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Darling der Woche

Bekannte Stimme, unbekanntes Gesicht: Verna Felton und Disney

Ein Beitrag von Bianka-Isabell Scharmann

Meinungen
Fee, Fee, Herzkönigin
"Dornröschen" / "Cinderella" / "Alice im Wunderland"

Als sich am Ende von Singin‘ in the Rain der Vorhang hebt und das wirkliche Gesicht zur Stimme enthüllt wird, ist die Überraschung und auch die Entrüstung groß: Denn die Stimme der bezaubernden Lina Lamont (Jean Hagen) ist die von Kathy Seldon (Debbie Reynolds). Und plötzlich ist da eine Diskrepanz zwischen dem Körper Lamonts und ihrer vermeintlichen Stimme, eine Differenz, die sich nur durch das Lüften des Vorhangs überhaupt ergab und die dann durch Lamonts wirkliche Stimme neutralisiert wird. Sie gibt Kathy ihre zurück.

Zugegeben, das ist ein Extremfall – und sehr Hollywood: Die Leindwandpräsenz der einen Schauspielerin, ihre Schönheit und ihre Beliebtheit bei den Fans aus der Stummfilmzeit in den Tonfilm mitnehmen zu wollen und dies mit Hilfe des stimmlichen Talents einer anderen jungen Frau. Ein bekanntes Gesicht bekam eine bekannte Stimme – die andere blieb unbekannt.

Verna Felton genoss gleichwohl die Unbekanntheit ihres Gesichts, die ihr das Radio verschaffte und dessen Spezifik es ihr ermöglichte, ihre stimmlichen Talente auszuspielen. Die Schauspielerin, die eine erstaunliche und lange Karriere zwischen Theater, Radio, Fernsehen und Film absolvierte, verlieh in ihrer Karriere Charakteren Leben und Persönlichkeit mittels ihrer Stimme und prägte so die Kindheit vieler. Heute auf den Tag vor 130 Jahren war sie geboren worden und wir erinnern anlässlich ihres Geburtstags an eine vielseitige und begnadete Synchronsprecherin.

 

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„Sala-gadoola-menchicka-boo-la Bibbidi-bobbidi-boo…” – Wer weiß, wie es weitergeht? Wer hat beim Lesen der Zeilen direkt die Melodie im Kopf? Verna Felton sang dieses Lied im englischen Original des Disney-Films Cinderella (1951). Sie war die gute Fee, ihre „fairy godmother“, die Cinderella auf ihren Weg schickte. Schaut man sich das Gesicht der Fee genauer an, dann fühlt man sich möglicherweise an die gute Fee Flora aus Dornröschen (1959) erinnert. Ebenfalls ein Disney-Film, ebenfalls gesprochen von Verna Felton. Beiden verlieh sie eine sorgende, beruhigende und doch quirlig aufgeweckte Art, die sie perfekt wusste durch ihre Stimme zu transportieren. In Dornröschen sprach sie außerdem die Königin – Doppelrollen waren kein Einzelfall in ihrer Arbeit für Disney. Gleich in ihrem ersten Engagement Dumbo – Der fliegende Elefant (1951) sprach sie sowohl die Matriarchin als auch Mrs. Jumbo. Den offiziellen Credit in der Titelsequenz sucht man leider vergebens. Man hört sie jedoch deutlich heraus: Sowohl ihre rauchige Stimme als auch ihre Nüchternheit oder wie es so schön auf Englisch heißt „no nonsense attitude“.

Die wohl größte Vielfalt – von bittersüßem Honig ums Maul schmieren bis hin zur Unnachgiebigkeit – konnte sie in ihrer Rolle als Herzkönigin in Alice in Wunderland (1951) zeigen. Sie schrie gebieterisch ein im englischen Original langgezogenes „Silence“, sagte in falscher Freundlichkeit so unlogische Sätze wie „Curtsy my dear, it saves time“ (Mach einen Knicks, meine Liebe, das spart Zeit) und forderte dann, bekanntermaßen, lautstark Alices Kopf. Einen ähnlich antagonistischen, aber menschlicheren und daher auch diabolischeren Charakter sprach sie in Susie und Strolch (1955): Tante Sarah ist eine bedrohliche Größe im Film, die umso ungreifbarer erscheint aufgrund der für den Film gewählten Perspektive. Der Fokus auf die Ebene der Tiere erlaubt es, oftmals nur eine Hand oder den Rock im Bild zu zeigen, begleitet von Feltons zweifach entkörperlichter Stimme ohne Gesicht.

 

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Ihre letzte Rolle ihres Lebens hatte sie als Winifred in Das Dschungelbuch (1967): Die Elefantendame ist die starke Frau hinter dem Colonel der Kompanie (an dieser Stelle lassen wir mal eben außer Acht, dass es die Elefantenkühe sind, die die Herden leiten und nicht die Bullen). Den Release des Films hat Felton nicht mehr miterlebt. Sie starb 1966 im Alter von 76 an den Folgen eines Schlaganfalls. Einen Tag vor dem Tod von Walt Disney. Ihre Rollen, die sie für Disney sprach, machten ihre Stimme zu einer, die viele Kinder begleitete – und die noch vielen Erwachsenen im Ohr ist. Auf ewig mit den Charakteren verbunden, die sie mittels ihres Talents zum Leben erweckte und Tiefe verlieh.

Letztendlich muss man jedoch sowohl aufpassen, wem man die Stimme stiehlt (Singin in the Rain) wie auch wem man sie leiht. An diese Konsequenz der Arbeit erinnerte Abe Weissman (Tony Shalhoub) seine Tochter Miriam „Midge“ Maisel (Rachel Brosnahan), als diese ihre Stimme für die Kampagne einer ultrakonservativen Politikerin hergeben will. Midge hat davon abgesehen, einen Charakter zu sprechen, der so wenig ihren eigenen Überzeugungen entspricht.

 

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Verna Felton blieb mit ihren Rollen meist am Rand, sprach und spielte unterstützende Charaktere, Nebenrollen wie auch aus den Disney-Filmen herauszulesen. Die aber oftmals zentral für die Geschehnisse waren, ohne die die Protagonistinnen sich nicht entwickeln können. Die ihre eigene Stimme hatten, die zusammengenommen eine vielseitige Weiblichkeit zeigen -auch dank dem vollen, stimmlichen Einsatz Feltons. 

(Es lohnt sich, in die englischen Versionen der Disney-Filme reinzuschauen, um Felton selbst sprechen und singen zu hören. Alle Filme sind über Disney+ im Stream verfügbar.)

 

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