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Bücher

Kino und Fotografie

Ein Beitrag von Sonja Hartl

Für ihre Bücherkolumne hat Sonja Hartl sich diesmal Neuerscheinungen vorgenommen, die der Verbindung zwischen Film und Fotografie auf den Grund gehen. Mit dabei: Anton Corbijn, Cindy Sherman, Kinos in Angola und vieles mehr.

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Corbijn-Ausstellung
Corbijn-Ausstellung

Zwischen Kino und Fotografie gibt es eine starke und vielseitige Anziehungskraft. Sei es der Beruf des Fotografen, der in Filmen von „Das Fenster zum Hof“ bis zu „One Hour Photo“ und The Mountain Between Us ausgeübt wird. Oder sei es, dass ein Plot um Fotografien herum organisiert wird wie in Memento. Es gibt natürlich die technische Verbindung. Die Bedeutung des Lichts, von Einstellungsgrößen, die Frage, ob analog oder digital. Doch dazu gibt es noch eine weitere, fast möchte man sagen direktere Verbindung: durch die Bilder, die von filmenden FotografInnen und fotografierenden RegisseurInnen geschaffen werden.

 

Leben und Tod – Anton Corbijn

Ein Mann, der diese Verbindung in aller Vielseitigkeit repräsentiert, ist Anton Corbijn. Er kommt aus der Fotografie, bekannt geworden ist er vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Popkünstlern. So hat er beispielsweise die Plattencover zu The Joshua Tree und Achtung Baby von U2 und Songs auf Faith and Devotion von Depeche Mode entworfen und unter anderem bei den Musikvideos Heart Shaped Box von Nirvana und Enjoy The Silence von Depeche Mode Regie geführt. Sein erster Spielfilm war Control über Ian Curtis, dem Sänger von Joy Division. Nach The American aus dem Jahr 2010 folgten noch die Langfilme A Most Wanted Man (2014) und Life (2015) über die Freundschaft des Fotografen Dennis Stock mit James Dean. 

Zu seinen Filmen veröffentlicht er auch Bildbände, die das filmische Erlebnis mit einem fotografischen verbinden. Beispielsweise sind in dem Band zu The American einige der schönsten Einstellungen des Films, Set-Aufnahmen und Landschaftsbilder zu sehen. Zudem erläutert Corbijn aber in Bildern und Texten, was ihn an diesen landschaftlichen Elementen interessiert – und woher die Western-Elemente seines Films kommen. 

Derzeit ist in Hamburg bis zum 6. Januar 2019 eine Ausstellung von ihm zu sehen, die wichtige Themen seines fotografischen und filmischen Werks verbindet. Im Erdgeschoss des Kunst Forums hängen gewissermaßen seine Anfänge: die kommerziellen Auftragsarbeiten, die Bildnisse berühmter Musiker und Bands. Im oberen Geschoss sind dann zwei künstlerische Serien von ihm zu sehen, darunter „a somebody“, eine Serie mit Selbstporträts, in denen er die Rolle verstorbener Musiker einnimmt. Diese Beschäftigung mit sich selbst und mit dem Tod spiegelt sich auch in der zweiten Serie „Cemetries“ wider – und erinnert zugleich an den Dokumentarfilm Anton Corbijn Inside Out, in dem diese Seite des Künstlers sehr offenbar war. 

Anton Corbijn: Inside The American. Schirmer/Mosel. 49,80 Euro.
Ders.: Looking at A Most Wanted Man. Schirmer/Mosel. 49,80 Euro.
Ders: The Living and the Dead. Schirmer/Mosel. Katalog Bucerius Konst Forum. 48 Euro.

In der Corbijn-Ausstellung; Copyright: Sonja Hartl
In der Corbijn-Ausstellung; Copyright: Sonja Hartl

 

Am Set – Steve Schapiro

Ebenfalls beim Film gearbeitet, aber vornehmlich als Fotograf, hat Steve Schapiro. Auf mehr als 400 Sets war er Setfotograf und hat hunderte Motive für Filmplakate fotografiert. Zu zwei Filmen gibt es Bildbände: Taxi Driver und The Godfather, beide mittlerweile ebenso ikonisch wie manche Bilder aus ihnen. Die Bände erlauben nun nahezu einen Blick hinter die Kulissen – so sieht man bei einem Bild von Scorsese und Robert De Niro im Taxi im Vordergrund verschwommen die am Wagen installierte Kamera – und verstärken zudem den Nimbus dieser Filme. Man fragt sich unweigerlich, was in ihnen passiert, hier konkret sogar, was Scorsese und De Niro wohl denken mögen. Es sind Bilder, die die Handlung des Films dokumentieren und sich zugleich in die Erinnerung brennen. Und manche sind sehr begehrt: Aus The Godfather stammt eine Aufnahme, die den Moment zeigt, in dem Al Pacino das Gesicht des Bruders umfasst, der ihn verraten hat. Die limitierte Edition ist längst ausverkauft. 

