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Was bleibt vom Humor des Louis de Funès?

Ein Beitrag von Maria Wiesner

Louis de Funès war einmal Frankreichs Komiker Nummer eins. Heute erinnert man sich zumeist nur noch an „Nein!“, „Doch!“, „Oh!“ – und das hat einen Grund.

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Louis de Funèslacht
Louis de Funès lacht sich schlapp

In Frankreich gibt es eine lange Tradition der Komödie, von Molière bis Jacques Tati. Doch wenn das deutsche Publikum an einen lustigen Franzosen denkt, dann denkt es an Louis de Funès. Kein anderer französischer Schauspieler hat es geschafft, über Jahrzehnte im deutschen Kino und Fernsehen gezeigt zu werden und damit mehrere Generationen zu prägen. Selbst wenn man, wie die Autorin dieses Textes, seine Kindheit und Jugend vornehmlich in den 1990er Jahren verbrachte, kam man nicht an ihm vorbei.

Sender wie Kabel eins zeigten seine Filme in endloser Wiederholung, obwohl de Funès Mitte der 1990er schon fast ein Jahrzehnt tot war – am 27. Januar 2018 jährt sich der Todestag des Komikers zum 35. Mal.  Die endlosen TV-Wiederholungen seiner Filme führten dazu, dass man beim Blick auf das Alterswerk des Herrn de Funès feststellen muss, dieses in Gänze zu kennen. Was aber bleibt vom Humor de Funès‘ heute übrig? Warum hat er sich über so viele Dekade halten können? Und ist er überhaupt noch zeitgemäß oder war er vielmehr ein Zeugnis seiner Zeit?

Um de Funès ein wenig besser verstehen zu können, muss man auf seine Kindheit zurückblicken. Seine Eltern waren aus dem spanischen Sevilla 1904 nach Frankreich eingewandert. Der Vater, gelernter Rechtsanwalt, versuchte sein Glück als Diamantenhändler in Venezuela. Die Mutter zog den 1914 geborenen Louis und seine zwei Geschwister allein auf, ab seinem fünften Lebensjahr gab sie ihm Klavierunterricht – eine Fähigkeit, mit der er lange Jahre den Lebensunterhalt für seine eigene Familie bestreiten sollte, den der Durchbruch mit der Schauspielerei klappte erst in den 1960er Jahren. Dass der junge de Funès wenig Interesse an der klassischen Schulbildung hatte, zeigt ein Blick auf seine Ausbildungslaufbahn. Nach dem Lycée in Paris versuchte er die Ausbildung zum Kürschner, flog jedoch wegen diverser Streiche von der Schule. Auch der Versuch der Eltern, Louis an der Technischen Schule für Fotografie und Kino anzumelden, misslang. De Funès wurde nach einem Streich mit Knallfröschen entlassen. Schon damals also wollte er lieber unterhalten. Dieser Wesenszug blieb bis ins Erwachsenenalter erhalten.

Zwei Jahrzehnte versuchte er vergeblich, mit Schauspielerei erfolgreich zu werden. Erst in den 1960er Jahren gelang der Durchbruch mit der Theaterkomödie Oscar, in der er einen tyrannischen Geschäftsmann spielt, mit grotesken Gesten und übertriebener Mimik gab er dabei den Choleriker. Seine Paraderolle war geboren, das Publikum liebte ihn. Im Jahr 1964 drehte er innerhalb weniger Monate gleich drei Filme ab, die alle äußerst erfolgreich im Kino anliefen: Der Gendarm von Saint TropezFantomas und Louis, das Schlitzohr. Sie katapultierten seine Karriere steil nach oben und machten ihn auf Jahre zum Komiker Nummer eins in Frankreich.

Sein Erfolgsrezept war dabei ein Humor, der aus den Elementen Gestik und Mimik (bis zu 40 verschiedene Grimassen soll er pro Minute draufgehabt haben), Situationskomik, Sprachwitz und Wiederholung besteht. Dass besonders die ersten beiden zeitlos sind, muss man nicht groß erklären. Sie sorgen dafür, dass Stummfilme mit Charlie Chaplin oder Buster Keaton bis heute weltweit beim Publikum funktionieren. De Funès sagte selbst einmal im Interview mit einem französischen Fernsehsender, die Königsdisziplin für einen Komiker sei der Stummfilm. So verwundert es dann auch nicht, dass der berühmteste Witz des Franzosen bis heute eine Szene aus Hasch mich, ich bin der Mörder ist. Ja, es geht hier um das berühmte „Nein!“ „Doch!“ „Oh!“

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Das hat sich vielleicht auch so sehr festgesetzt, weil die Werbeindustrie es in den 1990er Jahren wiederentdeckte und man es dann in Spots von Toyota bis McDonalds rauf- und runterhören musste. Was diese Szene eigentlich so ikonisch macht, ist jedoch nicht der Wortwechsel, sondern Mimik und Gestik. Die würden auch funktionieren, wenn „Nein!“ „Doch!“ „Oh!“ auf Zwischentafeln im Stummfilm eingeblendet wären. Man würde dennoch lachen. Warum aber ist das die einzige Szene, die jeder kennt? Wie kann es sein, dass bei einem Schauspieler, der mehr als 140 Filme gedreht hat, nicht mehr hängen geblieben ist?

