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TV-Tipp

Streaming-Empfehlungen für Dezember 2017

Ein Beitrag von Lars Dolkemeyer

Meinungen

Schoko-Weihnachtsmänner weichen im Supermarkt fast wieder den Osterhasen, während schnell noch Weihnachten gefeiert wird. Zeit, um mit Familie, Freunden und der dicken Wolldecke endlich einige Tage der Ruhe und Besinnlichkeit zu verbringen. Gut, dass es im Streaming dazu das passende Programm gibt.


(Bild aus Mein Leben als Zucchini; Copyright: polyband Medien GmbH)

Amazon Prime Video

Mein Leben als Zucchini

Zucchini – das ist der Spitzname des kleinen Icare, der nach dem Tod seiner Mutter in ein Heim gebracht wird. Das Einleben in der neuen Umgebung fällt ihm nicht leicht, aber als das Mädchen Camille ebenfalls dort ankommt, findet Icare in ihr eine wahre Freundin. Gemeinsam stellen die beiden sich gegen eine erwachsene Welt, die immer wieder versucht, das Leben der Kinder zu kontrollieren. Stop-Motion-Animationsfilme verzaubern durch ihre eigene Materialität. Mein Leben als Zucchini gewinnt dabei vor allem durch das besonders ausdrucksstarke Design seiner Figuren, in einer immer ein kleines Stück entrückten, von einzigartiger Fantasie durchzogenen Welt. Ein bewegender Familienfilm für die Vorweihnachtszeit und ab dem 18.12. auch in deutscher Synchronfassung im Programm von Amazon Prime zu sehen.

4 Könige

Heiligabend als Fest der Familie, der Nächsten und der Liebe hat immer auch eine Gegenseite all jener, die verloren, vergessen oder verstoßen sind. In einer psychiatrischen Einrichtung für Jugendliche verbringen Alex (Paula Beer), Lara (Jella Haase), Timo (Jannis Niewöhner) und Fedja (Moritz Leu) aus unterschiedlichen Gründen ein Weihnachtsfest ohne ihre Familien. Nur ihr Arzt Dr. Wolff (Clemens Schick) bleibt bei ihnen und versucht mit unkonventionellen Methoden, den Jugendlichen ein Gefühl der Zugehörigkeit zu geben. 4 Könige gehört zu dieser Kategorie der Weihnachtsfilme, die gerade deswegen so berühren, weil sie sich dem glitter-rot-goldenen Kitsch konsequent verweigern. Dadurch gewinnt der Film eine eigene Wärme, näher und echter, weil er die Oberfläche des Schaufenster-Weihnachtsfilms durchbricht und fragt, was ein Fest der Familie und Liebe überhaupt bedeuten mag. Ab dem 25.12. ist der Film bei Amazon Prime zu sehen.

The Marvelous Mrs. Maisel

Die Pilot-Folge der neuen Amazon Original-Serie konnte bereits in der Pilot Season überzeugen – seit November sind nun auch die weiteren sieben Episoden der ersten Staffel im Programm des Anbieters zu sehen. Midge Maisel (Rachel Brosnahan) führt in den 1950er Jahren in New York ein zufriedenes Leben als Ehe- und Hausfrau. Als ihr Mann sie verlässt, bricht ihre Welt zusammen – und wird in einer neuen, unerwarteten Karriere als Stand-up-Comedian aufgefangen. Nach dem Revival der Gilmore Girls kehren damit Amy Sherman-Palladino und ihr Mann Daniel Palladino unter großem Lob der Kritik mit einer neuen Serie zurück. Bereits jetzt verspricht The Marvelous Mrs. Maisel von eben jenem rasanten Witz zu leben, den die beiden Serienschöpfer so perfekt beherrschen wie kaum jemand. Auch eine zweite Staffel der Serie ist bereits von Amazon beauftragt.


(Bild aus The Marvelous Mrs. Maisel; Copyright: Amazon Prime Instant Video)

 

Netflix

Dark

Eine Kleinstadt, zwei Jungen verschwinden auf eigenartige Weise, eine Gruppe von Freunden macht sich auf die Suche und langsam enthüllt sich ein dunkles Mysterium. Was? Hat da jemand gerade Stranger Things gesagt? Mit Dark präsentiert Netflix seine erste in Deutschland produzierte Serie unter der Regie von Baran bo Odar, der zuletzt 2014 mit Who Am I neue Akzente im deutschen Kino setzen konnte. Und so scheint es nur fair, auch bei Dark all jene Vergleich zu Stranger Things, Es oder anderen US-Vorbildern hinter sich zu lassen, wie sehr sich diese auch aufdrängen mögen. Eine deutsche Genre-Produktion – das ist in den vergangenen Jahren immer weniger zu einem Widerspruch geworden. Und so kann auch Dark nun mit den zehn Episoden der ersten Staffel beweisen, dass hier nicht vergebens hinter einem Trend internationaler Serien-Hypes hergelaufen wird. Dark verspricht, eine eigene Ästhetik des Unheimlichen und Dunklen zu finden, die sich im überlaufenden Feld vergleichbarer Serien abhebt. Seit dem 01.12. ist die erste Staffel im Katalog von Netflix verfügbar.

