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Jahresrückblick - Filmische Trüffel: Swallow

Ein Beitrag von Christian Neffe

2020 nähert sich seinem Ende. Man möchte sagen: zum Glück. Für niemanden, auch nicht für Kinofreunde, war es ein leichtes Jahr. Wir lassen es dennoch aus cineastischer Sicht Revue passieren. Heute mit Carlo Mirabella-Davis‘ „Swallow“.

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Swallow - Trailer (deutsch)

Hunter (Haley Bennett) hat auf den ersten Blick eigentlich alles, was man sich wünschen kann: Sie lebt in einer riesigen Villa, ist mit einem geschäftstüchtigen, gut aussehenden und verdienenden Mann verheiratet (David Rasche) und kann neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau ihrer künstlerischen Ader freien Lauf lassen. Doch schon früh wird in Swallow klar, dass all dieser Wohlstand, diese vermeintliche Idylle nur Fassade und Hunter vor allem ein Objekt ist: Beim Familiendinner und auch sonst interessiert sich nicht niemand für das, was sie empfindet und was sie zu sagen hat. De ehemalige Kassiererin ist im Wesentlichen ein prestigeträchtger Besitz ihres Gatten und in erster Linie dafür da, eine fügsame Frau zu sein und ihm einen Erben zu schenken.

Und so kommt es auch: Hunter wird schwanger. In einem Ratgeber liest sie davon, jeden Tag etwas Unerwartetes zu tun, um ihren Alltag zu bewältigen. Das tut die junge Frau auch — und entwickelt das sogenannte Pica-Syndrom: Sie verschluckt Gegenstände, die man keinesfalls verschlucken sollte. Zunächst einen Eiswürfel, dann eine Murmel, später eine Stecknadel, eine Batterie und diverse andere spitze und/oder scharfkantige Gegenstände. Als das auffällt, wird Hunter vollends zum dauerhaft überwachten Objekt degradiert.

Swallow ist ein langsam und feinfühlig erzähltes Psychodrama mit Body-Horror-Elementen, in dessen Mittelpunkt eine Frau steht, die sich langsam aus dem befreit, was zum Titel erhoben wurde: Das Leben so, wie es ihr vorgesetzt und aufoktroyiert wurde, wort- und widerstandslos herunterzuschlucken. Mit Faszination, Abscheu und Mitleid schaut man dieser Figur beim Ausleben ihrer selbstzerstörerischen Manie zu, dazu gezwungen, sich immer wieder moralisch und emotional neu zu positionieren, bis im Finale schließlich der äußerlich leise, aber innerlich laute Knall und Befreiungsschlag folgt.

Swallow blieb in diesem Jahr ein regulärer Kinostart verwehrt, dafür ist der Film nun bei allen gängigen Streaming-Anbietern zur Leihe und zum Kauf verfügbar.

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