Die Antwort ist simpel: De Funès bediente eben auch immer den Humor seiner Zeit. Den Deutschen brachte er die Franzosen näher und das Mitte der 1960er Jahre, also nur zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Und auch bei den Franzosen holte er die konservative Nachkriegsgeneration ab. Der Gendarm von Saint Tropez funktionierte in Frankreich wie in Deutschland deshalb so gut, weil sich die Zuschauer an der kleinen polternden, cholerischen Figur abarbeiten konnten. Einem Mann, der immer ein bisschen unterm Pantoffel stand, immer über seine Ehefrau schimpfte, ohne sie aber doch nie überleben konnte. Einem Mann, der konservativ und gesetzestreu war und dennoch immer nach oben buckelte und nach unten trat. (Ein Charakterzug, der in Deutschland besonders Anklang fand, konnte man sich hier doch lachend von der eigenen Obrigkeitshörigkeit distanzieren. Wie nötig man das hatte, bewies schon der Erfolg von Carl Zuckmayers Der Hauptmann von Köpenick.)

Bei der Kritik war de Funès nie sehr beliebt. „Es war die Zeit der Nouvelle Vague – mein Vater spielte hingegen in völlig unintellektuellen Komödien. Die Feuilletonisten hassten ihn“, sagte sein Sohn Patrick später. Während die junge Generation auf die Straße ging, spielten de Funès‘ Charaktere genau in jener bürgerlichen Mitte, gegen die die jungen Intellektuellen aufbegehrten. Er war Industrieller, Schlossbesitzer oder eben jener konservative Gendarm aus Südfrankreich, der gegen „Rowdies“ und Nudisten vorgeht. Wo Buñuel die Dekadenz herausstellte und Chabrol sich an der Unmoral hinter der konservativen Fassade des Bürgertums abarbeitete, fand de Funès den gemeinsamen Nenner mit seinem Publikum im Kleinbürgerlichen. Ihm ging es nicht um Intellektualität, er wollte die Menschen zum Lachen bringen und das möglichst in großen Mengen. Er sei nur an Filmen mit mehr als einer halben Millionen Zuschauer interessiert, soll de Funès einmal gesagt haben. Der Junge mit den Knallfröschen hatte sein Publikum gefunden.

Heute fallen beim Wiederanschauen seiner Filme besonders zwei Dinge auf: Erstens funktionieren Mimik und Gestik immer noch. Zweitens ist der Wort- und Situationswitz zum Teil unerträglich diskriminierend und frauenfeindlich. Da fällt bei Hasch mich, ich bin der Mörder das Dienstmädchen Mathilde in Ohnmacht, weil sie glaubt, einem Mord beizuwohnen. Es folgen fünf Minuten, in denen sie mehrmals einer Puppe gleich auf ein Sofa geworfen wird, mit diesem umkippt und am Ende hart ins Gesicht geschlagen wird, um sie aus ihrer hysterischen Ohnmacht zu wecken. Dann schickt man sie wieder in die Küche. In Alles tanzt nach meiner Pfeife sagt de Funès zu einem Mädchen mit dicker Hornbrille: „Nimm die Brille ab, dann hörst du besser.“ Als ihm später ein kurviges blondes Mädchen beim Casting für eine Tanzgruppe vorgestellt wird, ruft er nur: „Nicht der Pfanniknödel. Auf keinen Fall.“

Nun mag man einwenden, dies sei eben jene Art von fiesem Charakter, über den sich de Funès in seiner Darstellung des Cholerikers lustig gemacht hat. Es bleibt aber zu bezweifeln, dass sein Publikum derlei Unterscheidung traf, und es nicht einfach genau jene Art des plumpen Lachens über Menschen, die außerhalb der damaligen gesellschaftlichen Norm waren, bediente. Irgendwie musste man 500.000 Zuschauer ja ins Kino bekommen und mit politischer Korrektheit und offener Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen wäre dies nicht gelungen. Man lachte zwar über den Mann, der Untergebene und Familie tyrannisierte, gleichzeitig kam man aber nicht umhin, ihn irgendwie auch sympathisch zu finden, wie zum Beispiel beim Autorennen entlang der Küstenstraße in Alles tanzt nach meiner Pfeife, wenn er den schnelleren Fahrer anbrüllt: „Aber ich möchte erster sein.“

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Es ist dieser Typ männlichen Verhalten, der lange Jahre als konform und in seinem diskriminierenden Verhalten obendrein als witzig galt. De Funès erschuf mit seinem Choleriker einen Mann, über dessen Gesten- und Mimenspiel man bis heute lachen kann. Auf der Kontextebene aber ist er so konservativ und altbacken, dass das Lachen doch öfter im Hals stecken bleibt.

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