Bright

David Ayer hat als Drehbuchautor und Regisseur von Filmen wie Training Day (2001), Street Kings (2008) oder End of Watch (2012) sein Talent für dunkle, schonungslose Cop-Thriller immer wieder unter Beweis stellen können. (Nein, er hat keine DC-Comic-Verfilmung gemacht. Nein! Hat er nicht!) Mit Bright wendet er sich nun, basierend auf einem Drehbuch von Max Landis, einer seltenen Genre-Verbindung zu: Die beiden Cops Daryl Ward (Will Smith) und Nick Jakoby (Joel Edgerton) sind ein ungleiches Team – Ward ist ein Mensch, Jakoby ein Ork. In einer Welt, in der Fantasy-Wesen mit Menschen mehr oder weniger friedlich zusammenleben, stoßen die beiden dabei auf ein altes Artefakt, einen Zauberstab, der die Balance ihrer Welt für immer zerstören könnte. Was nach einer mindestens so skurrilen wie zum Scheitern verurteilten Mischung klingen mag, sieht nicht zuletzt aufgrund der aufwändigen Produktion und hervorragenden Besetzung (auch darunter: Noomi Rapace) auf seltsame Weise nach einem erfrischend-andersartigen Film aus. Mit Freude und Spannung kann der 22.12. erwartet werden, an dem Bright im Programm von Netflix starten wird.


(Trailer zu Bright)

Empfehlung aus dem Katalog: Bud Spencer und Terence Hill

Wenn Weihnachten auch die Zeit nostalgischer Gefühle ist, bietet Netflix ein passendes Filmprogramm dazu: Die Karrieren von Bud Spencer und Terence Hill als lustig-prügelndes Duo sind beispiellos und noch immer von Fans verehrt, auch nach Spencers Tod im vergangenen Jahr. Netflix hat nun eine ganze Reihe Filme der beiden Darsteller in das Programm aufgenommen, darunter sieben Klassiker, in denen die beiden gemeinsam zu sehen sind, sowie einige weitere Filme mit Spencer oder Hill. Mit dabei sind große Erfolge wie Zwei außer Rand und Band  (1977), Zwei sind nicht zu bremsen  (1978), Vier Fäuste gegen Rio  (1984) der frühe Freibeuter der Meere  (1971) oder der späte Die Miami Cops  (1985). Für Fans des Duos eine wunderbare Gelegenheit, sich über die Weihnachtstage erinnerungsschwelgend in eine Kuscheldecke einzuwickeln.

 

MUBI

DOK Leipzig: Bildelektrik. Das Kino von Jay Rosenblatt

MUBI setzt seine Kooperation mit herausragenden internationalen Festivals fort und widmet sich im Dezember mit dem DOK Leipzig einem der renommiertesten Animations- und Dokumentarfilm-Festivals der Welt. Die diesjährige Hommage des Festivals  widmete sich dem Filmemacher Jay Rosenblatt und ist in Auszügen nun auch im Programm von MUBI zu sehen. Der Streaming-Anbieter zeigt noch bis Februar eine Auswahl von insgesamt 14 Filmen des Regisseurs. Seine Werke erkunden dabei persönliche wie öffentliche Welten und ihre emotionalen Grundierungen. So wird aus dem Katzenvideo Nine Lives (The Eternal Moment of Now)  (2001) eine Reflexion über die Domestizierung der Hauskatze zwischen Unterdrückung und Freiheit, Prayer  (2002) antwortet auf die Ereignisse des 11. September und ein Film wie Worm  (2001) wendet die persönliche Kindheits-Erinnerung zu einer unheimlichen Figur kindlicher Fantasie. Die eindringlichen Filme Rosenblatts erscheinen mit wöchentlichen Abständen im Programm von MUBI.

Tore tanzt

Tore (Julius Feldmeier) glaubt über alles andere in seinem Leben an das Gute, an Jesus. Als er eines Tages bei einer Autopanne meint, ein Wunder gewirkt zu haben, wird er aus Dankbarkeit vom Familienvater Benno in dessen Schrebergarten eingeladen. Auch als die Geste der Einladung sich in einen immer weiter steigernden Sadismus verwandelt, sieht Tore darin nur eine Prüfung seines Glaubens – und hält immer auch die andere Wange hin. Katrin Gebbes Spielfilmdebüt, das frei auf einer wahren Begebenheit basiert, wurde 2013 unter anderem mit dem Preis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet. Bis zum 23.12. ist der bewegende und zutiefst verstörende Film im Programm von MUBI zu sehen.


(Trailer zu Tore tanzt)

Moebius, die Lust, das Messer

Der südkoreanische Regisseur Kim Ki-Duk gehört zu den herausragendsten und zugleich kontroversesten Regisseuren eines vor allem auf Verstörung zielenden Autorenkinos. Dazu gehört auch Moebius (2013): Als eine betrogene Ehefrau (Lee Eun-woo) von der Affäre ihres Mannes (Cho Jae-hyun) erfährt, schneidet sie aus Rache dem gemeinsamen Sohn (Seo Young-ju) den Penis ab. Der Vater versucht daraufhin herauszufinden, wie Sex ohne Penis möglich ist und stößt auf Schmerz als Weg der Lustgewinnung. Vergewaltigungen, Kastrationen, Gewalt – ob Moebius letztlich bei aller meisterhaften Inszenierung nur eine Reihung von Ausdrücken brutaler, faschistischer Misogynie ist oder ob dahinter doch eine Reflexion der Entstehung gewaltsamer Strukturen steckt, ist wohl am Ende nicht mehr zu unterscheiden. Wie sein Regisseur bewegt auch der Film sich auf einem schmalen Grat zwischen ausgehöhlter Brutalität und künstlerischem Ausdruck, der nichtsdestoweniger gerade deswegen sehenswert sein mag. Und sei es nur, um sich davon ein Bild machen zu können. Der Film läuft bis zum 17.12. im Programm von MUBI.

Meinungen