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Jahresrückblick

Im Bad mit Nicolas Cage

Ein Beitrag von Rochus Wolff

Der Giallo lässt schön grüßen. Rochus Wolff hat sich in diesem Jahr von der ungebremsten, drogeninduzierten Grausamkeit von Panos Cosmatos‘ Mandy gefangen nehmen lassen.

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Mandy - Bild
Mandy - Bild

Für einen Moment scheint der Film innezuhalten, zur Ruhe zu kommen. Gerade erst war Panos Cosmatos‘ Mandy gekippt: Zuerst ein leichtfüßiger Trip durch die frühen 1980er Jahre, eine unwirklich bezaubernde Liebesgeschichte zwischen einem durch die Leinwand förmlich nach Erde riechenden Forstarbeiter und einer Künstlerin, die immer wirkt, als schwebe sie leicht über dem Boden.

Dann brach in das Idyll ungebremste, drogeninduzierte Grausamkeit ein. Was nach dieser Szene kommen wird: ein Ritt in die Hölle. Vielleicht die Geburt des Antichristen aus dem Geist des rechtschaffenen Zorns, vielleicht die Rückkehr des unironischen Horrorfilms als Wiedergeburt in Zitaten: Endzeitfiguren, degenerierte Provinzler, unmögliche Monstren im Gegenlicht. Bis hin zum Schwertkampf mit Kettensägen, unten im alten Steinbruch. Das alles zum betörenden letzten Soundtrack von Jóhann Jóhannsson.

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Aber davon weiß man jetzt noch nichts. Die Ruhe ergibt sich aus dem Kontrast zu den gerade gesehenen Gewalttaten; sie liegt in der für diese Momente völlig statischen Kamera und in den Farben. Leuchtet die Leinwand sonst in klaren Primärfarben – Gelb, Blau und Rot, der Giallo lässt auch schön grüßen – so sind es hier auf einmal ruhige Erdtöne: Braun, Orange, ein gedecktes Grün. Die Kamera erfasst den ganzen Raum, die Wände, Boden und Decke sind auch die Grenzen des Bildes: Ein Badezimmer, typisch für die 1970er/1980er, dunkle Holzmöbel, Blumenkacheln, flauschiger Teppichboden. Oben, auf dem Schrank, eine kleine Topfpflanze.

Und mittendrin Nicolas Cage: zerzaust, blutig, in Unterhose und Langarmshirt. Verzweifelt nach einer Wodkaflasche suchend, dann abwechselnd brüllend und trinkend. Sein Schmerz, seine Wut, eingefangen in den Grenzen dieses Raumes, im berüchtigten Overacting von Cage auf die Spitze getrieben, manisch, verzweifelt, mit irrlichterndem Blick. Die einzige Bewegung im Raum ist sein Körper und der wütet gegen die Ruhe an, die um ihn steht. Gefühlt minutenlang, und mit jeder Sekunde steigt die Gewissheit: Was nun folgt, muss den Spuren dieses aufbrechenden Wahnsinns folgen. Es ist ein großer Kinomoment, die Leinwand droht zu bersten vor Spannung.

Dann öffnen sich die Höllenkreise der Rache, in Gelb, Blau und Rot, Rot, Rot.

Foto Rochus Wolff

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