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Kolumnen

Albernheit wagen

Ein Beitrag von Rochus Wolff

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Captain Underpants

Etwa in der Mitte von Captain Underpants – Der supertolle erste Film gibt es eine kleine Szene, die für den Rest des Films eigentlich keine Rolle spielt, aber dennoch nicht fehlen darf. Die beiden Hauptfiguren Harold und George haben durch einen billigen Plastikring ihren Schuldirektor Mr. Krupp hypnotisiert. Ihre volle Kontrolle über den eigentlich als strenge Spaßbremse bekannten Krupp nutzen sie dazu aus, ein ganz besonderes Schulkonzert auszurichten: Eine Symphonie in Furzgeräuschen.

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(Ausschnitt aus Captain Underpants – Der supertolle erste Film)

Das hat, seien wir ehrlich, keinerlei filmischen Mehrwert, es ist Analhumor um des reinen Quatsches willen, die Glorifizierung des Pupsgeräusches im musikalischen Mehrwert: Kindischer geht’s nicht mehr.

Oder kindlicher. Der Humor, den Captain Underpants zelebriert, mag zwar inhaltlich fäkal ausgerichtet sein, er ist aber vor allem eins: albern. Es geht dabei nicht allein darum, aus allen Szenen möglichst noch eine Pointe zu quetschen. Albernheit widersetzt sich den (vor allem: gesellschaftlichen) Erwartungen, indem sie sich weigert, Verhaltensregeln und Respektspersonen besonders ernst zu nehmen.

Und wenn man ein wenig darüber nachdenkt, so ist gezielte Albernheit, so begeisternd sie auch sein mag, im Film zunächst einmal nicht besonders häufig. Denn Albernheit hat keinen besonders guten Ruf – schon historisch nicht. Während Horaz sie dem Vernehmen nach zumindest „im rechten Moment“ (um den sich Albernheiten eigentlich nicht scheren sollten) „köstlich“ fand, gilt sie heute meist als „kindisch“, jedenfalls oberflächlich und wenig erudiert.

In der Welt der „Erwachsenen“ führen alberne Filme deshalb schnell zu leicht indigniertem Naserümpfen, und ernst genommen werden sie zunächst sicher nicht. Die großen Komödien von Jim Abrahams, David und Jerry Zucker (Die nackte Kanone-Trilogie ist vielleicht am bekanntesten, aber Airplane! oder Top Secret sind vielleicht noch stärker aufs reine Quatschmachen fokussiert) oder von Mel Brooks brauchten einige Zeit, bis sie als die brillanten Kunstwerke verstanden wurden, die sie sind. Albernheit dient in diesen Filmen – insbesondere bei Brooks’ Spaceballs – als Methode, mit der die Form der Parodie gefüllt und das parodierte Genre in kleine Einheiten zerlegt wird und dann die Erwartungen ans Genre unterlaufen und verhohnepiepelt werden.

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(Trailer zu Spaceballs)

Das ist wunderbar und sehr lustig; zugleich aber stellt sich dabei stets das Gefühl ein, dass die Albernheiten hier in einer Art Nummernrevue in ein bestehendes Gerüst eingepasst werden; sie werden gewissermaßen als einzelne Sequenzen entwickelt, bilden aber kein albernes Ganzes. Die Albernheit wird der Handlung (die in diesen Filmen natürlich oft genug nur genre-typische Staffage ist) untergeordnet, auch wenn sie diese letztlich weniger vorantreibt, sondern meist abbremst: Der Witz als kontinuierlich retardierendes Element.

Ähnlich ist es auch in den meisten Kinderfilmen, die mit Albernheiten spielen, etwa mit Genreparodien wie Shrek oder Piraten! Am sichtbarsten waren dabei in den vergangenen Jahren die Minions in den drei Ich – Einfach Unverbesserlich-Filmen und Minions. Die gelben Pillenwesen sind im Grunde eine Verkörperung eines spielerischen Es, das große Freude an Chaos und Zerstörung hat – was humoristisch funktioniert, weil es sich in einer Welt abspielt, in der nie jemand ernsthaft zu Schaden kommt, gewissermaßen eine modernisierte Variante der gelegentlich ja auch recht brutalen Warner-Cartoons.