Steve Shapiro: Taxi Driver. Hrsg. v. Paul Duncan. Taschen Verlag. 20,00 Euro.
Ders: The Godfather Family Album. Hrsg. von Paul Duncan. Taschen Verlag. 30,00 Euro.

  • Taxi Driver - Steve Schapiro
    Taxi Driver - Steve Schapiro

    Taxi Driver — Steve Schapiro

  • Taxi Driver - Steve Schapiro
    Taxi Driver - Steve Schapiro

    Taxi Driver — Steve Schapiro

  • Taxi Driver - Steve Schapiro
    Taxi Driver - Steve Schapiro

    Taxi Driver — Steve Schapiro

  • Taxi Driver - Steve Schapiro
    Taxi Driver - Steve Schapiro

    Taxi Driver — Steve Schapiro

  • Der Pate - Steve Schapiro
    Der Pate - Steve Schapiro

    Der Pate — Steve Schapiro

  • Der Pate - Steve Schapiro
    Der Pate - Steve Schapiro

    Der Pate — Steve Schapiro

  • Der Pate - Steve Schapiro
    Der Pate - Steve Schapiro

    Der Pate — Steve Schapiro

  • Der Pate - Steve Schapiro
    Der Pate - Steve Schapiro

    Der Pate — Steve Schapiro

Film als Stil – Cindy Sherman

Auch ikonisch, aber in einem gänzlich anderen Sinn sind die Bilder der Fotografin Cindy Sherman, die in ihrer faszinierenden Reihe Untitled Film Stills die Repräsentation von Frauen in den Medien, der Gesellschaft und der Kunst hinterfragt. Die gesamte Serie umfasst 69 Schwarz-Weiß-Fotografien, die zwischen 1977 und 1980 entstanden sind und scheinbar einem Film der 1950er oder 1960er Jahre entsprungen sein könnten. Cindy Sherman inszeniert ihre Selbstporträts wie Filmstills. Daher ist immer sie zu sehen, aber durch die Darstellung lässt sie Vorstellungen von den Frauen entstehen, die sie darstellt. 

Scheinbar mühelos schlüpft sie in die Rolle einer unschuldigen Bibliothekarin oder einer ängstlichen, ja, fast wahnsinnig wirkenden Frau in einem weißen Nachthemd. Man sieht eine sanfte Verführerin und eine energische Hausfrau und ahnt doch den Inszenierungscharakter, durch den zugleich die Frauenbilder dieser Zeit reflektiert werden. Die meisten dieser Bilder erzählen gleich einen gesamten Film, denn stets meint man erahnen zu können, wie es weitergeht oder aus welchem Film dieses Bild stammen könnte, wäre es nicht arrangiert. 

Ihre Bilder sind hier zu sehen.

Cindy Sherman: The Complete Untitelt Film Stills. Museum of Modern Art. ca. 32,80 Euro. 

 

Verbindungen – Robert Frank

Robert Frank ist sicherlich vornehmlich als Fotograf bekannt, seine Band The Americans ist eine – womöglich die – wichtigste amerikanische Foto-Publikation des 20. Jahrhunderts. Jedoch hat er sich Ende der 1950er Jahre dem Filmemachen zugewandt. Zusammen mit u.a. Shirley Clarke, Émile de Antonio, Alfred Leslie, Gregory Markopoulos gehörte er zu der experimentellen New American Cinema Group und seine Arbeiten verweisen auf sein Interesse für Menschen und Orte, für entgegengesetzte Kräfte und Strömungen. Seine Filme zeigen die Beat-Generation, das Kommunenleben, das Dasein der Armen und der urbanen Mittelklasse. Immer wieder meint man, Parallelen zu seinen Fotografien zu entdecken – hier wie dort erforscht er das Leben in den USA und die Möglichkeiten seines Mediums. 

