Ab ans Meer!

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Kindliche Kreativität

„Der erste Film (wie) von einem Kind gemacht“, heißt es auf dem Plakat zu Ab ans Meer! von Jiří Mádl. Das Regiedebüt des 1986 geborenen tschechischen Schauspielers erweckt durchaus glaubhaft den Anschein, es handle sich um das Werk des 11-jährigen Protagonisten Tomás (Petr Simcák), der zu seinem Geburtstag von seinen Eltern eine Kamera und ein Schnittprogramm geschenkt bekommen hat und nun seinem großen Vorbild Miloš Forman nacheifert. Tomás möchte es als Filmemacher bis nach Hollywood schaffen und fängt daher seine Lebenswelt en détail mit der Kamera ein.
So etwa den Alltag mit seinem Vater (Ondřej Vetchý) und seiner Mutter (Lucie Trmíková), die Besuche seiner Großmutter (Jaroslava Pokorná), das Dasein als Schüler und die Spiele des örtlichen Kinderfußballvereins, dem Tomás nur auf Wunsch seines Vaters angehört. Unterstützung bei seinem Projekt erhält der 11-Jährige insbesondere von seinem besten Freund Haris (Jan Marsál). Als Tomás seine Mitschülerin Stana (Anastázie Chocholatá) auf ein Eis und ins Kino einlädt, filmt Haris mit. Obendrein kommen die beiden einem Geheimnis auf die Spur: An zwei Wochentagen verlässt Tomás‘ Vater für mehrere Stunden sein Home Office, während Tomás‘ Mutter ihrer Arbeit als Physiotherapeutin in einer Einrichtung für behinderte Menschen nachgeht. Die zwei Freunde wollen herausfinden, warum er lügt.

Im Laufe des 90-minütigen Films lässt sich Tomás beziehungsweise der Regisseur Mádl zu etlichen audiovisuellen Spielereien hinreißen. Dieser Freude am Experimentieren haftet jedoch nie etwas Anstrengendes an; vielmehr kann sie im Rahmen der Erzählung vollauf überzeugen. Ab ans Meer! zelebriert die kindliche Kreativität – und nimmt seine Protagonisten Tomás und Haris nicht nur als (angebliche) Schöpfer des gezeigten Materials, sondern auch als Menschen mit kleinen und großen Sorgen ernst. Einerseits hat die Geschichte zwar viele heitere Momente; andererseits schreckt das Drehbuch (ebenfalls von Mádl) nicht vor zahlreichen schwierigen Themen zurück. Als Grund für das häufige Verschwinden von Tomás‘ Vater erweist sich weder ein naheliegendes Seifenopernmotiv noch eine komödiantische Albernheit, sondern eine für alle Beteiligten sehr herausfordernde Situation. Ferner befasst sich das Werk in seinen Subplots unter anderem mit Erwartungsdruck sowie der Angst und Trauer um einen geliebten Menschen. Ergreifend und erschütternd sind nicht zuletzt die Passagen, in denen Ab ans Meer! zu Haris‘ Film wird und der Junge die häusliche Gewalt erfasst, der sich seine aus Kroatien stammende Mutter (Michaela Majerníková), sein jüngerer Bruder (Lukás Hrabák) und er selbst durch den Vater (Ondřej Veselý) ausgesetzt sehen. Im Gegensatz zu zahllosen Found-Footage-Schockern, in denen das Mitfilmen der Figuren völlig unplausibel ist, hat das Festhalten der Geschehnisse in Bild und Ton hier auch etwas mit Ermächtigung zu tun. Denn indem Haris die Übergriffe seines Vaters filmt, werden sie zu beweisbaren Straftaten, die nicht länger nur im Verborgenen passieren. Mádl gelingt es, einem Großteil der Themen seines Skripts gerecht zu werden; einzig der Strang um Tomás‘ Schwarm Stana bleibt etwas zu klischeehaft.

Die zwei zentralen, jungen Helden sind sympathisch, da sie sich sowohl nachdenklich-klug als auch unreif-albern verhalten dürfen. Ihre Darsteller – der Debütant Petr Simcák ebenso wie der kameraerfahrene Jan Marsál – können den Mix aus Pseudo-Dokumentarfilm und Coming-of-Age-Tragikomödie mühelos tragen und machen Ab ans Meer! mit ihrer stimmigen Chemie zu einem sehr schönen Film über Freundschaft.

Ab ans Meer!

„Der erste Film (wie) von einem Kind gemacht“, heißt es auf dem Plakat zu „Ab ans Meer!“ von Jiří Mádl. Das Regiedebüt des 1986 geborenen tschechischen Schauspielers erweckt durchaus glaubhaft den Anschein, es handle sich um das Werk des 11-jährigen Protagonisten Tomás (Petr Simcák), der zu seinem Geburtstag von seinen Eltern eine Kamera und ein Schnittprogramm geschenkt bekommen hat und nun seinem großen Vorbild Miloš Forman nacheifert.
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