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Jahresrückblick - Filmische Trüffel: Zombi Child

Ein Beitrag von Christian Neffe

2020 nähert sich seinem Ende. Man möchte sagen: zum Glück. Für niemanden, auch nicht für Kinofreunde, war es ein leichtes Jahr. Wir lassen es dennoch aus cineastischer Sicht Revue passieren. Heute mit Bertrand Bonellos „Zombi Child“.

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Zombi Child - Trailer (OmdtU)

Haiti im Jahre 1962: Clairvius Narcisse (Mackenson Bijou) stirbt aufgrund eines mysteriösen Pulvers, das er verabreicht bekommen hat. Er ist jedoch nicht tot, sondern durch einen Voodoo-Zauber zum Sklaven gemacht worden, der fortan in den Zuckerrohr-Plantagen der Insel Frondienste leisten muss. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, spielen sich Ereignisse ab, die damit nicht auf den ersten, sondern erst auf den zweiten Blick in Verbindung stehen: Im Paris der Gegenwart, an einem katholischen Eliteinternat, versucht die aus Haiti stammende Melissa (Wislanda Louimat), ein Neuzugang an der Schule, Anschluss an eine Mädchen-Cliquezu finden, von der Melissa schließlich zu einem Initiationsritus einlädt. Vor allem Fanny (Louise Labèque) ist fasziniert von Melissa und ihrer Herkunft. Und als sich ihr Freund von ihr trennt, sucht sie Melissas Tante auf, die die Praktiken des Voodoo beherrscht, um so den Ex-Geliebten auf ewig an sich binden zu können.

Leicht sind die Filme von Bertrand Bonello (Nocturama) ja nie — auch seines neues Werk Zombi Child bildet da keine Ausnahme. Der unterläuft Zuschauererwartungen und Sehgewohnheiten, bürstet Formeln und Versatzstücke von scheinbar Bekanntem gegen den Strich. Dass sich Bonello nun ausgerechnet des Horror-Subgenre des Zombie-Films herausgesucht hat, um auf diesem Fundament eine Geschichte über Kolonialismus und ungleiche Machtverhältnisse zu erzählen, mag zunächst seltsam geklungen haben, geht letzten Endes aber auf.

Bonello knüpft auf beiden Zeit- und Erzählebenen ein unsichtbares Band zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Zwischen zombifizierten Sklaven und dem heutigen Leben in einer wirtschaftsliberalen Gesellschaft. Zwischen westlicher Kolonialgeschichte und der Macht von Mythen und Legenden, die aus dieser Zeit noch erhalten sind. Dass er dabei weniger stringent und kohärent wirkt als die meisten Filme, sondern eher assoziativ und rätselhaft, tut der Qualität von Zombi Child keinen Abbruch. Letztlich steht hier nämlich eines im Fokus: Heterogenität von Erfahrungen.

Zombi Child erscheint Anfang 2021 fürs Heimkino, ein genaues Datum gibt es noch nicht.

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