Und zwischendrin gibt es aber eben auch so sinnfrei alberne Szenen wie diesen kleinen Moment am Wasserspender:

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(Szene mit den Minions)

Albernheit als filmische Haltung geht aber meiner Meinung nach noch darüber hinaus, Gags aufeinanderzutürmen und einen Film mit respektlosen Scherzen zu füllen. Captain Underpants unterscheidet sich von den meisten anderen Filmen dadurch, dass hier die Albernheiten nicht in ein Handlungsgerüst gepresst sind, sondern die Handlung erst in Gang bringen. Anders als die eingangs erwähnte Pups-Symphonie andeutet, ergibt sich das in den meisten Szenen durchaus zwingend auseinander – aber eben als logische Folge daraus, das Leben nicht zu ernst zu nehmen. Albernheit ist die raison d’être dieses Films – und konsequenterweise ist die Handlung selbst extrem albern.

Natürlich lässt sich auch Captain Underpants als Parodie des Superhelden-Genres beschreiben, als „Origin Story“ und all das. So funktioniert er allerdings nicht, denn sein Fokus ist die Entstehung einer Geschichte aus der Lebenshaltung seiner Protagonisten: Alles entsteht nur, weil sie albern sind. Und ohne diese Albernheit wäre alles nichts. Das unterscheidet die Albernheit des Films auch von Ironie oder Parodie: Es geht nicht darum, etwas auf die Schippe zu nehmen, sondern die Verhältnisse durchzuschütteln. (Ob sie dann tanzen werden, ist noch eine andere Frage.)


(Bild aus Captain Underpants; Copyright: Twentieth Century Fox of Germany GmbH)

Mit dieser Grundhaltung ist Captain Underpants wesentlich näher an den Kurzfilmen von Charlie Chaplin oder den großen Momenten von Stan Laurel und Oliver Hardy als an den meisten Kinderfilmen der Gegenwart (vielleicht mit Ausnahme des sehr albernen Quatsch und die Nasenbärbande, der aber ausschließlich ein sehr kindliches Publikum ansprechen will): Wenn die Handlung sich erst aus dem Irrsinn ergibt, den die Albernheit hervorbringt, unterwirft sich der Film der Albernheit – und nicht umgekehrt.

Mir fallen unter den Filmen der Gegenwart sonst nur noch die kurzen Episoden von Mr. Bean als Beispiele dafür ein, dass sich ein Film so konsequent dem Chaos von Albernheit unterwirft. Und auch bei Mr. Bean wird deutlich, dass solche Albernheit natürlich keineswegs seicht und unpolitisch ist. Denn selbst wenn kein Zweck dahinter erkennbar ist, gerade wenn die Albernheit als reine, sinnlose Unterbrechung erscheint, so ist genau das ihr Ziel (und Mr. Krupp weiß das genau): Eine Störung, eine Verhinderung allzu glatter Abläufe, eine Maßnahme zur Senkung der Arbeitsmoral.

Man tut sich allerdings nicht unbedingt einen Gefallen, die Albernheit per se als politisch progressiv zu verstehen. Gerade bei den sonst sehr komischen Minions zum Beispiel bleibt ob ihrer bedingungslosen Hörigkeit zu Bösewichtern auch durchaus ein ungutes Gefühl zurück: Nämlich dann, als ihre Entstehungsgeschichte im Film Minions in die reale menschliche Geschichte eingeordnet wird. Die Zeit des Nationalsozialismus wird dabei völlig ausgespart – die Minions hier als Hitlers Schergen zu sehen, wäre nämlich überhaupt nicht mehr witzig.

Hier rächt es sich, dass die Konstruktion der Filmhandlung dazu führen kann, dass man die Albernheiten der Minions in einem Kontext lesen müsste, in dem ihre speziellen Scherze nur noch grausam wären, Verhöhnung der Opfer.

Albernheit jedoch – und diese Eigenschaft teilt sie mit Satire und den meisten Formen von Humor – ist nur dann lustig, wenn sie sich nicht mit den Mächtigen, sondern mit den Machtlosen gemeinmacht – und gleichzeitig den Drahtseilakt hinbekommt, sich selbst als Haltung nicht zu ernst zu nehmen.

Die größte Gefahr für die Harold und George ist ihr einer Klassenkamerad, der überhaupt nicht verstehen kann, warum das alles lustig sein soll. Diese Ernsthaftigkeit in allem zu bekämpfen, das Lachen nie zu verlieren: Dafür brauchen wir Superhelden wie Captain Underpants.

(Rochus Wolff)

Rochus Wolff sucht in seinem Kinderfilmblog nach dem schönen, guten, wahren Kinderkino; das findet er gelegentlich in der Vergangenheit, aber auch die Gegenwart hält zahllose wunderbare Überraschungen bereit.

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