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Darling der Woche

Tarr Béla: I Used to Be a Filmmaker

Ein Beitrag von Sebastian Seidler

Béla Tarr ist für viele Liebhaber:innen des Kinos eine lebende Legende, dessen Filme von einem klaren Stil, einer Weltsicht zeugen. Auf YouTube gibt es einen Dokumentarfilm zu sehen, bei dem man dem Regisseur über die Schulter blicken darf.   

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Turin Horse

Das Turiner Pferd ist ein Film von monolithischer Schönheit und kraftraubender Größe: Mit ruhigem Rhythmus aus stiller, unerbittlicher Dauer und sich immerzu wiederholenden Tagesabläufen, die wie ein Kreis angeordnet sind, dreht sich der Film tief in die Seele des Publikums. Was auch immer mit diesem großen Wort „Seele“ gemeint sein mag, denn der Regisseur Béla Tarr gehört nicht zu jenen Filmemachern, die an Gott oder etwas Jenseitiges glauben. In diesen herausfordernden Filmen – von Verdammnis bis zu Die Werkmeisterschen Harmonien – sind lediglich die Erde, Körper und Räume präsent. Die Menschen mögen hoffen oder ihr Heil in einer mystischen Figur suchen, wie sie der niemals anwesende Prinz auf dem Marktplatz in Die Werkmeisterschen Harmonien verkörpert. Nur landen die Menschen alsbald wieder im Matsch oder werden von einem gebrechlichen Körper schmerzlich an das Hier und Jetzt erinnert. 

In den sechs Tagen, die Das Turiner Pferd umspannt, wird hauptsächlich der Alltag von Vater und Tochter gezeigt. Das Ankleiden geht schwer von der Hand. Immerzu werden heiße Kartoffeln gegessen. Und draußen tobt ein Sturm, als würde die Welt untergehen. Der Titel ist an jener Geschichte über Nietzsche angelegt, der beim Anblick eines misshandelten Pferdes den Verstand verloren haben soll. Dieses Pferd sehen wir gleich zu Beginn. Wird deswegen die Geschichte des Pferdes erzählt? Mitnichten. Vielmehr verliert der Film selbst den Verstand, egal wie streng die Bilder auch komponiert sein mögen: Alles wird immer enger und enger – bis am Ende das Licht erlischt.

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Auf YouTube gibt es nun eine Dokumentation über den Dreh von Das Turiner Pferd. Es ist atemberaubend, wie eine schnöde Landschaft durch die Augen der Kamera verwandelt wird; ganz und gar ohne digitale Effekte. Béla Tarr zeigt sich als Arbeiter, der zwar einer klaren Vision folgt, aber niemals abgehoben erscheint. Eher streng – zu sich in allererster Linie. Für Fans des ungarischen Regisseurs ein Muss. Aber auch für alle, die ein Interesse am Prozess des Filmemachens haben, ein großer Gewinn.

 

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