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Streaming-Tipp des Tages: Mysterious Skin

Ein Beitrag von Mathis Raabe

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Filmstill zu Mysterious Skin – Unter die Haut (2004) von Gregg Araki
Mysterious Skin – Unter die Haut (2004) von Gregg Araki

„We’re not in Kansas anymore.“ In Mysterious Skin bedeutet dieser Satz etwas ganz anderes als in The Wizard of Oz. Wendy (Michelle Trachtenberg) und Neil (Joseph Gordon-Levitt) sind aus Hutchinson, Kansas nach New York City gezogen. Er verdient sein Geld mit Prostitution. Seine beste Freundin macht sich Sorgen, dass er in Gefahr geraten könnte – mit Recht.

Für Gregg Araki, der sich ursprünglich mit wunderbar schmuddeligen Low-Budget-Filmen über desillusionierte queere Teenager einen Namen gemacht hatte, ist Mysterious Skin 2004 zum einen ein großer Schritt, zum anderen bleibt er aber seiner Handschrift absolut treu. Der Film ist eine Romanadaption und trotz des erneut geringen Budgets sieht er nicht mehr aus wie Mumblecore und ist auch strukturierter erzählt als die punkige Teen-Apocalypse-Trilogie. Die Handschrift dieser frühen Filme ist, dass sie sich zwar wie Hangout-Movies anfühlen, wie experimentellere Versionen von Dazed and Confused, die in erster Linie das Lebensgefühl der Teenager einfangen wollen, gleichzeitig aber, je tiefer man in die Figuren eintaucht, so schmerzhaft, existenzialistisch und brutal werden, dass es einen kalt erwischt.

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Das gilt für Mysterious Skin ganz besonders: Der Film setzt sich mit Kindesmissbrauch auseinander, und vor allem mit dem Trauma, das er hinterlässt. Araki behandelt dieses Thema unbeschönigt und ist doch nie effekthascherisch – weil er seine Figuren immer komplex und mit Liebe zeichnet, und weil er ein gutes Auge für charismatische Jungdarsteller hat: In früheren Filmen ist es James Duval, hier nun Gordon-Levitt, der es schafft, seiner Figur zugleich Gebrochenheit und Erhabenheit zu verleihen, sodass sie nie zur reinen Leidensschablone wird. Die zweite Hauptfigur des Films Brian (Brady Corbet) glaubt, als Kind von UFOs entführt worden zu sein. Auch diese fantastischen Motive gibt es bereits in früheren Araki-Filmen: Im großartigen Nowhere begegnen die Teenager immer wieder einem mordenden Alien. Dort sind es surrealistische Sequenzen, deren Bedeutung sich das Publikum selbst zusammenreimen muss. Mysterious Skin dagegen liefert die erschütternde Erklärung mit.

Kein Wunder, dass Araki von dem Romanstoff fasziniert war. Mysterious Skin ist eine schlüssige Weiterentwicklung seines Werks bis dahin, ist aber auch für sich betrachtet ein absolut beeindruckender Film.

„Mysterious Skin“ ist aktuell bei MUBI zu sehen.

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