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Robert Frank — Film Works from Steidl on Vimeo.

Robert Frank: Film Works. Steidl. 8 DVDs mit Buch. 150 Euro.

  • Film Works - Robert Frank
    Film Works - Robert Frank

    Film Works — Robert Frank

  • Film Works - Robert Frank
    Film Works - Robert Frank

    Film Works — Robert Frank

  • Film Works - Robert Frank
    Film Works - Robert Frank

    Film Works — Robert Frank

  • Film Works - Robert Frank
    Film Works - Robert Frank

    Film Works — Robert Frank

Film im Bild – Alex Prager

Mit den Möglichkeiten der Fotografie und des Films arbeitet auch die Fotografin und Filmemacherin Alex Prager, die in ihren Bildern oftmals SchauspielerInnen einsetzt. Bekannt wurde sie mit der Fotoserie „Week-End“, in der sie mit Zitaten an Hollywoodfilme arbeitet und ihre Bilder wie Filmstills arrangiert. Parallel dazu entstand der Kurzfilm Despair, der inspiriert von The Red Shoes aus dem Jahr 1948 den Kampf einer Ballerina – dargestellt von Bryce Dallas Howard – erzählt, die sich letztlich aus Verzweiflung umbringt. In ihrer Videoserie Touch of Evil waren u.a. Viola Davis, Mia Wasikowska, Ryan Gosling und George Clooney als Ikonen des Bösen zu sehen. Im Jahr 2012 trafen Fotografie und Film abermals aufeinander, als ihre Serie „Compulsion“ und der Kurzfilm La Petite Mort mit Judith Godreche, erzählt von Gary Oldman, entstanden ist. 

In ihren Bildern trifft Unbehagen auf Glamour, Ängste auf Inszenierung, Machtlosigkeit auf 1950er-Jahre-Ästhetik. Hier fließen Inspirationen von Cindy Sherman und William Eggleston zusammen. Neu erschienen ist nun der Bildband „Silver Lake Drive“, der auf die bisherige Karriere der Fotografin und Filmemacherin zurückblickt.

Alex Prager: Silver Lake Drive. Schirmer/Mosel 2018. 48 Euro. 

Alex Prager; Copyright: Schirmer/Mosel
Alex Prager; Copyright: Schirmer/Mosel

 

Kino-Architektur

Aber Kino ist nicht nur ein innerliches Ereignis. Allen Instagram-Followern von Kino-Zeit dürfte unsere Liebe zu Kino-Architektur schon aufgefallen sein. Eine Fundgrube ist dazu Walter Fernandes‘ Band „Angola Cinemas“, in dem er in Angola Lichtspielhäuser fotografiert hat. Entstanden sind die Bauten in der Kolonialzeit zwischen 1930 und 1975 – und sie sind futuristisch und experimentierfreudig, betonlastig und mit starken Linien. Der Einfluss der damaligen Kolonialmacht Portugal ist deutlich zu erkennen – und zugleich fragt man sich bei den Bauten immer wieder, wie sie damals wahrgenommen wurden und ob sie heute noch genutzt oder beachtet werden. 

Entstanden ist das Buch im Rahmen des Archive of Historical Cinemas in Afrika, das Miguel Hurst 2011 ins Leben gerufen hat. In Zusammenarbeit mit dem Fotografen Walter Fernandes wollte er die bemerkenswerte Kino-Architektur Angolas dokumentieren – und zugleich versuchen zu verstehen, wie die Menschen in Angola damals mit dem Kino lebten. 

Walter Fernandes: Angola Cinemas. Steidl Verlag. 45 Euro. 

  • Angola Cinemas - Walter Fernandes
    Angola Cinemas - Walter Fernandes

    Angola Cinemas — Walter Fernandes

  • Angola Cinemas - Walter Fernandes
    Angola Cinemas - Walter Fernandes

    Benguela Kalung - Angola Cinemas — Walter Fernandes

  • Angola Cinemas - Walter Fernandes
    Angola Cinemas - Walter Fernandes

    Huambo Estudio - Angola Cinemas — Walter Fernandes

  • Angola Cinemas - Walter Fernandes
    Angola Cinemas - Walter Fernandes

    Moxico - Angola Cinemas — Walter Fernandes

  • Angola Cinemas - Walter Fernandes
    Angola Cinemas - Walter Fernandes

    Namibe — Angola Cinemas — Walter Fernandes

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