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Darling der Woche

REVÜ: Ein Flugblatt für Cinephilie

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

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Im November 2020 erschien die erste Ausgabe der REVÜ.
Im November 2020 erschien die erste Ausgabe der REVÜ.

Es gibt doch noch gute Nachrichten. Selbst im Jahre 2020, dem annus horribilis des Coronavirus. Zum Beispiel, dass Trump abgewählt wurde. Dass für Black Lives Matter überall auf dem Planeten die Leute auf die Straßen gingen. Dass während der ersten großen Lockdown-Phase Animal Crossing: New Horizons released wurde. Oder aber, dass währenddessen in München ein paar Filmstudentinnen beschlossen ein neues Filmmagazin auf die Beine zu stellen.

Carlotta Wachotsch und Sarah Ellersdorfer von der Hochschule für Fernsehen und Film München hatten dort einen wöchentlich stattfindenden Filmclub kuratiert. Doch plötzlich schlossen die Schule und die Kinos sowieso. Streamingservices gut und schön, aber eines lassen sie ganz sicher vermissen: Den regen Austausch über Filme. So nahm die Idee zu einem „cineastischen Flugblatt“ Formen an, das auch abseits von aktuellen Kino- und Streamingstarts dem Dialog über das Medium einen Raum geben sollte.

Ein gutes halbes Jahr später liegt die erste Ausgabe von REVÜ vor. Analog natürlich, so dass man das Papier streicheln, den Diskurs in die Tasche stecken und auf der Lieblingsbank im letzten Sonnenlicht des Tages wieder herausziehen kann. Zu den beiden Herausgeberinnen gesellten sich dazu die Webdesignerin Johanna Seggelke, Grafikerin Lili Avar und eine Handvoll Filmstudent*Innen, die in ihrer Zeitschrift jeweils einem ganz bestimmten Film einen Essay widmen, ihm ihre Liebe erklären oder darüber reflektieren, warum sie an diese eine kleine Szene immer und immer wieder denken müssen.

Das Team: Johanna Seggelke, Carlotta Wachotsch, Lili Avar & Sarah Daisy Ellersdorfer; © REVÜ
Das Team: Johanna Seggelke, Carlotta Wachotsch, Lili Avar & Sarah Daisy Ellersdorfer © REVÜ

Das Schöne dabei: Man merkt, dass REVÜ ohne Zwänge entstanden ist. Einerseits in der Auswahl der Filme: Aktuelles Kino steht neben Klassikern und essayistische Dokumentarfilme neben großem Erzählkino, Porträt einer jungen Frau in Flammen neben Pather Panchali. Andererseits in der Form der Texte. Sie sind kurz oder lang, erinnern an Bewusstseinsströme oder nähern sich ihrem Thema mit einem analytischen Blick, sie reflektieren die Umstände ihrer Rezeption mit oder beginnen mit einer Musikempfehlung zur Begleitung der Lektüre. Orte, an denen Print-Texte über Film spielen dürfen, sind rare Pflänzchen. Meist fehlt der Platz und im Zweifel wiegt die Gunst der Anzeigenkunden schwerer als der schöpferische Drang.

Aus dem Gründungsmanifest der REVÜ: „Wir müssen mutig sein, die Vielfalt dieses Mediums anzuerkennen: Die Wirkungsmacht des Films neben dem großen Kanon, neben den gigantisch teuren Filmen aus dem amerikanischen Hollywood, neben den festen Sendeformaten im Fernsehen und den personendefinierten Algorithmen der Streamingdienste zu fördern. Wir müssen mutig sein in Deutschland Film als Kunstform anzuerkennen und nicht nur mehrheitlich mit reiner Unterhaltung zu verbinden. Wir haben so viel Angst bekommen, dass das Medium im eigenen Wesen nicht stark genug ist, sich selbst zu erhalten. Cinephilie wird oft verklärt als ein Diskurs des „Arthouse“, doch deren Förderung ist die Lösung für den Erhalt eines ganzen Mediums und seiner Orte.“

Amen.

Die Novemberausgabe der REVÜ ist direkt auf der Website für 8 Euro käuflich zu erwerben. Dort gibt es außerdem schon ein paar Kostproben der Essays zu lesen, zu denen sich im Laufe der Zeit auch ein paar Online-Exclusives gesellen sollen. Wir sind gespannt, was die Zukunft für die REVÜ bringen wird und wünschen jeden nur denkbaren Erfolg.

 

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