihren Platz finden. Darüber hinaus will von Stackelberg mit ihrem Team näher „am Puls von Filmen“ sein: Das Zeigen und das Machen von Filmen soll unter einem Dach stattfinden. Hierzu sind mietbare Produktionsräume vorgesehen, in denen Filmemacherinnen und Filmemachern sowie Nachwuchstalenten zum Beispiel der Schnitt und die Farbkorrektur ihrer Werke ermöglicht werden soll. Ein lebhafter Austausch wird angestrebt, der letztlich dazu führen soll, dass die Kreativen, mit denen das „w o l f“-Team zusammenarbeitet, ihre Schöpfungen auch vor Ort präsentieren. Von Stackelberg könnte sich auch vorstellen, dass das „w o l f“ als Filmproduzent auftritt.

Das Programm in den beiden Vorführsälen soll nicht nur Filmwissenschaftler_innen und -kritiker_innen ansprechen. Neben kleinen Festivalfilmen, die durch Mundpropaganda möglichst viele Zuschauer_innen erreichen sollen, sowie Werken befreundeter Filmemacher_innen, will von Stackelberg beispielsweise auch Filme zeigen, die ein jugendliches Komitee aus der Nachbarschaft auswählen soll – egal, ob es sich dabei dann um ein Youtube-Movie oder einen Blockbuster handeln mag. Die Teenager sollen am Prozess der Buchung, des Marketings und der Publikumsarbeit beteiligt werden und das auserkorene Werk selbst vorstellen.

Von Stackelberg wünscht sich einen sozialen Ort, der sowohl Nachbarschaftstreffpunkt als auch Diskussionsforum und Produktionsstätte ist. Eine Einbeziehung von Onlinemedien schließt sie hierbei aber keineswegs aus: Ihr schwebt – als Ergänzung – ein Online-Kino mit personalisiertem Service vor.

In seinem derzeitigen Vorbauzustand wird das „w o l f“ bereits als Veranstaltungsort genutzt. Die bisherigen Diskussionsrunden und Partys erfuhren großen Zuspruch. Um den Ausbau des Gebäudes finanzieren zu können, haben sich von Stackelberg und ihr Team mit der Crowdfunding-Plattform KissKissBankBank vereint. Seit dem 08. Februar und noch bis zum 08. April 2015 werden unter dem Motto „Werdet ein Wolfgänger!“ beziehungsweise „Join the Wolfgang!“ Spenden gesammelt. Wer mitmachen möchte, kann sich hier über die Details informieren.

Auch beim Ausbau soll das Potenzial des Umfeldes genutzt werden. So könnte schon bald in nachbarschaftlicher Zusammenarbeit ein Ort entstehen, „in dem Spaß und Leidenschaft für Film im Rudel geteilt werden und sich neue kreative Perspektiven erschließen.“ Das hört sich verheißungsvoll an!

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