Mein liebster Alptraum

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Über alle gesellschaftlichen Schranken hinweg

Die Mischung sozialer Schichten scheint gerade Thema im französischen Film zu sein. Mit Ziemlich beste Freunde und Mein liebster Alptraum laufen im deutschen Kino fast zeitgleich zwei Filme an, in denen sich jeweils zwei Menschen aus dem Arbeitermilieu und der Upper Class begegnen und näher kommen. Im Fall von Anne Fontaines Komödie Mein liebster Alptraum ist das die renommierte und kultivierte Galeristin Agathe (Isabelle Huppert) und der grobschlächtige, mittellose Gelegenheitsarbeiter Patrick (Benoît Poelvoorde).
Zwischen den beiden Hauptfiguren liegen Welten: Sie wohnt mit ihrem Lebensgefährten François (André Dussollier) und dem gemeinsamen Sohn in einem riesigen schicken Appartement in einer vornehmen Gegend mitten in Paris. Er lebt – ohne festen Wohnsitz – allein mit seinem Sohn zusammen. Mal schlafen sie in seinem Lieferwagen, mal in einer Concierge-Loge. Sie ist elegant, gebildet und beruflich erfolgreich. Er ist vulgär, aufdringlich und dem Trinken alles andere als abgeneigt. Während Sex mit ihrem Lebenspartner seit der Geburt ihres Sohnes längst abgehakt ist, steht es bei ihm auf der Tagesordnung. Je vollbusiger und schamloser die Frauen, desto besser.

Eigentlich würden sich die beiden nie begegnen, aber sie haben beide heranwachsende Söhne, die eine gemeinsame Schule besuchen und trotz unterschiedlicher Herkunft die besten Freunde sind. Die Freunde seiner Kinder kann man sich vielleicht noch im Kleinkindalter heraussuchen, aber spätestens in der Schulzeit haben die Eltern darüber die Kontrolle verloren. Und so kommen sich auch die Erwachsenen über alle gesellschaftlichen Schranken hinweg näher – näher als sie es eigentlich wollten. Wobei Patrick die Begegnung sehr entgegenkommt. Es kann ja nur von Nutzen sein, jemanden aus der Oberschicht zu kennen. Vor allem Agathe hat mit der Begegnung zu kämpfen und geht jedes Mal wie ein Raubtier auf Patrick los.

Jede Begegnung bringt bekanntlich Veränderungen mit sich und somit wird das Leben von Patrick, Agathe und ihrem Lebenspartner tüchtig durcheinander gewirbelt. Neue Gefühle verdrängen erloschene Emotionen, alte Denkmuster werden umgestülpt. Es wird viel geredet, gestritten und geliebt – so wie wir es aus dem französischen Kino kennen und lieben. Regisseurin Anne Fontaine (Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft, Das Mädchen aus Monaco), die auch das Drehbuch für den Film geschrieben hat, beweist ein wunderbares Händchen für ihre Figuren. Geistreich, humorvoll und schlagfertig liefern sie sich Szenen einer Beziehung – und das mit überraschendem Ausgang.

Und so ist am Ende Agathe ein Stück mehr Patrick geworden und in Patrick steckt mehr von Agathe. Ein Paar, das eigentlich nicht zusammenpasst, hat zueinander gefunden, hat sich einander immer mehr geöffnet. Was letztendlich eine wunderbare Erfahrung für beide ist. Auslöser dafür ist die Freundschaft ihrer beiden Kinder gewesen. Das zeigt ganz deutlich, dass gerade bei Kindern noch keine festen Denkmuster, sozialen Codes und Vorurteile hinsichtlich Status und Klasse ausgeprägt sind.

Vielleicht ist eine Liebesgeschichte wie Mein liebster Alptraum im wahren Leben utopisch. Umso schöner ist es dann, dass das Kino Menschen wie diese näher zusammenbringt, ihre Schutzwälle herunterreißt und ihnen zeigt, wer sie tief im Inneren wirklich sind.

Mein liebster Alptraum

Die Mischung sozialer Schichten scheint gerade Thema im französischen Film zu sein. Mit „Ziemlich beste Freunde“ und „Mein liebster Alptraum“ laufen im deutschen Kino fast zeitgleich zwei Filme an, in denen sich jeweils zwei Menschen aus dem Arbeitermilieu und der Upper Class begegnen und näher kommen.
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Meinungen

Martin Zopick · 12.05.2021

Als die Ehe von Agathe (Isabelle Huppert) und Francois (André Dusollier) in Eintönigkeit versinkt, finden beide einen neuen Partner. Ein tausendmal durchgenudeltes Thema. Aber wenn das belgische Komiktalent Benoit Poelvoorde (Das brandneue Testament) die Hauptrolle als Patrick spielt sind Schenkelklopfer angesagt. Da kann Francois mit neuer Flamme Julie (Virginie Efira) auch nicht entscheidend punkten.
Regisseurin Anne Fontaine hat sich hier an den Klischees abgearbeitet und eine Reihe von netten Witzchen runtergespult. Der Huppert nimmt man die Seitensprungrolle nicht so ganz ab. Sie ist hier nicht so recht bei der Sache. Etwas Komik liefert der Klassenunterschied zwischen ihr und Patrick. Wo sonst könnte man das besser verdeutlichen als mit einer Kunstaustellung – oder wenn sie die Toilettentür aufreißt, wo er gerade eine Sitzung abhält. Viel Besäufnis gehört dazu, sowie Austoben in der Disco.
Da passt auch das Schlusszitat hin ‘Halt die Schnauze!‘ Dann küsst sie ihn. Genauer wollte sich die Regie nicht festlegen. Kurzweilige Unterhaltung, die so schnell vergeht wie die Späße.

searchi · 29.11.2012

Also ich finde den Film durchaus gelungen und auch witzig. So kann man sich an die Zeiten von de Funes erinnern aus den 70er und 80ern.