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Jahresrückblick - Filmische Trüffel: Corpus Christi

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

2020 nähert sich seinem Ende. Man möchte sagen: zum Glück. Für niemanden, auch nicht für Kinofreunde, war es ein leichtes Jahr. Wir lassen es dennoch aus cineastischer Sicht Revue passieren. Heute mit Jan Komasas Corpus Christi.

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Bild zu Corpus Christi von Jan Komasa
Corpus Christi von Jan Komasa - Filmbild 1

Kinoschließungen und -startverschiebungen, kurzfristige Veröffentlichungen auf DVD und Streaming-Plattformen — das ein oder andere filmische Highlight konnte da schon mal etwas untergehen. In unserem Jahresrückblick 2020 heben wir deshalb unter anderem filmische Highlights hervor, die man leicht hätte verpassen können. Heute mit Jan Komasas Corpus Christi.

Wer gelegentlich den Blick zu unseren polnischen Nachbarn hinüber wirft, der konnte wohl schon 2019 einen ganz bestimmten Film kaum übersehen: Corpus Christi räumte dort einfach alles ab. So ziemlich jeden Hauptpreis auf dem Polnischen Filmfestival in Gdynia und dann bei den Polnischen Filmpreisen 2020, dazu kamen Nominierungen für den Europäischen Filmpreis, für den Oscar und vieles mehr. 

Im September diesen Jahres schaffte es das Drama des Regisseurs Jan Komasa (Warschau 44) dann auch endlich in die deutschen Kinos. Erzählt wird die Geschichte des 20-jährigen Daniel (Bartosz Bielenia), der in der Jugendstrafanstalt eine spirituelle Wandlung durchmacht. Zum katholischen Glauben bekehrt setzt er alles daran Priester zu werden, doch seine Strafakte verhindert diesen Plan. In einer fremden Stadt, in die er eigentlich als Zimmermann versetzt wird, gibt er sich daher als Pfarrer aus und scheint für die priesterlose Gemeinde, die nach einer Tragödie noch unter Schock steht, genau der richtige frische Wind zu sein.

Corpus Christi lebt zu einem großen Teil von der fesselnden Intensität seines Hauptdarstellers, der den Daniel als durch und durch ambivalente Figur spielt: Er mag ein Herz aus Gold besitzen und es gut meinen — doch wenn er seinen neuen Status als Pfarrer vor dem Auffliegen bewahren will, kommt in ihm der Gauner wieder durch, der ihn immerhin auch in den Jugendknast gebracht hat. So sehr, wie er mit seinen radikalen Ansichten polarisiert, ist Daniel der ideale Fixpunkt, um nicht nur von seiner eigenen Entwicklung zu erzählen, sondern auch von der Gesellschaft um ihn herum, die einerseits nach Seelsorge ächzt und andererseits ihre eigenen finsteren Abgründe verbirgt.

Unser Kritiker fasst atemlos zusammen: „Konfrontiert mit seinem früheren Leben, fällt Daniel in die Muster von Gewalt und Zügellosigkeit zurück. Die Erlösung, die er anderen vermitteln wollte, bleibt ihm selbst verwehrt. Und vielleicht liegt darin die eigentliche Schonungslosigkeit von Jan Komasas Film: Dass so etwas wie Erlösung und die Gnade Gottes dann eben doch vor allem eine Illusion ist, auf die man nicht bauen sollte. In Zeiten wie diesen und in einem Land wie Polen ist das schon fast ein Affront.“

Derzeit ist Corpus Christi noch nicht zum Streamen verfügbar. Aber wir brauchen ja auch noch etwas, worauf wir uns 2021 freuen können. Vormerken nicht vergessen!

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