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Streaming-Tipp des Tages: Atlantique

Ein Beitrag von Mathis Raabe

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Bild zu Atlantique von Mati Diop
Atlantique von Mati Diop - Filmbild 1

Schon zwischen 2002 und 2010, also noch bevor in Europa die sogenannte Flüchtlingskrise ausgerufen wurde, versuchten viele junge Männer aus dem Senegal, auf dem Seeweg nach Spanien zu kommen – aus wirtschaftlichen Gründen wie der Überfischung der Küsten durch Flotten aus der EU, die senegalesische Fischer arbeitslos macht. Das Langfilmdebüt der Franco-Senegalesin Mati Diop beschäftigt sich damit, allerdings aus der Perspektive der Zurückgeblieben – also der Frauen, und der reichen Männer, die eine lebensgefährliche Flucht nicht nötig haben.

Ada ist verliebt in einen jungen Arbeiter namens Suleiman, kontraktiert, um einen futuristischen großen Turm zu bauen. Weil er und seine Kollegen aber seit Monaten nicht mehr bezahlt worden sind, verschwinden sie aufs Meer. Ada ist währenddessen schon einem anderen, reichen Mann versprochen, den sie jedoch nicht liebt und sich dem gesellschaftlichen Druck, die Rolle der unterwürfigen Ehefrau zu spielen, auch nicht fügen will. Als beim Hochzeitsfest das Ehebett unter mysteriösen Umständen Feuer fängt, beginnt ein Polizist zu ermitteln, der an einer merkwürdigen Krankheit leidet. Langsam, aber sicher breiten sich fantastische Elemente in dem sozialrealistischen Setting aus.

Diop drehte in Dakar mit Laiendarstellenden. Die Authentizität der Orte und der Darstellenden trifft immer wieder auf magische Filmbilder, vor allem vom Atlantischen Ozean, der eine Vielzahl symbolischer Bedeutungen annimmt. Mit Atlantique war sie die erste Schwarze Frau, die in den Wettbewerb von Cannes eingeladen wurde – bis 2019 hat das gedauert. Dieses Jahr wird ihr mit Ramata-Toulaye Sy eine weitere franco-senegalesische Debütantin folgen.

Repräsentation ist freilich nicht der einzige Grund, sich Atlantique anzusehen. Durch die Kombination aus Klassenkritik und Geistermotiven ist ein zutiefst poetischer Film entstanden, der viele Wendungen bereithält und vielseitig interpretierbar ist.

Atlantique ist bei Netflix sowie seit letzter Woche auch in der Arte-Mediathek zu sehen – dort allerdings bislang nur auf Französisch oder in Originalsprache mit französischen Untertiteln.

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