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Wozu Filmfestivals?

Ein Beitrag von Christian Neffe

Am Montag hat das 41. Filmfestival Max Ophüls Preis begonnen. Es ist nur eines von 400 Filmfestivals in Deutschland. Wieso ist diese Zahl so hoch? Und braucht es Filmfestivals überhaupt?

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Filmfestival Max Ophüls Preis
Filmfestival Max Ophüls Preis

Die Zahl ist beachtlich: Rund 400 Filmfestivals gibt es — allein in Deutschland. Der passionierte Cineast könnte also theoretisch das gesamte Jahr damit verbringen, durch das Land zu tingeln und eben jene Festivals zu besuchen - von den Flensburger Kurzfilmtagen im Norden über die Konstanzer kurz.film-spiele im Süden bis zum FilmFestival Cottbus im Osten und dem Saarbrücker Filmfestival Max Ophüls Preis im Westen. Letzteres ist am Montag in seine 41. Auflage gestartet. Bis einschließlich Sonntag werden dort 149 Filme zu sehen sein, ein Drittel davon als Uraufführung. 16 Preise, die mit knapp 120.000 Euro dotiert sind, werden dabei vergeben.

Diese Zahlen sprechen für sich. Und stehen beispielhaft für den Boom, den Filmfestivals in den vergangenen Jahren sowohl in Deutschland als auch global erfahren haben (Schätzungen zufolge sind es weltweit rund 8000). Von dieser Entwicklung profitieren nicht nur die großen Leuchtturm-Veranstaltungen — Cannes, Venedig, Berlin — sondern auch mittelgroße und kleine Festivals. Jene also, die sich nicht als große Bühne der Welt präsentiert, sondern regionalen Charakter haben oder spezifische Interessen, Genres und Nischen bedienen. Etwa das FilmFestival Cottbus mit seinem Schwerpunkt auf osteuropäischen Filmen, das DOK Leipzig, auf dem ausschließlich Dokumentar- und Animationsfilme gezeigt werden, oder eben das Filmfestival Max Ophüls Preis, das sich dem cineastischen Nachwuchs verschrieben hat.

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FilmFestival Hamburg (c) Holger Rings / CC BY-SA via Wikimedia Commons

Doch wozu überhaupt Filmfestivals? Diese Frage wurde bereits 2017 auf einem Panel in Hamburg gestellt. Die Kommunikationswissenschaftlerin Tanja Krianhöfer hatte damals eine eindeutige Antwort darauf: „Die Filmwirtschaft abseits des Mainstreams kann ohne Filmfestivals gar nicht mehr auskommen.“ Keinesfalls ist es also so, als seien Festivals nur relevant, um — wie es in einer Folge der Hollywood-Satire Bojack Horseman zynisch heißt — zu Promozwecken ein paar Abzeichen auf das Kinoplakat drucken zu können. Vielmehr, so Krainhöfer, kompensieren Festivals das sukzessive Schwinden der Programmkinos und ermöglichen dem Publikum weiterhin einen Zugang zum Arthouse-Kino. Die Digitalisierung habe zu einer Demokratisierung der Produktionsbedingungen beim Film gesorgt — Filmfestivals bewirkten im gleichen Atemzug „eine Demokratisierung beim Zugang zu Werken außerhalb des Mainstreams“, erklärt die Forscherin.

Daneben sei es auch der kuratorische Aspekt der Filmfestivals, der einen großen Mehrwert für das Publikum und ihm Orientierung in einem Markt mit immer mehr Veröffentlichungen biete. In Deutschland habe sich die Zahl der Kinostarts von 1996 (317) bis 2016 (655) mehr als verdoppelt. Und: „Was produziert wird, will auch gezeigt werden“, so Krainhöfer. Die klassische Kinoauswertung könne das Produktionsvolumen allerdings nicht mehr angemessen abbilden. Filmfestivals jedoch könnten besonders sehenswerte Werke verstärkt in den öffentlichen Fokus rücken, sowohl durch entsprechende Auszeichnungen als auch durch die zielgerichtete Platzierung im Programm, etwa als Eröffnungsfilm.

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Nicht zuletzt fördern Festivals die Funktion des Kinos als sozialer und politischer Raum. Diskussionsrunden und Vorträge schaffen Möglichkeiten für Reflexion abseits des reinen Filmkonsums, zu beobachten etwa in den hitzigen Debatten, die fast jährlich das DOK Leipzig begleiten. Bei den Verführungen des FantasyFilmFests feiert das Publikum ausgiebig und lautstark seine Passion fürs Genre. Festivals mit dezidiertem Schwerpunkt (beispielsweise das Queer Film Festival München, das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln oder die Nippon Connection in Frankfurt am Main) können Awareness für unterrepräsentierte Themen schaffen. Und Festivals, die sich vor allem jungen Filmschaffenden gewidmet haben, geben Newcomer*innen die Chance, sich auf großer Leinwand zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen.

Die Relevanz deutscher Filmfestivals lässt sich nicht in der Anzahl internationaler Premieren oder der Stars messen, die über den roten Teppich laufen. Diesem Status als Promotionsplattform sind sie längst ent- und gleichsam zu einem massiven wirtschaftlichen wie auch kulturellen Faktor gewachsen. Angesichts weiterhin sinkender Kinobesucher*innenzahlen in Deutschland sind sie womöglich gar die Rettung des Kinos.

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