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Darling der Woche

Zwei Erfinder und Filmpioniere aus Hessen

Ein Beitrag von Bianka-Isabell Scharmann

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Doppelporträt von Oskar Barnack (links) und Julius Neubronner (rechts), der eine Taube und eine Kamera hält

Oskar Barnack und Julius Neubronner – diese beiden Namen sind vermutlich nicht die ersten, denen man begegnet, wenn man sich für deutsche Filmgeschichte interessiert. Barnack wie auch Neubronner fanden über Umwege zum Film. Ihre Aufnahmen gehören zu den frühesten, die uns aus Hessen überliefert sind. Und abgesehen davon sind sie einfach wirklich schön.

 

Die Digitalisierungsoffensive

Das Deutsche Filminstitut Filmmuseum DFF in Frankfurt am Main zeigte am letzten Wochenende, vom 17.–19.01., digitalisierte Filme aus ihrem analogen Filmarchiv. Über das Film Preservation Weekend heißt es auf der Website:

Ohne die hochauflösende Digitalisierung des analogen Filmerbes sind zentrale Werke der deutschen Filmgeschichte, Raritäten und bislang unerschlossene Bestände in den digitalisierten Kinos nicht mehr verfügbar. Sie bleiben für die Öffentlichkeit unsichtbar.

Obwohl die EU schon in 2004 die Notwendigkeit, das analoge Filmerbe zu digitalisieren, gegeben sah, gab Deutschland erst in 2012 widerwillig zu, dass Handlungsbedarf besteht. Seither wird die Preservierung, Digitalisierung und weitere Archivierung des deutschen Filmerbes von Mittel der sog. Digitalisierungsoffensive gefördert, die aus den Haushalten vom Bundesministerium für Kultur (BKM) und der Film Funding Agency (FFA) kommen. Auch die Arbeiten von Neubronner und Barnack profitieren von den Zuwendungen. Beiden wurde am 18.01. im DFF ein eigener Programmpunkt gewidmet. 

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Amateurfilmer aus Kronberg

Julis Neubronner (1852–1932), wie auch schon sein Vater Wilhelm und sein Großvater, war Apotheker. Und in seiner Freizeit leidenschaftlicher Filmemacher. Er begann als Fotograf, hatte er doch schon mit 13 Jahren die Fotografie für sich entdeckt und experimentierte mit der selbst gebauten Kamera seines Vaters. Nach Schule, beruflichen Ausbildung als Apotheker und einem anschließenden Studium der Chemie, welches er mit Promotion abschloss, übernahm er die Familien-Apotheke in 1886.

Die frühe Fotografie war ein Experimentierfeld: im Verlauf des 19. Jahrhunderts arbeitete man vor allem an den Chemikalien, an deren Zusammensetzung und an den Trägermaterialien selbst. Es ging darum, die Technik zu verbessern, sowie die Aufnahmezeit insgesamt zu verkürzen. Das frühe Interesse Neubronners an fotografischen Verfahren in Kombination mit seinem in Ausbildung und Studium erworbenen Wissen prädestinierten ihn dafür, die weitere Entwicklung der Technik zu verfolgen – bis natürlich hin zur Erfindung von Film. Dann überrascht es auch fast nicht, dass er schon 1901 anfing, Amateurfilmaufnahmen anzufertigen. Nur sechs Jahre nach dem die Gebrüder Lumière ihren Cinematographen vorgestellt hatten. Er entwickelte die Filme selbst, als Chemiker und Fotograf hatte er die nötige Übung und das Wissen. Neubronner gehört damit zu den Pionieren der Amateurfilmer.

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Die Aufnahmen Neubronners sind vielfältig: von kleinen Sketchen wie Luftnummer (1903), die er im Garten der Familie mit Angehörigen aufführen ließ, über Aufnahmen von lokalen Ereignissen bis hin zum Festhalten von geschichtlich bedeutsamen Begebenheiten wie der Ankunft von König Eduard VII. von England in Kronberg (1901). Er drehte auch Filmillusionen, ganz im Stil des frühen Kinos: Julius Neurbronner zaubert (1904) nutzt den Schnitt in der Kamera, um Dinge verschwinden zu lassen und Menschen magisch zu vertauschen. Dieser Film erinnert an den französischen Vater der Leinwandmagie, Georges Méliès, der z.B. Köpfe aufblies wie in L’homme à la tête en caoutchouc (1901).

 

Der Erfinder der Ur-Leica

Oskar Barnack (1879–1936) war kein gebürtiger Hesse, lebte, fotografierte und filmte jedoch lange Zeit im mitteldeutschen Bundesstaat. Er lernte das Handwerk des Feinmechanikers in Berlin-Lichterfelde. Auf seiner Wanderschaft mit Station in Jena lernte er eine für sein späteres Leben richtungsweisende Person kennen: den Filmpionier Emil Mechau, der in 1908 zu Leitz nach Wetzlar wechselte. Dorthin folgte ihm Barnack in 1911.

Für Leitz arbeitete Barnack u.a. im Bereich der Aufnahmetechnik für Kinofilme. Er schaffte es, das Kinofilmformat (24x18mm) für die Fotografie nutzbar zu machen und entwickelte das Leica-Format von 24mm Länge und 36mm Breite. Die erste Kleinbildkamera war geschaffen. Schon ab 1914 fotografierte Barnack selbst mit der Ur-Leica. 10 Jahre später war die Technik dann soweit verfeinert, deren weitere Entwicklung vom Ersten Weltkrieg unterbrochen wurde, dass sie in Serie gehen konnte.

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Barnack baute in 1912 eine eigene 35mm Kamera – von ihm „Kinoaufnahme-Apparat“ getauft –, mit der er Alltagsszenen, Ereignisse und in Zusammenarbeit mit der Universität Gießen auch medizinische Verfahren filmte. Unter den Aufnahmen aus den 1910er und 1920er Jahren, die filmgeschichtlich besonders bedeutend sind, finden sich so schöne lokale Sujets wie Lahntal, Bad Ems (1914): der Film zeigt anfangs ganz ruhig das Panorama der ganzen Stadt samt Fluss. Hochwasser in Wetzlar (1920) ist, trotz seiner Dramatik, ebenfalls ein ruhiger Dokumentarfilm: Wasser faszinierte Filmemacher im frühen Kino und auch Barnack hielt einfach lange auf die Wellen drauf, die durch die Stadt spülten. Tatsächlich sind Barnacks Aufnahmen die einzigen, die von Wetzlar aus dieser Zeit existieren. Und durch Blutwäsche bei einem Hund (1914) weiß man, dass Ärzte der Universität Gießen Vorreiter im Bereich der Dialyse waren.

Die Filmographien beider Männer sind, soweit sie digitalisiert wurden, online zugänglich. Als Teil des Projekts Hessen im Film findet man sie auf der Website. In beiden Fällen erweisen sich die Aufnahmen als wichtige historische Quellen. Und darüber hinaus sind sie wirklich schön anzusehen und können auch heute noch, wie im Falle Neubronners, nach über 100 Jahren unterhalten. 

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