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Streaming-Tipp: Gegen das Schweigen - Machtmissbrauch bei Theater und Film

Ein Beitrag von Joachim Kurz

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Filmstill zu Gegen das Schweigen - Machtmissbrauch bei Theater und Film
Gegen das Schweigen - Machtmissbrauch bei Theater und Film (2024) von Zita Zengerling und Kira Gantner

#Metoo und wie weiter? War es das etwa? Haben die Enthüllungen, die ab 2017 die Filmwelt erschütterten, gar keinen Widerhall in Deutschland? Ist die Filmbranche hierzulande etwa gefeit gegen Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe? Die Frage stellt man sich schon, wenn man sich vor Augen führt, was seitdem in Deutschland diesbezüglich passiert ist. Sicher: Immer wieder ploppte das Thema mal wieder kurz auf, doch die großen Skandale blieben aus und betrafen — wenn überhaupt — einstmals mächtige Regisseure und Produzenten, die aber nicht mehr im Geschäft oder gar verstorben sind.

Nun aber kommt zumindest etwas Bewegung in diesen Zwischenzustand, in dem anscheinend Missstände ignoriert oder totgeschwiegen werden: Für ihre Dokumentation Gegen das Schweigen — Machtmissbrauch bei Theater und Film haben die beiden NDR-Journalistinnen Zita Zengerling und Kira Gantner rund drei Jahre lang recherchiert und mit mehr als 200 Betroffenen gesprochen. Dabei geht es nicht nur um die Täter, sondern auch um die Frage, warum solche Übergriffe überhaupt möglich sind. Eine wichtige Recherche, die dem Publikum einiges zumutet — und zugleich ein dringend nötiger Schritt, um Missstände in der Branche aufzudecken. Denn es geht nicht nur um Einzelfälle und Einzelpersonen, sondern um Systeme und Strukturen, die Machtmissbrauch und (sexualisierte) Gewalt überhaupt erst ermöglichen und die lieber wegschauen und die zur Aufklärung nichts oder nur widerwillig beitragen. 

Obwohl die Doku vom NDR initiiert wurde, betreffen doch die meisten Fälle das Nachbarland Österreich — und das scheint Anlass genug zu sein, dass es derzeit noch auffällig ruhig in der deutschen Filmszene ist. Zwar spielt Kida Khodr Ramadans Verhalten zu Beginn der klugen und behutsamen Recherche am Set durchaus eine Rolle, doch gegen das Gebaren von Paulus Manker und Julian Pölsler nehmen sich seine Verfehlungen BEINAHE harmlos aus — und im Gegensatz zu den beiden genannten zeigt er sich durchaus einsichtig und hat eine Therapie angekündigt. Allerdings — und das deutet die Dokumentation auch an — ist das alles nur die Spitze des Eisbergs. Noch immer schweigen viele der Betroffenen oder benennen zwar Missstände, trauen sich aber nicht, konkrete Namen zu nennen. Was wiederum verdeutlicht, dass es nicht allein um die Abschaffung eines toxischen Systems gehen muss, sondern andererseits auch und zuerst um die Schaffung einer ganz anderen Kultur der Zusammenarbeit, des gegenseitigen Vertrauens und Respekts, in der Betroffenen geglaubt wird und sie Unterstützung und Rückhalt finden.  

Und so bleibt zu hoffen, dass diese Dokumentation erst der Anfang ist vom Ende des Patriarchats im Kultur- und Filmbetrieb. Es wäre an der Zeit. 

Die Dokumentation gibt es hier zu sehen. 

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